Neues im Oktober

Shallow

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Wichtig bei Liedern ist der Refrain. Zum Beispiel „Holdria, juwiduwidi, holdrio, juwiduwidi“. Der Kenner ahnt: Das ist doch „Schwarzbraun ist die Haselnuss“. Richtig! Was das mit Oktober zu tun hat? Die Nüsse fallen um diese Zeit von Baum und Strauch. Schlimmer als die Haselnuss ist nur die Kastanie. Mein Auto steht nämlich unter einer. Als Nichtbotaniker kann ich immerhin berichten, dass die Kastanie zeitgleich mit der Nuss fällt. In Friedenau bevorzugt auf mein Auto. Der Wagen ist relativ neu, ich bin sehr stolz auf die rosafarbene Lackierung, hat nicht jeder.
Der Mechaniker in der Werkstatt schaut auf den verdellten Wagen und fragt: „Ist Bürgerkrieg bei dir im Viertel?“
„Die Nationalgarde ist schon unterwegs“, sage ich. „Die werden die Kastanienbrut erledigen.“
„Warum parkst du unter so einem Baum?“, fragt er.
„Hast du schon mal versucht, in Friedenau einen Parkplatz zu finden, du Arsch?“
Die folgenden Handgreiflichkeiten führen zu unwesentlichen Verletzungen aufseiten der Mechanikerzunft, die sich daraufhin weigert, Abhilfe zu schaffen.
„Nun sei nicht nachtragend!“, sage ich und will ihn in den Arm nehmen.
„Sonst prügelst du erst, wenn ich dir die Rechnung gebe, wird immer schlimmer“, sagt er.
Ich fahre vom Hof, gibt auch andere Werkstätten, die Kunden gegenüber aufgeschlossener sind. Auf dem Rückweg plärrt ein Radiosender das Stück einer Sängerin, die die erfolgreichste der Welt sein soll. Sie hat gerade ein neues Album herausgebracht, einen neuen Film auch, ihre Fans knüpfen Freundschaftsarmbänder und kaufen alles ergriffen, weil sie geheime Botschaften in ihren Liedern platziert. Zum Beispiel, wen sie nicht mag. Das hat es vorher noch nicht gegeben. Den Refrain des Liedes habe ich vergessen, aber Wissenschaftler haben herausgefunden, dass unser Planet aus seiner Umlaufbahn katapultiert wird, wenn alle Swifties, so heißen die Beseelten, auf einer Stelle tanzen. Also aus unserem Sonnensystem heraus. Was das bedeutet, kann man sich gar nicht ausmalen, aber meine Solarleuchten auf dem Balkon werden dann nicht mehr funktionieren, so viel ist sicher. Den Friedensnobelpreis haben sie auch verliehen. Wieder nicht an David Hasselhoff, dem wir ja die deutsche Einheit zu verdanken haben, aber wer versteht schon die Jury in Skandinavien. Immerhin ist das Schlimmste nicht eingetreten.
Zuhause ist ein Parkplatz frei. Der unter der Kastanie. Das wird meinem Auto den Rest geben. Bevor ich aussteige, berichtet der Radiosprecher von einem neuen Film von Bruce Springsteen: „Deliver me from nowhere“. Das Titelstück „Open all night“ hat überhaupt keinen Refrain. Was hat sich der Künstler denn da gedacht, in einem Lied nur eine Geschichte zu erzählen, ohne Refrain. Kann ja keiner mitsummen. Selbst Hasselhoff hat gewusst, dass ein Refrain wichtig ist, auch wenn er unser Einheitslied gar nicht selbst geschrieben hat. Hätte sich Springsteen vorher mal „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ angehört, hätte er seinen Song anders komponiert. Da bin ich mir sicher. Vielleicht schaue ich mir den gar nicht an und gehe stattdessen in einen (Anti-)Kriegsfilm. Das mag unpassend sein an einem Tag, wo alle Welt über Frieden spricht. Aber die Weltlage riecht nicht nach Frieden, der Geruch ist anders.
 
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jon

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Gefällt mir. Eine Winzigkeit Lektorat: Bei
Hätte sich Springsteen mal „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ vorher angehört,
fühlt sich das „vorher“ unrund platziert an, für mein Sprachgefühl gehört es vor „mal“. So, wie es jetzt da steht, schwingt „und nicht hinterher“ mit - es ist aber (im Text) völlig unklar, ob BS das Lied überhaupt je gehört hat.
 

Shallow

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Hallo @jon,

freut mich sehr, vielen Dank für deine Zeit! Deinen Hinweis bei der Wortstellung sehe ich genauso, ich habe den Text bereits geändert. Klingt hoffentlich runder. Guter Tipp, danke dir!

Einen schönen Abend wünscht

Shallow
 



 
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