Neue Wege

Matula

Mitglied
"Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung ist uns gelungen, worum uns andere Staaten Europas beneiden werden. In einem seltenen Moment des Einvernehmens haben die Abgeordneten verstanden, dass wir den Menschen unseres Landes nicht nur in ihrer Eigenschaft als Bürger und Bürgerinnen zur Seite stehen müssen, sondern auch in ihren persönlichen Angelegenheiten, in ihrem Dasein schlechthin, das so viele unterschiedliche Aspekte umfasst.

Jahrzehntelang haben wir unbeeindruckt, um nicht zu sagen gleichgültig, das tägliche Leid der Bevölkerung mit angesehen, haben beobachtet, wie Unwissen, fehlende Menschenkenntnis oder der einfache Wunsch, ein sorgloses Leben zu führen, ihnen zum Verhängnis werden konnte. Wenn ich von Unwissen spreche, meine ich zuallererst das Vorrecht unserer Jugend, auf vielen Gebieten noch Kenntnisse und Orientierung erwerben zu dürfen. Wir meinen, dass dieser Prozess nicht vor dem Richter oder gar im Gefängnis enden sollte - und vor allem nicht im falschen Berufsleben. Unwissenheit darf aber auch dem erwachsenen Menschen nicht zur Falle werden. Wer kann schon von sich behaupten, auf allen Gebieten sattelfest zu sein? Also beispielsweise Bibliothekar, Virologe und Automechaniker zu sein.

Wenn ich die Menschenkenntnis anspreche, so meine ich das ungleich verteilte Talent, die Absichten und Beweggründe eines anderen zu verstehen, ohne ihn näher zu kennen. Eine Kindheit mit Geschwistern oder in einer Familie mit vielen sozialen Kontakten schafft eine bessere Grundlage. Aber wollen wir jene, die dergleichen nicht vorzuweisen haben, im Regen stehen lassen? Wollen wir weiter zusehen, wie sich junge Männer und Frauen an den falschen Partner binden, in Beziehungen verstricken, die mit Gewalt und Mord enden? Wollen wir zulassen, dass einsame ältere Menschen ihr mühsam Erspartes an betrügerische Liebhaber - Stichwort Love-Scamming - oder geldgiere Pflegekräfte verlieren? Von den volkswirtschaftlichen Schäden ganz zu schweigen.

Wenn ich den Traum vom sorglosen Leben zitiere, so meine ich den verständlichen Wunsch jedes Einzelnen, am Wohlstand unserer Gesellschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten teilzuhaben. Niemand sollte deswegen in eine Schuldenfalle geraten oder unnötige Abstriche machen müssen, seine Kredite bei windigen Geldverleihern aufnehmen oder von zwielichtigen Geschäftspartnern aus dem Internet über den Tisch gezogen werden. Ein Staat, der für seine Bürger und Bürgerinnen Verantwortung übernimmt, muss auch über ihre Geldgeschäfte wachen, damit es - verzeihen Sie das Wortspiel - für niemanden ein böses Erwachen gibt.

Meine Damen und Herren, mit der vorliegenden Gesetzesänderung, die ein ganzes Bündel von Maßnahmen umfasst, werden wir den vielen Problemen und Gefahren, mit denen unsere Bürger und Bürgerinnen konfrontiert sind, auf präventive Art - und das ist der neue, innovative Zugang - Abhilfe schaffen.

Ewig Gestrige wollen uns weismachen, dass man erwachsene Menschen nicht bevormunden darf, dass der Staat sich aus ihren privaten Angelegenheiten heraushalten muss, dass die Freiheit des Individuums immer schon mit Risiken und Fehlschlägen verbunden war. Sie berufen sich dabei auf Philosophen, Juristen und Staatsmänner, auf historische Gestalten des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, die von den komplexen Lebensverhältnissen unserer Tage vollkommen überfordert wären.

Aber hier ist nicht Bevormundung gemeint, sondern es sind Schutz und Fürsorge, die von den Bürgern und Bürgerinnen - und wie ich glaube, zu Recht - eingefordert werden. Niemand soll auf das Gefühl verzichten müssen, sein Schicksal in den eigenen Händen zu halten, aber jeder soll wissen, dass mit Inkrafttreten dieser Gesetzesnovelle eine Care Community mit ausgezeichneten Fachleuten an seiner oder ihrer Seite steht. Auf Ausnahmen vom Prinzip der Voluntarität komme ich weiter unten zu sprechen.

Ich möchte Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, an Hand von zwei kleinen Beispielen erläutern, worin der Nutzen der Care Communities bestehen soll.

Wir alle kennen Menschen, die in jungen Jahren eine Ausbildung absolviert haben, später im erlernten Beruf aber unzufrieden oder sogar unglücklich sind. Dieser Umstand schlägt mit vielen Krankenständen, teuren Gesundheitsbehandlungen, mit unterdurchschnittlicher Produktivität oder intermittierender Arbeitslosigkeit zu Buche. Der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm. Zur Vermeidung solcher Fehlentscheidungen bieten wir jungen Menschen, aber auch älteren Arbeitsuchenden, die Dienste einer Care Community an, die aus Arbeitsmarktexperten, Berufspsychologen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter und einem ausgewiesenen IT-Experten besteht. Letzterer gleicht alle verfügbaren Daten wie Schulnoten, familiäres Umfeld, Freizeitgewohnheiten, Internetaktivitäten, allfällige Vorbeschäftigungen und psychologische Testergebnisse mit den vorhandenen offenen Arbeits- oder Ausbildungsplätzen ab. Damit erübrigt sich die frustrierende Suche, aber auch jahrelanges Büffeln in einem Orchideenfach, das möglicherweise den Geist schult, aber keinen Wert für die Allgemeinheit besitzt. Vertreter der Care Community werden den Bewerbungsgesprächen beiwohnen, die ersten Wochen der Ausbildung oder des Arbeitseinstiegs begleiten und auch in der Folge für alle anstehenden Probleme zur Verfügung stehen.

Mein zweites Beispiel bezieht sich auf eheliche oder eheähnliche Verbindungen, die leider nur allzu häufig unsere Strafgerichte beschäftigen. Der Ruf nach einer grundlegenden Neuordnung der Geschlechterbeziehungen ist lange ungehört verhallt. Waren wir zu zögerlich? Zu phantasielos? Zu bequem? Ja, meine Damen und Herren, alles das, weil wir an einem veralteten Prinzip von Selbstbestimmung und Privatheit festgehalten haben. Heute wissen wird: Wir dürfen Paare und Familien nicht sich selbst überlassen. Ab heute gilt: Keine Angst, Ihr seid nicht allein!

Eine Care Community wird Euer Zusammenleben im Auge behalten, zunächst durch gelegentliche Besuche am Abend und nach Voranmeldung. Sollte es Auffälligkeiten geben, die auf eine unharmonische Entwicklung schließen lassen, werden die Vertreter und Vertreterinnen der Care Community, also Paar- und Familientherapeuten, Kinder- und Kriminalpsychologen, Scheidungsspezialisten, ausgewiesene long-time couples und IT-Experten, ihre Bemühungen verstärken und auch unangemeldet bei Euch vorbeischauen. Wir wollen keine krankenhausreif geprügelten Frauen mehr, keine Kleinkinder mit Schütteltrauma, keine Männer mit Schnittverletzungen und vor allem keine Toten!

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir heute einen großen Schritt in Richtung einer besseren, sichereren Zukunft getan haben. Wo immer eine schwierige Entscheidung ansteht, steht eine Care Community bereit. Und zu jeder Care Community gehört ein Datenspezialist, der dafür sorgt, dass jede Entscheidung im Einklang mit dem Wohle der Allgemeinheit steht und nicht von ähnlichen früheren Entscheidungen abweicht. Die Polizei als Ordnungsmacht wird damit wieder näher an ihre eigentlichen Aufgaben herangeführt. Sie wird dort eingreifen, wo Eigensinn und Besserwisserei zum Nachteil eines Einzelnen oder der Gemeinschaft führen kann. Ihre Befugnisse wurden dementsprechend erweitert, denn wir würden es nicht gerne sehen, wenn Sie von den hervorragenden Möglichkeiten der Care Communities keinen Gebrauch machten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal betonen - und damit komme ich auch schon ans Ende meiner Ausführungen -, dass uns hier und heute ein großer Wurf im Kampf gegen Unwissenheit und fehlende Menschenkenntnis, aber im Kampf für ein sorgloses Leben gelungen ist. Wer trotzdem meint, er müsse aus der Reihe tanzen, dürfe Warnungen und Expertenrat in den Wind schlagen, der wird wie in den alten Zeiten vollumfänglich für einen Schaden an der eigenen oder einer anderen Person aufkommen müssen. Es versteht sich von selbst, dass die Gemeinschaft ihm oder ihr diesfalls nicht unter die Arme greifen wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit."
 
Zuletzt bearbeitet:



 
Oben Unten