neros verleumdung

4,00 Stern(e) 1 Stimme
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]neros verleumdung


was für eine kühne metapher
[ 4]für künstler der licht bringer stern dir geschmiedet
die einen sänger zu bild bringt wie sein
[ 4]gesang in den flammen der welt stadt blüht

dessen tränen den brand nicht löschen
[ 4]wenn den schon die seufzer der hörer mit weihrauch
würzen mit liedern gebet und legende
[ 4]und zündet doch selbst ihre schmerzliche glut

was für einen hohlen spiegel
[ 4]der kunst hat der phos phoros um sich geschlossen
bang steig ich in seine leib gerichts küchen
[ 4]und find nur rezepte für schwarz wurst blut
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Der Morgenstern heißt auf Griechisch "phosphoros"
und auf Latein "lucifer",
beides auf Deutsch (wörtlich) "Lichtbringer".
 
T

Trainee

Gast
Hallo Hansz,

um Nero ranken sich in der Tat eine Reihe von Verleumdungen.
Den Brand von Rom kann er definitiv nicht gelegt haben, weil er sich bei Feuerausbruch gar nicht in der Stadt aufgehalten haben soll.
Mich hat stets fasziniert, dass er gegen alle Widerstände bemüht war, Kulturzentren zu errichten, und selbst als Künstler aufzutreten. Dies war vielleicht sein größtes "Verbrechen."
Zwar wurden Poesie und andere Künste zu seinen Lebzeiten durchaus geschätzt, doch war es absolut unüblich, als herrschendes Mitglied der upper class selbst in Aktion zu treten. Noch dazu vor dem lauschenden Pöbel!
Inwieweit seine künstlerischen Fähigkeiten mit dem hohen Eigenanspruch übereinstimmten, lässt sich nach so langer Zeit sicherlich nicht mehr genau feststellen.
Für mich ist Nero eine äußerst interessante Gestalt, singend und vortragend, im Dickicht wildester Intrigen, Machtspiele und abscheulicher Unterstellungen.
Ein Schöngeist wie der war sicherlich leicht zu manipulieren ... auch in Bezug auf den römischen Sündenbock - die erstarkende christliche Sekte. Über lange Regierungsjahre war der Kaiser selbst ein strikter Gegner der Todestrafe.

Dein Gedicht gefällt mir gut, weil für mich offenbleibt, wer und was nun "Blutwurst" ist:

bang steig ich in seine leib gerichts küchen
und find nur rezepte für schwarz wurst blut
Nachdenkliche Grüße
Heidrun
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Du bist, liebe Trainee,

eine klarsichtige Leserin.

Ich stimme in der Nero-Sicht völlig mit Dir überein.

Nero wollte, lange vor den christlichen Kaisern, die Gladiatorenspiele abschaffen. Er wollte Kunst, Aufführungen, Gesang an die Stelle setzen. Einer seiner "Fehler".
Er hatte einen Minister für Geschmacksfragen: Petronius, dem wir einen Roman verdanken ("Satyrikon"), der eine gewisse Modernität an sich hat, da er lateinischen Alltags-Slang enthält, schwer lesbar für uns im Senatorenlatein Ciceros geübte Altphilologen. Immerhin kommt Petronius sogar im Quo-vadis-Roman (Sienkiewicz) ganz gut weg.
Ich fand es bezeichnend, daß Nero nach dem Brand von Rom seine riesigen Gärten für die obdachlosen Slumbewohner geöffnet hat, mit Zelten und Lebensmittelversorgung.

Mir ging es um die Vieldeutigkeit der grotesken Künstler-Metapher, die von der Propaganda des flavischen Kaiser-Sekretariats (man beachte die Vernichtung der eben erwähnten Gartenanlagen, um dort ein Amphitheater für Gladiatorenspiele zu bauen ...) über Tacitus (der offensichtlich diese Dokumente der Flavierzeit fleißig benutzt hat) und Orosius (!) und letzlich über Sienkiewiczs Quo-vadis-Roman bis in ein allbekanntes Motto unter den Beiträgen eines Forenredakteurs der Leselupe (hinab oder hinauf?) reicht. Die offene Vieldeutigkeit der luziferisch-selbstbezüglichen Kunst-Metapher.

grusz, hansz
 



 
Oben Unten