Neues aus Absurdistan

4,00 Stern(e) 1 Stimme
Das Netz und die Medien insgesamt sind übervoll von Klagen über den miserablen Zustand der Berliner Verwaltung. Kann ich da mit einem weiteren Beispiel noch auf Interesse stoßen? Ich versuche es, der Vorgang ist bezeichnend genug.

Ich plante Anfang Juni einen Umzug für Ende Juli innerhalb der Stadt. Damit stellte sich früh die Frage: Wie halte ich es mit dem Bürgeramt? Ist man doch verpflichtet, sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Wechsel umzumelden. Der Vertrag mit der Umzugsfirma war gerade geschlossen, da suchte ich schon online in all den vielen Bürgerämtern der Stadt nach einem freien Termin: irgendeinen irgendwo.

Hunderttausende, die in meiner Lage waren, werden es kaum glauben, aber mir gelang tatsächlich das Wunderbare: In nur ein paar Stunden ergatterte ich einen der kostbaren Termine – und er lag innerhalb der mir gesetzten Frist! Die Buchung wurde sogleich online bestätigt und ich erhielt darüber kurz darauf, wie angekündigt, noch per E-Mail eine förmliche Bestätigung. Wie war ich erleichtert - danke für den Motivationsschub. Und das Bürgeramt kaum mehr als eine Stunde Weges von meiner neuen Wohnung entfernt. Aber dann …

Der große Tag kam, nicht der des Umzugs, sondern der viel bedeutendere der Ummeldung. Als ich die ausgedruckten Belege einpackte, fiel mir als geübtem Berliner Wohnungswechsler eine kleine Unregelmäßigkeit auf: Ich vermisste die Code-Nummer, die im Amt aufleuchtet, wenn man dran ist. Es gab auf dem Papier nicht einmal eine Rubrik, wo sie hätte stehen können. Ich beruhigte mich damit, dass das löbliche Amt dort unten, von mir noch nie in Anspruch genommen, vielleicht den Kundenaufruf anders gestaltet.

Verlorene Illusion! Man eröffnete mir unverblümt, dass ich keinen gültigen Termin hätte. Ich stand auch nicht auf der dort in Papierform geführten Liste der erwarteten Bürger. Ohne Code kein Termin und kein Aufruf! – Aber, wagte ich einzuwenden, der Termin an sich wurde doch als solcher bestätigt? – Ja, aber Sie haben den Vorgang beim Buchen nicht abgeschlossen. – Und trotzdem erhalte ich danach per E-Mail die Bestätigung eines Termins, der in Wahrheit gar nicht existiert? – Ja, das ist immer so.

Immer so? Sie schienen dort Routine beim Ausbügeln zu haben. Sie gaben mir einfach einen gerade von einem anderen nicht wahrgenommenen Termin. Ebenso flugs wurden mir die Ausdrucke abgenommen. Ob ich tatsächlich beim Buchen „den Vorgang nicht abgeschlossen“ hatte, ist nicht zu klären. Klar ist nur: Unmissverständlich formulierte Terminbestätigungen sind in Berlin nicht wörtlich zu nehmen.

(Geschrieben 2021)
 

schreibs

Mitglied
Ein schöner Text, der zeigt, dass es oft die Bürger selber sind, die Fehler machen und die Schuld dann bei der Verwaltung suchen. Selbst wenn ein Buchungsvorgang offensichtlich fehlerhaft getätigt wurde, fühlt sich der Ich-Erzähler im Recht. Danke für diesen erfrischenden Blickwinkel.
 
Danke, schreibs, für Kommentar und Bewertung. Der Witz hier besteht allein darin, dass trotz fehlerhaftem Buchungsvorgang eine amtliche E-Mail folgt, die suggeriert, alles wäre korrekt. Das hatte ich bis dahin so noch nie erlebt. Bei zuverlässig arbeitender Software - z.B. bei der Vergabe von Arztterminen - wird in solchem Fall der Prozess nicht weiter fortgesetzt und der Nutzer wird darüber online sogleich informiert. In keinem Fall geht dann eine Buchungsbestätiung hinaus.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 



 
Oben Unten