Naturphänomen (überarbeitet) (gelöscht)

presque_rien

Mitglied
Guten morgen :),

hab mein Gedicht "Naturphänomen" mal überarbeitet, weil ichs gern bei 'nem Wettbewerb einreichen würd.. Ich bild mir ein, ich hätte alles, was mir an dem Gedicht schon immer mißfiel, jetzt ausgemerzt - aber vielleicht ist die Anfangsvariante doch besser? Hilfe?! Bitte sagt, welche Variante euch besser gefällt!

LG Julia

P.S.: Hier das Original:

naturphänomen

wo jeder seine laster trägt,
da schwebst du über pflanzensteine;
du bringst mich, wo asphaltbelegt
der tag mich trug, zurück ins reine:

die menge hastet schnell umher -
doch du schnellst wie aus heissen quellen
als fluss, wo nur der stadtverkehr
sonst fließt im schaum der hörfunkwellen;

und wie du fasst nach meiner hand
bringt häuser ganz aus der fassade -
der stadtrand wedelt wie am strand
das ziegeldach zum sonnenbade

und wenn du meine hüften drückst,
hüpft jede ampel flugs ins grüne;
du bläst den rauch, den du mir pflückst
aus meinem haar, zu wölkchen kühne

und da dein auge rege blaut,
birgt grauer regen bunte schauer;
du hauchst das heute von der haut
und küsst das b von jeder dauer;

drum wächst, solang du morgens glühst,
mein wohnblock rings um eine lichtung -
wo du im menschendickicht blühst,
da setzt kein fuß sich ohne dichtung!
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Julia

Zwei kleine "Störer" habe ich in diesem wunderbaren Gedicht noch gefunden:

1.) verfließt im Schaum von Hörfunkwellen

Müsste es nicht zerfliesst heissen? Verfliesen (gut, mit einem s) kann man Bäder......

2.)aus meinem haar, zu wölkchen kühne

Mit einem Komma vor "kühne" ginge es notfalls aber besser wäre wohl, "Wölcken, kühnen" zu schreiben und weiter oben die Ampel im Grünen stehen zu lassen?! Guuut, der drollige Hüpfer ginge dabei leider verloren, wäre schon schade drum aber die Wölkchen vom Essiggurken- und Senf- und Rotkohlhersteller stören mich mehr.

Ansonsten beeindruckt mich auch hier die sonnige Leichtigkeit, hinter der sich das pathetische Thema leicht verdauen lässt. Einfach schön.

LG

Jürgen
 

presque_rien

Mitglied
Hi Jürgen,

vielen Dank für Deinen Kommentar! Das "verfließen" mußte bereits sein v abdrücken und bekam ein z hinzu :). Das mit "Kühne" ist ja lustig - hab da keinen Moment lang dran gedacht! Aber die Variante mit dem Komma gefällt mir auch nicht so gut, und den Hüpfer möchte ich wirklich behalten (auch wegen des ü). Vielleicht fällt mir ja noch was ein... Findest du denn, die neue Variante ist besser als die alte?

LG,
Julia
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Julia,

ich empfinde dein Werk als sehr dicht und wortgewandt. Vieles blinkt mir gelungen entgegen, die Wendung "Räuche" ist originell aber doch etwas gewagt für mein Empfinden.

Unverständlich für mich ist die Passage
der stadtrand wedelt wie am strand
das ziegeldach zum sonnenbade

Wedelt? Kann mir auch nach längerem Nachdenken kein Bild davon machen. Vielleicht meinst Du das Flimmern der Dächer in heißer Luft?

Wunderschön die Passage "und küsst das B von jeder Dauer". Die Groß-/Kleinschreibung tut dem Gedicht auch gut, den "Tag" in Zeile 4 hast Du dabei allerdings noch übersehen.

Hab's gern gelesen, gekonnt und inspirierend. Schönen Gruß,
 

Johanna

Mitglied
Hallo Julia,

mir gefällt im Urzustand besser:

der graue regen mit den bunten schauern, denn die feuchten Schauer rufen bei mir so eine "was sonst ist Regen, wenn nicht feucht"-Assoziation hervor.

auch das "und" wenn du fasst nach meiner Hand, klingt für mich flüssiger.
Das sind, wie gesagt, nur meine spontanen Eindrücke beim Lesen Deines sonst ausgezeichneten Gedichtes!

Ich kann Deine Bilder klar sehen, bis auf die letzte Zeile, in der sich kein Fuß ohne Dichtung setzt. Ich komme nicht dahinter, was Du uns damit sagen willst. Wenn Du den Schluß so beabsichtigt hast, ist das so in Ordnung. Wenn nicht, dann sollte es vielleicht ein wenig deutlicher werden.

Sonst habe ich nichts zu "meckern". ;-))
 

presque_rien

Mitglied
Hallo ihr Lieben,

ganz großen Dank für die vielein Kommentare, die mir sehr hilfreich waren! Ich denke, ich werde mich dann doch näher am Original halten, behalte aber die neue Groß-/Klienschreibung bei (natürlich kommt der arme Tag da auch noch zum Zug) - kann mich heute beim besten Willen nicht erinnern, warum ich es damals vorzog, die Freuden der deutschen Rechtschreibung zu vernachlässigen ;)! Die Räuche lass ich dann doch weg, ebenso die feuchten Schauer (ich wollte - dem verwegenen Blick entsprechend - noch ein zweideutiges Element reinbringen, aber in diesem Kontext ist es wohl wirklich nicht gelungen! Der wedelnde Stadtrand bleibt - ich dachte an Palmenwedel am Strand, aber auch ohne diese Assoziation gefällt mir dieses Bild einfach, als surreales Element in einer zum Leben (in etwas anderem Sinne) erwachten Stadt. Über die Wölkchenbühne habe ich lange nachgedacht - tolle Idee, Lapi, danke!! Ich denke, ich werde es anwenden, auch wenn das sicherlich immer noch die problematischste Stelle im Gedicht ist. Aber vom rege blauenden Auge möchte ich mich sowieso eindeutig trennen, das wurde schon damals (zurecht) kritisiert. Und Assoziationen mit Gurken sind natürlich auch nicht ganz willkommen (auch wenn damals keiner daran dachte!). Meinen Schluss möchte ich allerdings verteidigen: Zum Einen setzt sich kein Fuß ohne Dichtung, weil man beim Gehen immer an den Liebsten denkt und wie von selbst dichten muss; zum Anderen ist der Versfuß gemeint - wiederum, alles Denken legt sich automatisch in Verse!

Argh, ganz zufrieden bin ich immer noch nicht - eine endgültige Fassung für ein Gedicht wählen müssen ist wirklich eine Wahl der Qual ;) - aber ich denke, es läuft auf das Folgende hinaus:

Naturphänomen

Wo jeder seine Laster trägt,
da schwebst Du über Pflanzensteine -
Du bringst mich, wo asphaltbelegt
der Tag mich trog, zurück ins Reine;

die Menge schwitzt und heizt umher,
doch Du schießt wie aus heißen Quellen -
ein Fluss, wo sonst der Stadtverkehr
zerfließt im Schaum von Hörfunkwellen,

und wie Du fasst nach meiner Hand
bringt Häuser ganz aus der Fassade -
der Stadtrand wedelt wie am Strand
das Ziegeldach zum Sonnenbade,

und wie Du meine Hüften drückst,
hüpft jede Ampel flugs ins Grüne -
Du bläst den Rauch, den Du mir pflückst
aus wirrem Haar zur Wölkchenbühne

auf der Dein Blick verwegen blaut -
der graue Regen bunte Schauer
träumt, hauchst Du Heute von der Haut
und küsst das B von jeder Dauer;

drum wächst, solang' Du morgens glühst,
mein Wohnblock rings um eine Lichtung -
wo du im Menschendickicht blühst,
da setzt kein Fuß sich ohne Dichtung!

Vielen Dank nochmal für die Hilfe, und sagt Bescheid, wenn etwas plötzlich ganz schrecklich ist - werd's etwa um sechs einschicken...

LG & ein schönes WE
wünscht Julia
 



 
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