Neugeborenenstation

3,30 Stern(e) 3 Bewertungen
Das Licht war unbarmherzig grell.
Marc Meier schwitzte unter seinem grünen Operationskittel. Er war nervös; gleich würde sein erstes Kind das Licht der Welt erblicken. Aber musste es unbedingt so gleißend hell sein? Von Yvonne, seiner Frau, war natürlich kein Laut zu hören. Man hatte sie in Vollnarkose versetzt, trotz ihrer Proteste, dass sie wach bleiben wollte und lieber eine natürliche Geburt haben wollte.
„Es wird heutzutage nur noch Sectio gemacht", das hatte ihnen jeder Arzt gesagt. „So ist es viel einfacher, direkt die Fingerabdrücke zu nehmen. Und die Schreie früher bei der Entbindung waren schon sehr störend." Marc Meier hatte überlegt, ob das wirklich der wahre Grund war. Fingerabdrücke könnte man doch eigentlich auch bei einer Spontangeburt nehmen? Aber sie hatten dann nicht weiter nachgefragt.
„Und warum Vollnarkose? Das ginge doch auch mit einem Lokalanaesthetikum. Früher gab es doch die PDA. Dann würde ich auch nicht schreien und wäre wenigstens wach", hatte Yvonne gesagt.
„Sie wissen nicht, wovon Sie reden", der Arzt hatte sie beide milde lächelnd angeblickt, „Glauben Sie mir, es ist einfacher so. Für Sie, für das Team, für mich, für alle."


Marc Meier wandte sich hilfesuchend an den Arzt. „Kann man das Licht nicht etwas dämpfen?" nuschelte er unter seinem Mundschutz hervor.
Der Arzt schüttelte den Kopf.
„Aber es ist doch so hell und das Kind kommt doch gerade aus dem Dunklen, das kriegt doch womöglich einen Schock!"
„Unsinn. Wir brauchen das Licht. Wir müssen ja auch fotografieren."
„Aber..."
„Wenn Sie sich nicht zusammennehmen, Herr Meier, muss ich Sie leider hinaus schicken. Soviel wir in den letzten fünfzig Jahren erreicht haben, das ist eine von den Sachen, die sich nie ändern werden. Wollen Sie das?"
Marc Meier schüttelte den Kopf. Der Arzt wandte sich wieder dem Fußende der Liege zu. Seine Hände verschwanden unter dem grünen OP-Tuch, und Meier, der am Kopfende der Liege neben seiner Frau stand, konnte nicht sehen, was der Arzt da herumwerkelte, hoffte aber, dass er es schon richtig machen würde. Er schwieg und war erleichtert, als endlich das Schreien des Neugeborenen zu hören war.
„Sie haben einen Jungen", verkündete der Arzt feierlich und Meier nahm die Glückwünsche vom Team entgegen. Seine Mutter hatte ihm erzählt, das sei schon immer so gewesen, auch bei ihrer Mutter und deren Mutter. Von Mutter zu Mutter wurde diese Erzählung weitergegeben und Meier war gerührt, dass dieses Erlebnis noch so wie früher war. Glücklich grinste er vor sich hin und schaute zu, wie der Arzt das kräftig schreiende Neugeborene untersuchte und es der Schwester zum Waschen reichte. Dann gab die Schwester das Baby dem Arzt zurück. Jetzt kamen die Fingerabdrücke. Der Arzt drückte den linken Daumen des Babys auf das schwarze Kissen, dann auf ein Formular, anschließend verfuhr er genauso mit dem rechten Daumen.
„Jetzt ist es ja schon wieder dreckig", dachte Meier und war fast verärgert, doch der Arzt reichte das Kind wieder an die Schwester zurück, die ihm die kleinen Hände mit einem Tuch abwischte. Das Kind schrie immer noch.
„Da werden Sie aber viel Freude haben mit dem kleinen Schreihals", bemerkte der Arzt. Meier begriff das als Kompliment und nickte.
„Gleich kommt der Fotograf. Haben Sie den Personalausweis an der Pforte abgegeben?"
„Natürlich."
„Wie heißt das Kind?"
„Peter Meier."
„Gut". Der Arzt griff zum Telefon und sprach in die Muschel. „Sagen Sie dem Fotograf, er kann kommen. Peter Meier ist da. Und achten Sie darauf, dass er den Personalausweis mitbringt. Bei der letzten Geburt hat er ihn tatsächlich vergessen. Und sowas ist Fotograf." Der Arzt hängte ein.
„So, Herr Meier. Der Fotograf kommt gleich. Wenn die Passfotos fertig sind, können Sie sie und die erforderlichen Formulare mit den Fingerabdrücken sowie den Personalausweis mitnehmen und direkt zum Amt gehen. Dann ist alles in einer Stunde fix und fertig und Sie können das Kind mit nach Hause nehmen. Oder haben Sie das Rundumpaket gebucht?"
Meier nickte. „Es ist unser erstes Kind. Wir haben ja keine Erfahrung und ich dachte, es ist günstiger, wenn meine Frau noch ein paar Tage hierbleibt. Auch wegen dem Stillen, das möchte meine Frau so gerne."
„Ah, Sie gehören noch zur alten Schule. Dann sind Sie eine Ausnahme heutzutage. Sie wissen ja sicher, dass Stillen gar nicht mehr nötig ist? Die vorproduzierte Ersatzmuttermilch ist genauso gut, wenn nicht gar besser. Und vor allem geht das Füttern so sehr viel schneller. Aber ich will Ihnen natürlich in nichts hineinreden."
„Tust du doch gerade", dachte Meier. Der Arzt fing an, hm auf die Nerven zu gehen.
Es schellte. Der Arzt drückte auf einen Knopf, die Tür öffnete sich und ein Mann, beladen mit einem riesigen Fotoapparat, trat ein.
„Haben Sie diesmal den Personalausweis dabei?" fragte der Arzt.
„Natürlich." Der Fotograf kramte in seiner Hosentasche und hielt ihm ein Dokument hin.
„Peter Meier, Geburtsdatum 16. Mai 2078", las der Arzt halblaut vor und nickte, scheinbar zufrieden. „Und denken Sie bei den nächsten Geburten selbst daran. Ich habe wahrhaftig keine Zeit und auch keine Lust, Sie jedes Mal daran zu erinnern."
„Ja ja, schon gut. Wo ist das Kind?"
Die Schwester brachte es.

Meier schaute zu, wie sein Sohn von vorne und von allen Seiten fotografiert wurde. Pflichtschuldig lachte er über den blöden Witz des Fotografen „Bitte lächeln" und nahm schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit sein Kind in Empfang und wiegte es in den Armen.
„Was für ein überwältigendes Gefühl", dachte er. „So müssen sich die Mütter früher selbst gefühlt haben, als sie das Kind zuerst halten durften.".
„So, Herr Meier. Geben Sie das Kind der Schwester. Da Sie ja das Rundumpaket gebucht haben, wird diese sich um es kümmern. Und Sie haben ja auch zu tun. Sie müssen zum Amt, die machen in einer Stunde zu. Sie wissen ja, dass Kinder am Tag ihrer Geburt gemeldet werden müssen. Ansonsten müssen Sie Gebühren für versäumtes Melden bezahlen."
„Ich weiß." Meier zögerte. Da war doch noch etwas.... Richtig! „Was ist eigentlich mit meiner Frau?"
„Sie wird jetzt zu den anderen Wöchnerinnen gebracht und wohl in einer Stunde aufwachen. Keine Sorge, es geht ihr gut."
„Dann komme ich nachher nochmal, wenn sie wach ist."
„Sicher. Aber nun bitte zum Amt."
Fast hätte Meier schnippisch „Jaja" gesagt, wie der Fotograf. Aber er wollte den Arzt, der seinen Sohn schließlich auf die Welt gebracht hatte, nicht verärgern und blieb stumm.
Als er aus der Tür war, hörte er, wie der Arzt zur Schwester sagte: „Besser als früher ist das auch nicht. Da haben die Mütter mit ihrem Geschnatter genervt und heute sind es die Väter."
„Aber die Väter können wenigstens direkt zum Amt gehen", sagte die Schwester.

Meier trat mit Schwung aus der Drehtür des Krankenhauses und bog dann in die Straße, die zum Amt führte, links ab. "Amtsgasse" las er und dann das Hinweisschild "Einwanderungsbehörde ".
Er folgte dem Schild und stürmte dann, vergnügt pfeifend, die wenigen Treppenstufen des Gebäudes hoch.
 

NJSeifert

Mitglied
Hallo SilberneDelphine!

Ich denke, dass der Sinn dieses Textes sich mir vielleicht erschlossen hat. Denn der größte "Kritikpunkt" war, dass der Unterschied zwischen der Geburt heute und im Jahr 2078 nicht zu erkennen war. Der Kaiserschnitt wird hier sehr kaltherzig und als eine Art unbeliebt aufwendiger Prozess dargestellt. Und vielleicht ist das genau der Punkt. Ich denke, dass genau das der Clou des Textes ist. Viele Eltern fühlen sich vielleicht auch heute so deplaziert und grob behandelt bei der Geburt ihres Kindes. Und das es als eine Art Dystopie der Geburt in Deutschland thematisiert was heute bereits ein Problem darstellt spricht irgendwie keiner an. Ich denke, dass der Text uns zu Denken geben sollte.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo NJ Seifert,

genau die Unterschiede hat Silberne Delfine doch herausgearbeitet. Den Eltern fehlt jedes Mitspracherecht, die Kinder werden sofort quasi gescannt, müssen ebenso schnell angemeldet werden und Stillen ist out.

Die heutige Geburtshilfe ist doch vollkommen anders als hier dargestellt. Informiere Dich mal!

Zu denken gibt uns der Text natürlich.

Viele Grüße,

DS
 

NJSeifert

Mitglied
Lieber DocSchneider,

Ich hatte das schon verstanden, denke aber dass es darum geht was Eltern empfinden. Und wollte nur darauf aufmerksam machen, dass über den Dystopie Gedanken noch keiner gesprochen hatte.
Und ich habe selber eine Tochter und habe daher sehr viel Austausch und Info zu dem Thema ;)
 
Das Licht war unbarmherzig grell.
Marc Meier schwitzte unter seinem grünen Operationskittel. Er war nervös; gleich würde sein erstes Kind das Licht der Welt erblicken. Aber musste es unbedingt so gleißend hell sein? Von Yvonne, seiner Frau, war natürlich kein Laut zu hören. Man hatte sie in Vollnarkose versetzt, trotz ihrer Proteste, dass sie wach bleiben wollte und lieber eine natürliche Geburt haben wollte.
„Es wird heutzutage nur noch Sectio gemacht", das hatte ihnen jeder Arzt gesagt. „So ist es viel einfacher, direkt die Fingerabdrücke zu nehmen. Und die Schreie früher bei der Entbindung waren schon sehr störend." Marc Meier hatte überlegt, ob das wirklich der wahre Grund war. Fingerabdrücke könnte man doch eigentlich auch bei einer Spontangeburt nehmen? Aber sie hatten dann nicht weiter nachgefragt.
„Und warum Vollnarkose? Das ginge doch auch mit einem Lokalanaesthetikum. Früher gab es doch die PDA. Dann würde ich auch nicht schreien und wäre wenigstens wach", hatte Yvonne gesagt.
„Sie wissen nicht, wovon Sie reden", der Arzt hatte sie beide milde lächelnd angeblickt, „Glauben Sie mir, es ist einfacher so. Für Sie, für das Team, für mich, für alle."


Marc Meier wandte sich hilfesuchend an den Arzt. „Kann man das Licht nicht etwas dämpfen?" nuschelte er unter seinem Mundschutz hervor.
Der Arzt schüttelte den Kopf.
„Aber es ist doch so hell und das Kind kommt doch gerade aus dem Dunklen, das kriegt doch womöglich einen Schock!"
„Unsinn. Wir brauchen das Licht. Wir müssen ja auch fotografieren."
„Aber..."
„Wenn Sie sich nicht zusammennehmen, Herr Meier, muss ich Sie leider hinaus schicken. Soviel wir in den letzten fünfzig Jahren erreicht haben, das ist eine von den Sachen, die sich nie ändern werden. Wollen Sie das?"
Marc Meier schüttelte den Kopf. Der Arzt wandte sich wieder dem Fußende der Liege zu. Seine Hände verschwanden unter dem grünen OP-Tuch. Meier schwieg und war erleichtert, als endlich das Schreien des Neugeborenen zu hören war.
„Sie haben einen Jungen", verkündete der Arzt feierlich und Meier nahm die Glückwünsche vom Team entgegen. Seine Mutter hatte ihm erzählt, das sei schon immer so gewesen, auch bei ihrer Mutter und deren Mutter. Von Mutter zu Mutter wurde diese Erzählung weitergegeben und Meier war gerührt, dass dieses Erlebnis noch so wie früher war. Glücklich grinste er vor sich hin und schaute zu, wie der Arzt das kräftig schreiende Neugeborene untersuchte und es der Schwester zum Waschen reichte. Dann gab die Schwester das Baby dem Arzt zurück. Jetzt kamen die Fingerabdrücke. Der Arzt drückte den linken Daumen des Babys auf das schwarze Kissen, dann auf ein Formular, anschließend verfuhr er genauso mit dem rechten Daumen.
„Jetzt ist es ja schon wieder dreckig", dachte Meier und war fast verärgert, doch der Arzt reichte das Kind wieder an die Schwester zurück, die ihm die kleinen Hände mit einem Tuch abwischte. Das Kind schrie immer noch.
„Da werden Sie aber viel Freude haben mit dem kleinen Schreihals", bemerkte der Arzt. Meier begriff das als Kompliment und nickte.
„Gleich kommt der Fotograf. Haben Sie den Personalausweis an der Pforte abgegeben?"
„Natürlich."
„Wie heißt das Kind?"
„Peter Meier."
„Gut". Der Arzt griff zum Telefon und sprach in die Muschel. „Sagen Sie dem Fotograf, er kann kommen. Peter Meier ist da. Und achten Sie darauf, dass er den Personalausweis mitbringt. Bei der letzten Geburt hat er ihn tatsächlich vergessen. Und sowas ist Fotograf." Der Arzt hängte ein.
„So, Herr Meier. Der Fotograf kommt gleich. Wenn die Passfotos fertig sind, können Sie sie und die erforderlichen Formulare mit den Fingerabdrücken sowie den Personalausweis mitnehmen und direkt zum Amt gehen. Dann ist alles in einer Stunde fix und fertig und Sie können das Kind mit nach Hause nehmen. Oder haben Sie das Rundumpaket gebucht?"
Meier nickte. „Es ist unser erstes Kind. Wir haben ja keine Erfahrung und ich dachte, es ist günstiger, wenn meine Frau noch ein paar Tage hierbleibt. Auch wegen dem Stillen, das möchte meine Frau so gerne."
„Ah, Sie gehören noch zur alten Schule. Dann sind Sie eine Ausnahme heutzutage. Sie wissen ja sicher, dass Stillen gar nicht mehr nötig ist? Die vorproduzierte Ersatzmuttermilch ist genauso gut, wenn nicht gar besser. Und vor allem geht das Füttern so sehr viel schneller. Aber ich will Ihnen natürlich in nichts hineinreden."
„Tust du doch gerade", dachte Meier. Der Arzt fing an, ihm auf die Nerven zu gehen.
Es schellte. Der Arzt drückte auf einen Knopf, die Tür öffnete sich und ein Mann, beladen mit einem riesigen Fotoapparat, trat ein.
„Haben Sie diesmal den Personalausweis dabei?" fragte der Arzt.
„Natürlich." Der Fotograf kramte in seiner Hosentasche und hielt ihm ein Dokument hin.
„Peter Meier, Geburtsdatum 16. Mai 2078", las der Arzt halblaut vor und nickte, scheinbar zufrieden. „Und denken Sie bei den nächsten Geburten selbst daran. Ich habe wahrhaftig keine Zeit und auch keine Lust, Sie jedes Mal daran zu erinnern."
„Ja ja, schon gut. Wo ist das Kind?"
Die Schwester brachte es.

Meier schaute zu, wie sein Sohn von vorne und von allen Seiten fotografiert wurde. Pflichtschuldig lachte er über den blöden Witz des Fotografen „Bitte lächeln" und nahm schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit sein Kind in Empfang und wiegte es in den Armen.
„Was für ein überwältigendes Gefühl", dachte er. „So müssen sich die Mütter früher selbst gefühlt haben, als sie das Kind zuerst halten durften.".
„So, Herr Meier. Geben Sie das Kind der Schwester. Da Sie ja das Rundumpaket gebucht haben, wird diese sich um es kümmern. Und Sie haben ja auch zu tun. Sie müssen zum Amt, die machen in einer Stunde zu. Sie wissen ja, dass Kinder am Tag ihrer Geburt gemeldet werden müssen. Ansonsten müssen Sie Gebühren für versäumtes Melden bezahlen."
„Ich weiß." Meier zögerte. Da war doch noch etwas.... Richtig! „Was ist eigentlich mit meiner Frau?"
„Sie wird jetzt zu den anderen Wöchnerinnen gebracht und wohl in einer Stunde aufwachen. Keine Sorge, es geht ihr gut."
„Dann komme ich nachher nochmal, wenn sie wach ist."
„Sicher. Aber nun bitte zum Amt."
Fast hätte Meier schnippisch „Jaja" gesagt, wie der Fotograf. Aber er wollte den Arzt, der seinen Sohn schließlich auf die Welt gebracht hatte, nicht verärgern und blieb stumm.
Als er aus der Tür war, hörte er, wie der Arzt zur Schwester sagte: „Besser als früher ist das auch nicht. Da haben die Mütter mit ihrem Geschnatter genervt und heute sind es die Väter."
„Aber die Väter können wenigstens direkt zum Amt gehen", sagte die Schwester.

Meier trat mit Schwung aus der Drehtür des Krankenhauses und bog dann in die Straße, die zum Amt führte, links ab. "Amtsgasse" las er und dann das Hinweisschild "Einwanderungsbehörde ".
Er folgte dem Schild und stürmte dann, vergnügt pfeifend, die wenigen Treppenstufen des Gebäudes hoch.
 
Hallo molly,

bitte suche auf jeden Fall ein besseres Wort für "rumwerkelte".
Ich habe das Wort "rumwerkelte" jetzt ganz rausgenommen und den Satz einfach stark verkürzt. In der letzten Version habe ich noch umständlich formuliert, dass Meier am Kopfende steht, doch das gefiel mir nicht, weil ich mir die langen Erklärungen, die ich früher immer in meinen Geschichten geliefert habe, abgewöhnen wollte, nachdem mich mal ein Leser darauf hingewiesen hat und ich fand, dass er damit recht hatte. Also habe ich das wieder rausgenommen, dafür ist "rumwerkeln" aber auch weg. :)

Es ist so, wie Doc beschrieb, durch den Sichtschutz kann weder Meier, noch seine Frau etwas von der Arbeit des Doktors sehen.
Das habe ich aber auch nie so geschrieben, dass die beiden etwas von der Arbeit des Doktors sehen können. Zumindest dachte ich nicht, dass das beim Leser so ankommen würde, wenn ich schreibe "hob das grüne Tuch hoch und werkelte darunter herum." Denn ich dachte, es wäre klar, dass Meier am Kopfende steht und von da aus nichts weiter sehen kann außer dem grünen Tuch (auch wenn der Bauch frei liegt, auch das kann man ja als "Zuschauer" nicht sehen). Jetzt weiß ich, dass es halt nicht unbedingt so ankommt, wie es gemeint war und es ist es geändert.

Mir gefällt die "Einwanderungsbehörde"
Dankeschön :)

Dir auch einen schönen Sonntag!

LG SilberneDelfine
 
Hallo NJSeifert,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Denn der größte "Kritikpunkt" war, dass der Unterschied zwischen der Geburt heute und im Jahr 2078 nicht zu erkennen war. Der Kaiserschnitt wird hier sehr kaltherzig und als eine Art unbeliebt aufwendiger Prozess dargestellt. Und vielleicht ist das genau der Punkt. Ich denke, dass genau das der Clou des Textes ist. Viele Eltern fühlen sich vielleicht auch heute so deplaziert und grob behandelt bei der Geburt ihres Kindes. Und das es als eine Art Dystopie der Geburt in Deutschland thematisiert
Jetzt musste ich erstmal nachschauen, was du mit Dystopie meinst.

Ja, genau das wollte ich (be-)schreiben (ein negatives Zerrbild der zukünftigen Menschheit), auch wenn ich den Fachausdruck Dystopie gar nicht kannte. Es sollte einfach eine düstere Zukunftsvision werden. Obwohl ich den Schwerpunkt weniger auf den Kaiserschnitt als auf das direkte "Erfassen" des Kindes mit Fingerabdrücken und Fotos unmittelbar nach der Geburt legen wollte, noch ehe der Vater das Kind überhaupt in Empfang nehmen darf und die Mutter ist in meiner Geschichte sowieso vollkommen unwichtig (quasi eine Gebärmaschine).
Bis jetzt hat sich keiner über den Satz "Er wollte den Mann, der schließlich sein Kind auf die Welt gebracht hatte, nicht verärgern" gewundert. Es ist doch immer noch die Mutter, die das Kind auf die Welt bringt, aber das spielt in meiner Geschichte gar keine Rolle mehr.

Viele Eltern fühlen sich vielleicht auch heute so deplaziert und grob behandelt bei der Geburt ihres Kindes.
Da kann ich nicht mitreden, meine eigenen Entbindungen liegen schon reichlich lange zurück. Aber in meiner Geschichte geht es schon darum, dass die Bedürfnisse und Wünsche der Eltern in dieser Zukunftsvision kaum eine Rolle bei und nach der Geburt spielen. Man lässt ihnen ein paar Kleinigkeiten (die Glückwünsche nach der Geburt, gnädigerweise darf die Frau noch stillen, wenn sie möchte, das wird aber nicht vorbehaltlos hingenommen und wer weiß, wie das dann noch weitergehen könnte.)

LG SilberneDelfine
 

FrankK

Mitglied
Hallo SilberneDelfine
Fingerabdrücke und (vermutlich) isometrische Erfassung des neugeborenen Kindes. Alleine schon eine recht gruselige Vorstellung.
Hinzu kommt der auf „Effizienz“ ausgerichtete Geburtsablauf. Der Mensch nicht mehr als Persönlichkeit sondern als Wirtschaftsfaktor: „Human-Material“, „Human-Resource“.

Wie heute schon in der Altenpflege – Zeitvorgabe. Dienstleistung nach Stoppuhr, Zuwendung im Akkord. In mittelferner Zukunft nach deiner Vision also auch die Geburt, straff durchorganisiert: aufschneiden, hohlen, zutackern, Daten erfassen nach Gesetzesnorm. Pro Kind: 8 Minuten, 20 Sekunden. Ein „Herzlicher Glückwunsch“ wird da irrelevant und ist nicht finanzierbar, muss als „Paket“ zugebucht werden, also mit „Aufpreis“.
Die Dystopie ließe sich noch steigern mit aussagen des Arztes wie: „Beeilen sie sich, ihr Kind anzumelden, ich habe noch 28 Geburten auf dem Plan, und der Bezirk hat seine Halbjahres-Quote jetzt schon fast erfüllt!“
Oder: „Ihr Junge hat aber eine ziemlich hohe Stirn und tief liegende Augen. Ich wage nicht zu beurteilen, ob der durch die Sozialprognose kommt!“

Aber in diese Effizienz passt der Fotograf nicht so recht hinein, insbesondere nicht, dass er erst noch „gerufen“ werden muss.
Zur Erfassung biometrischer Daten ist ein „Freihand-Foto“, so glaube ich, denkbar ungeeignet. Zeitlich effizienter und technisch Wirkungsvoller wäre es, wenn das Baby vom Arzt in eine (wie auch immer geartete) „Scan-Vorrichtung“ gelegt würde. Hier könnten, neben den Fingerabdrücken, auch gleich Gewicht und Größe erfasst werden. Der „vorläufige Perso“ könnte per Druckfunktion direkt aus dem Scanner herauskommen, natürlich fertig laminiert.

Völlig ungeachtet der Tatsache, dass biometrische Daten und Fingerabdrücke eines Säuglings mit zunehmenden Alter an Aussagekraft und eindeutiger Zuordnung verlieren. Aber wir wissen ja, das ein Staat mitunter Daten sammelt und erhebt, deren Nutzbarkeit gegen Null tendiert – ich erinnere nur an die letzte Volkszählung, deren Endwerte aus einer statistischen Hochrechnung kamen und real an der Wirklichkeit teilweise deutlich vorbeischossen. Oder die Unmengen an Daten, die zwangsweise (und unter Busgeld-Androhung) mit „Elena“ (Elektronischer Einkommensnachweis) erhoben wurden und jetzt in irgendwelchen Datenarchiven verrotten. Oder die „Vorratsdatenspeicherung“ bei Telefon, Fax und E-Mail inklusiver aller Verbindungsnachweise ...


Zum Text:
Eine dystopisch angehauchte Zukunftsversion über eine Geburt.
Bei den nachfolgenden Punkten stehe ich allerdings ein klein wenig auf dem Schlauch:
Irgendwie vermag ich keinen Basis-Plot zuzuordnen, ich finde keinen nennenswerten Höhepunkt (von der Geburt abgesehen, die ja auch nur „einfach passiert“) oder gar eine Andeutung einer Prämisse. Hier wird kein Konflikt ausgetragen, der einzige Konflikt entsteht unterschwellig zwischen Herr Meier und dem Arzt.
Nehme ich das Dystopische als Grundelement und die vermeintliche Art, mit der Familie Meier sich mit der Situation abgefunden hat (Herr Meier geht pfeifend zum Amt) dann würde ich möglicherweise ein „Drama“ als Plot gelten lassen, der Höhepunkt liegt dann in der Erkenntnis des Lesers, dass die offensichtliche Unbeschwertheit auf einer Basis der Unterdrückung beruht – Demokratie und Menschenwürde sehen anders aus. Eine Prämisse möchte ich mit Karl Valentins Worten formulieren: „Die Zukunft war früher auch besser.“

Wortwiederholungen:
Das Licht [blue]war[/blue] unbarmherzig grell.
Marc Meier schwitzte unter seinem grünen Operationskittel. Er [blue]war[/blue] nervös; gleich [blue]würde[/blue] sein erstes Kind das Licht der Welt erblicken. Aber musste es unbedingt so gleißend hell sein? Von Yvonne, seiner Frau, [blue]war[/blue] natürlich kein Laut zu hören. Man [blue]hatte[/blue] sie in Vollnarkose versetzt, trotz ihrer Proteste, dass sie wach bleiben [blue]wollte[/blue] und lieber eine natürliche Geburt haben [blue]wollte[/blue].
„Es wird heutzutage nur noch Sectio gemacht", das [blue]hatte[/blue] ihnen jeder Arzt gesagt. „So ist es viel einfacher, direkt die Fingerabdrücke zu nehmen. Und die Schreie früher bei der Entbindung waren schon sehr störend." Marc Meier [blue]hatte[/blue] überlegt, ob das wirklich der wahre Grund [blue]war[/blue]. Fingerabdrücke könnte man doch eigentlich auch bei einer Spontangeburt nehmen? Aber sie [blue]hatten[/blue] dann nicht weiter nachgefragt.
„Und warum Vollnarkose? Das ginge doch auch mit einem Lokalanaesthetikum. Früher gab es doch die PDA. Dann [blue]würde[/blue] ich auch nicht schreien und wäre wenigstens wach", [blue]hatte[/blue] Yvonne gesagt.
„Sie wissen nicht, wovon Sie reden", der Arzt [blue]hatte[/blue] sie beide milde lächelnd angeblickt, „Glauben Sie mir, es ist einfacher so. Für Sie, für das Team, für mich, für alle."
Achte auf Wortwiederholungen, in der Einstiegsszene wirkt es sehr geballt.
Im gesamten Text sind „war“(14x) und „hatte“(8x) deine Favoriten. ;)

Füllwörter:
Auch die Füllwörter solltest du etwas reduzieren, eine Quote von 11,9% (gesamt 132 Füllwörter) ist zu viel. Hier sind deine Favoriten:
11x „so“
10x „dann“
9x „aber“
9x „auch“
9x „doch“
9x „ja“

Das Ende:
Meier trat mit Schwung aus der Drehtür des Krankenhauses und bog [blue]dann[/blue] in die Straße, die zum Amt führte, links ab. "Amtsgasse" las er und [blue]dann[/blue] das Hinweisschild "Einwanderungsbehörde ".
Er folgte dem Schild und stürmte [blue]dann[/blue], vergnügt pfeifend, die wenigen Treppenstufen des Gebäudes hoch.
Auch hier Wortwiederholungen, faktisch ließe sich jedes „dann“ ersatzlos streichen.
Irgendwie hatte ich das unterschwellige Gefühl, hier würde die eigentliche Geschichte erst beginnen ... ;)


Fazit:
Insgesamt unterhaltsam zu lesen, wenn auch das Ende etwas überraschend und unerwartet kam. Da könnte man (im Sinne einer Dystopie) noch einiges steigern.
Da könnte man (im Sinne der Ablauf-Effizienz) noch einiges ausweiten.

Die Anmerkungen von DocSchneider bezüglich Headset und Scanner (für die Fingerabdrücke) solltest du berücksichtigen. Ein „(Stempel)Kissen“ und „(Papier)Formular“ wirken im Jahr 2078 ziemlich anachronistisch. ;)


Herzlich Grüßend
Frank


PS:
Dieser Kommentar basiert auf der Text-Version vom 19.05.2019 11:39.
 
Hallo Frankk,

vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.
Zunächst zu den Füllwörtern: Ich muss mir wohl mal angewöhnen, meine Geschichten durch einen "Füllwört-Filter"laufen zu lassen, du hattest dazu ja schon mal etwas verlinkt.

Bei den Wortwiederholungen mit "war" und "hatten" versteh ich die Kritik weniger, weil die Vergangenheitsform ja nun mal damit gebildet wird. Wie will man da "war" und "hatten" ständig aussparen? Ich verstehe auch nicht ganz, wozu.

Herzlicher Glückwunsch“ wird da irrelevant und ist nicht finanzierbar, muss als „Paket“ zugebucht werden, also mit „Aufpreis“.
Da hast du aber nicht aufmerksam gelesen :) Meiers Mutter und deren Mutter haben erzählt, dass das mit den Glückwwünschen schon immer so war, das hat mit dem Rundumpaket nichts zu tun.

Die Dystopie ließe sich noch steigern mit aussagen des Arztes wie: „Beeilen sie sich, ihr Kind anzumelden, ich habe noch 28 Geburten auf dem Plan, und der Bezirk hat seine Halbjahres-Quote jetzt schon fast erfüllt!“
Oder: „Ihr Junge hat aber eine ziemlich hohe Stirn und tief liegende Augen. Ich wage nicht zu beurteilen, ob der durch die Sozialprognose kommt!“
Der erste Vorschlag ist gut, der zweite gefällt mir nicht. Von solchen Dingen handelt die Geschichte nicht.

.Aber in diese Effizienz passt der Fotograf nicht so recht hinein, insbesondere nicht, dass er erst noch „gerufen“ werden muss.
Warum sollte der Fotograf da sein und warten, ehe das Kind auf der Welt ist, was soll er denn solange machen? Es gibt ja vorher dort nichts für ihn zu tun. Er wird wohl solange andere Arbeiten erledigen.

.Eine dystopisch angehauchte Zukunftsversion über eine Geburt.
Bei den nachfolgenden Punkten stehe ich allerdings ein klein wenig auf dem Schlauch:
Irgendwie vermag ich keinen Basis-Plot zuzuordnen, ich finde keinen nennenswerten Höhepunkt (von der Geburt abgesehen, die ja auch nur „einfach passiert“) oder gar eine Andeutung einer Prämisse. Hier wird kein Konflikt ausgetragen, der einzige Konflikt entsteht unterschwellig zwischen Herr Meier und dem Arzt.
Da hast du recht. Ursprünglich sollte das eine Kurzprosa werden, mit wenigen Sätzen, eine Momentaufnahme, wie es in der Zukunft aussehen könnte. Doch dann hat mir das Schreiben so viel Spaß gemacht, dass ich einfach weiter geschrieben habe und dann war es eine Kurzgeschichte. Zumindest erschien mir der Text fürs Kurzprosa-Forum dann zu lang. Ich hatte die Handlung vorher nicht geplant - deswegen auch kein "richtiger" Konflikt.

Nehme ich das Dystopische als Grundelement und die vermeintliche Art, mit der Familie Meier sich mit der Situation abgefunden hat (Herr Meier geht pfeifend zum Amt) dann würde ich möglicherweise ein „Drama“ als Plot gelten lassen, der Höhepunkt liegt dann in der Erkenntnis des Lesers, dass die offensichtliche Unbeschwertheit auf einer Basis der Unterdrückung beruht – Demokratie und Menschenwürde sehen anders aus. Eine Prämisse möchte ich mit Karl Valentins Worten formulieren: „Die Zukunft war früher auch besser.“
Ja, so war es gedacht. Meier hat sich mehr oder weniger abgefunden mit der Situation und ist einfach nur froh, dass sein Kind da ist.

Die Anmerkungen von DocSchneider bezüglich Headset und Scanner (für die Fingerabdrücke) solltest du berücksichtigen. Ein „(Stempel)Kissen“ und „(Papier)Formular“ wirken im Jahr 2078 ziemlich anachronistisch.
Ich habe gestern mal geschaut, was es da sonst noch bezüglich der Fingerabdrücke so gibt oder bald geben wird und bin nicht sehr fündig geworden. Ich glaube, das lasse ich in der Geschichte so (zumal auch dieses Bild im Kopf der Auslöser dafür war, diese Geschichte überhaupt zu schreiben, sozusagen meine Schlüsselszene). Das mit dem Headset könnte ich noch umschreiben.

LG SilberneDelfine
 
Das Licht war unbarmherzig grell.
Marc Meier schwitzte unter seinem grünen Operationskittel. Er war nervös; gleich würde sein erstes Kind das Licht der Welt erblicken. Aber musste es unbedingt so gleißend hell sein? Von Yvonne, seiner Frau, war natürlich kein Laut zu hören. Man hatte sie in Vollnarkose versetzt, trotz ihrer Proteste, dass sie wach bleiben wollte und lieber eine natürliche Geburt haben wollte.
„Es wird heutzutage nur noch Sectio gemacht", das hatte ihnen jeder Arzt gesagt. „So ist es viel einfacher, direkt die Fingerabdrücke zu nehmen. Und die Schreie früher bei der Entbindung waren schon sehr störend." Marc Meier hatte überlegt, ob das wirklich der wahre Grund war. Fingerabdrücke könnte man doch eigentlich auch bei einer Spontangeburt nehmen? Aber sie hatten dann nicht weiter nachgefragt.
„Und warum Vollnarkose? Das ginge doch auch mit einem Lokalanaesthetikum. Früher gab es doch die PDA. Dann würde ich auch nicht schreien und wäre wenigstens wach", hatte Yvonne gesagt.
„Sie wissen nicht, wovon Sie reden", der Arzt hatte sie beide milde lächelnd angeblickt, „Glauben Sie mir, es ist einfacher so. Für Sie, für das Team, für mich, für alle."


Marc Meier wandte sich hilfesuchend an den Arzt. „Kann man das Licht nicht etwas dämpfen?" nuschelte er unter seinem Mundschutz hervor.
Der Arzt schüttelte den Kopf.
„Aber es ist doch so hell und das Kind kommt doch gerade aus dem Dunklen, das kriegt doch womöglich einen Schock!"
„Unsinn. Wir brauchen das Licht. Wir müssen ja auch fotografieren."
„Aber..."
„Wenn Sie sich nicht zusammennehmen, Herr Meier, muss ich Sie leider hinaus schicken. Soviel wir in den letzten fünfzig Jahren erreicht haben, das ist eine von den Sachen, die sich nie ändern werden. Wollen Sie das?"
Marc Meier schüttelte den Kopf. Der Arzt wandte sich wieder dem Fußende der Liege zu. Seine Hände verschwanden unter dem grünen OP-Tuch. Meier schwieg und war erleichtert, als endlich das Schreien des Neugeborenen zu hören war.
„Sie haben einen Jungen", verkündete der Arzt feierlich und Meier nahm die Glückwünsche vom Team entgegen. Seine Mutter hatte ihm erzählt, das sei schon immer so gewesen, auch bei ihrer Mutter und deren Mutter. Von Mutter zu Mutter wurde diese Erzählung weitergegeben und Meier war gerührt, dass dieses Erlebnis noch so wie früher war. Glücklich grinste er vor sich hin und schaute zu, wie der Arzt das kräftig schreiende Neugeborene untersuchte und es der Schwester zum Waschen reichte. Dann gab die Schwester das Baby dem Arzt zurück. Jetzt kamen die Fingerabdrücke. Der Arzt drückte den linken Daumen des Babys auf das schwarze Kissen, dann auf ein Formular, anschließend verfuhr er genauso mit dem rechten Daumen.
„Jetzt ist es ja schon wieder dreckig", dachte Meier und war fast verärgert, doch der Arzt reichte das Kind wieder an die Schwester zurück, die ihm die kleinen Hände mit einem Tuch abwischte. Das Kind schrie immer noch.
„Da werden Sie aber viel Freude haben mit dem kleinen Schreihals", bemerkte der Arzt. Meier begriff das als Kompliment und nickte.
„Gleich kommt der Fotograf. Haben Sie den Personalausweis an der Pforte abgegeben?"
„Natürlich."
„Wie heißt das Kind?"
„Peter Meier."
„Gut". Der Arzt sprach in sein Headset. „Sagen Sie dem Fotograf, er kann kommen. Peter Meier ist da. Und achten Sie darauf, dass er den Personalausweis mitbringt. Bei der letzten Geburt hat er ihn tatsächlich vergessen. Und sowas ist Fotograf." Der Arzt drückte den Knopf zum Beenden des Gespräches.
„So, Herr Meier. Der Fotograf kommt gleich. Wenn die Passfotos fertig sind, können Sie sie und die erforderlichen Formulare mit den Fingerabdrücken sowie den Personalausweis mitnehmen und direkt zum Amt gehen. Dann ist alles in einer Stunde fix und fertig und Sie können das Kind mit nach Hause nehmen. Oder haben Sie das Rundumpaket gebucht?"
Meier nickte. „Es ist unser erstes Kind. Wir haben ja keine Erfahrung und ich dachte, es ist günstiger, wenn meine Frau noch ein paar Tage hierbleibt. Auch wegen dem Stillen, das möchte meine Frau so gerne."
„Ah, Sie gehören noch zur alten Schule. Dann sind Sie eine Ausnahme heutzutage. Sie wissen ja sicher, dass Stillen gar nicht mehr nötig ist? Die vorproduzierte Ersatzmuttermilch ist genauso gut, wenn nicht gar besser. Und vor allem geht das Füttern so sehr viel schneller. Aber ich will Ihnen natürlich in nichts hineinreden."
„Tust du doch gerade", dachte Meier. Der Arzt fing an, ihm auf die Nerven zu gehen.
Es schellte. Der Arzt drückte auf einen Knopf, die Tür öffnete sich und ein Mann, beladen mit einem riesigen Fotoapparat, trat ein.
„Haben Sie diesmal den Personalausweis dabei?" fragte der Arzt.
„Natürlich." Der Fotograf kramte in seiner Hosentasche und hielt ihm ein Dokument hin.
„Peter Meier, Geburtsdatum 16. Mai 2078", las der Arzt halblaut vor und nickte, scheinbar zufrieden. „Und denken Sie bei den nächsten Geburten selbst daran. Ich habe wahrhaftig keine Zeit und auch keine Lust, Sie jedes Mal daran zu erinnern."
„Ja ja, schon gut. Wo ist das Kind?"
Die Schwester brachte es.

Meier schaute zu, wie sein Sohn von vorne und von allen Seiten fotografiert wurde. Pflichtschuldig lachte er über den blöden Witz des Fotografen „Bitte lächeln" und nahm schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit sein Kind in Empfang und wiegte es in den Armen.
„Was für ein überwältigendes Gefühl", dachte er. „So müssen sich die Mütter früher selbst gefühlt haben, als sie das Kind zuerst halten durften.".
„So, Herr Meier. Geben Sie das Kind der Schwester. Da Sie ja das Rundumpaket gebucht haben, wird diese sich um es kümmern. Und Sie haben ja auch zu tun. Sie müssen zum Amt, die machen in einer Stunde zu. Sie wissen ja, dass Kinder am Tag ihrer Geburt gemeldet werden müssen. Ansonsten müssen Sie Gebühren für versäumtes Melden bezahlen."
„Ich weiß." Meier zögerte. Da war doch noch etwas.... Richtig! „Was ist eigentlich mit meiner Frau?"
„Sie wird jetzt zu den anderen Wöchnerinnen gebracht und wohl in einer Stunde aufwachen. Keine Sorge, es geht ihr gut."
„Dann komme ich nachher nochmal, wenn sie wach ist."
„Sicher. Aber nun bitte zum Amt."
Fast hätte Meier schnippisch „Jaja" gesagt, wie der Fotograf. Aber er wollte den Arzt, der seinen Sohn schließlich auf die Welt gebracht hatte, nicht verärgern und blieb stumm.
Als er aus der Tür war, hörte er, wie der Arzt zur Schwester sagte: „Besser als früher ist das auch nicht. Da haben die Mütter mit ihrem Geschnatter genervt und heute sind es die Väter."
„Aber die Väter können wenigstens direkt zum Amt gehen", sagte die Schwester.
Meier hörte beim Hinausgehen noch, wie der Arzt sagte: "Stimmt, das ist das Wichtigste. Mit dem Baby haben wir jedenfalls unsere Quote für diesen Monat bei den Anmeldungen erfüllt". Dann trat er mit Schwung aus der Drehtür des Krankenhauses und bog dann in die Straße, die zum Amt führte, links ab. "Amtsgasse" las er und dann das Hinweisschild "Einwanderungsbehörde ".
Er folgte dem Schild und stürmte dann, vergnügt pfeifend, die wenigen Treppenstufen des Gebäudes hoch.
 
Das Licht war unbarmherzig grell.
Marc Meier schwitzte unter seinem grünen Operationskittel. Er war nervös; gleich würde sein erstes Kind das Licht der Welt erblicken. Aber musste es unbedingt so gleißend hell sein? Von Yvonne, seiner Frau, war natürlich kein Laut zu hören. Man hatte sie in Vollnarkose versetzt, trotz ihrer Proteste, dass sie wach bleiben wollte und lieber eine natürliche Geburt haben wollte.
„Es wird heutzutage nur noch Sectio gemacht", das hatte ihnen jeder Arzt gesagt. „So ist es viel einfacher, direkt die Fingerabdrücke zu nehmen. Und die Schreie früher bei der Entbindung waren schon sehr störend." Marc Meier hatte überlegt, ob das wirklich der wahre Grund war. Fingerabdrücke könnte man doch eigentlich auch bei einer Spontangeburt nehmen? Aber sie hatten nicht weiter nachgefragt.
„Und warum Vollnarkose? Das ginge doch auch mit einem Lokalanaesthetikum. Früher gab es die PDA. Damit würde ich auch nicht schreien und wäre wenigstens wach", hatte Yvonne gesagt.
„Sie wissen nicht, wovon Sie reden", der Arzt hatte sie beide milde lächelnd angeblickt, „Glauben Sie mir, es ist einfacher so. Für Sie, für das Team, für mich, für alle."


Marc Meier wandte sich hilfesuchend an den Arzt. „Kann man das Licht nicht etwas dämpfen?" nuschelte er unter seinem Mundschutz hervor.
Der Arzt schüttelte den Kopf.
„Aber es ist doch so hell und das Kind kommt doch gerade aus dem Dunklen, das kriegt doch womöglich einen Schock!"
„Unsinn. Wir brauchen das Licht. Wir müssen ja auch fotografieren."
„Aber..."
„Wenn Sie sich nicht zusammennehmen, Herr Meier, muss ich Sie leider hinaus schicken. Soviel wir in den letzten fünfzig Jahren erreicht haben, das ist eine von den Sachen, die sich nie ändern werden. Wollen Sie das?"
Marc Meier schüttelte den Kopf. Der Arzt wandte sich wieder dem Fußende der Liege zu. Seine Hände verschwanden unter dem grünen OP-Tuch. Meier schwieg und war erleichtert, als endlich das Schreien des Neugeborenen zu hören war.
„Sie haben einen Jungen", verkündete der Arzt feierlich und Meier nahm die Glückwünsche vom Team entgegen. Seine Mutter hatte ihm erzählt, das sei schon immer so gewesen, auch bei ihrer Mutter und deren Mutter. Von Mutter zu Mutter wurde diese Erzählung weitergegeben und Meier war gerührt, dass dieses Erlebnis noch so wie früher war. Glücklich grinste er vor sich hin und schaute zu, wie der Arzt das kräftig schreiende Neugeborene untersuchte und es der Schwester zum Waschen reichte. Nach dieser Prozedur gab die Schwester das Baby dem Arzt zurück. Jetzt kamen die Fingerabdrücke. Der Arzt drückte den linken Daumen des Babys auf das schwarze Kissen, dann auf ein Formular, anschließend verfuhr er genauso mit dem rechten Daumen.
„Jetzt ist es ja schon wieder dreckig", dachte Meier und war fast verärgert, doch der Arzt reichte das Kind wieder an die Schwester zurück, die ihm die kleinen Hände mit einem Tuch abwischte. Das Kind schrie immer noch.
„Da werden Sie aber viel Freude haben mit dem kleinen Schreihals", bemerkte der Arzt. Meier begriff das als Kompliment und nickte.
„Gleich kommt der Fotograf. Haben Sie den Personalausweis an der Pforte abgegeben?"
„Natürlich."
„Wie heißt das Kind?"
„Peter Meier."
„Gut". Der Arzt sprach in sein Headset. „Sagen Sie dem Fotograf, er kann kommen. Peter Meier ist da. Und achten Sie darauf, dass er den Personalausweis mitbringt. Bei der letzten Geburt hat er ihn tatsächlich vergessen. Und sowas ist Fotograf." Der Arzt drückte den Knopf zum Beenden des Gespräches.
„So, Herr Meier. Der Fotograf kommt gleich. Wenn die Passfotos fertig sind, können Sie sie und die erforderlichen Formulare mit den Fingerabdrücken sowie den Personalausweis mitnehmen und direkt zum Amt gehen. Dann ist alles in einer Stunde fix und fertig und Sie können das Kind mit nach Hause nehmen. Oder haben Sie das Rundumpaket gebucht?"
Meier nickte. „Es ist unser erstes Kind. Wir haben ja keine Erfahrung und ich dachte, es ist günstiger, wenn meine Frau noch ein paar Tage hierbleibt. Auch wegen dem Stillen, das möchte meine Frau so gerne."
„Ah, Sie gehören noch zur alten Schule. Dann sind Sie eine Ausnahme heutzutage. Sie wissen ja sicher, dass Stillen gar nicht mehr nötig ist? Die vorproduzierte Ersatzmuttermilch ist genauso gut, wenn nicht gar besser. Und vor allem geht das Füttern sehr viel schneller. Aber ich will Ihnen natürlich in nichts hineinreden."
„Tust du doch gerade", dachte Meier. Der Arzt fing an, ihm auf die Nerven zu gehen.
Es schellte. Der Arzt drückte auf einen Knopf, die Tür öffnete sich und ein Mann, beladen mit einem riesigen Fotoapparat, trat ein.
„Haben Sie diesmal den Personalausweis dabei?" fragte der Arzt.
„Natürlich." Der Fotograf kramte in seiner Hosentasche und hielt ihm ein Dokument hin.
„Peter Meier, Geburtsdatum 16. Mai 2078", las der Arzt halblaut vor und nickte, scheinbar zufrieden. „Und denken Sie bei den nächsten Geburten selbst daran. Ich habe wahrhaftig keine Zeit und auch keine Lust, Sie jedes Mal daran zu erinnern."
„Ja ja, schon gut. Wo ist das Kind?"
Die Schwester brachte es.

Meier schaute zu, wie sein Sohn von vorne und von allen Seiten fotografiert wurde. Pflichtschuldig lachte er über den blöden Witz des Fotografen „Bitte lächeln" und nahm schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit sein Kind in Empfang und wiegte es in den Armen.
„Was für ein überwältigendes Gefühl", dachte er. „So müssen sich die Mütter früher selbst gefühlt haben, als sie das Kind zuerst halten durften.".
„So, Herr Meier. Geben Sie das Kind der Schwester. Da Sie ja das Rundumpaket gebucht haben, wird diese sich um es kümmern. Und Sie haben ja auch zu tun. Sie müssen zum Amt, die machen in einer Stunde zu. Sie wissen ja, dass Kinder am Tag ihrer Geburt gemeldet werden müssen. Ansonsten müssen Sie Gebühren für versäumtes Melden bezahlen."
„Ich weiß." Meier zögerte. Da war doch noch etwas.... Richtig! „Was ist eigentlich mit meiner Frau?"
„Sie wird jetzt zu den anderen Wöchnerinnen gebracht und wohl in einer Stunde aufwachen. Keine Sorge, es geht ihr gut."
„Ich komme nachher nochmal, wenn sie wach ist."
„Sicher. Aber nun bitte zum Amt."
Fast hätte Meier schnippisch „Jaja" gesagt, wie der Fotograf. Aber er wollte den Arzt, der seinen Sohn schließlich auf die Welt gebracht hatte, nicht verärgern und blieb stumm.
Als er aus der Tür war, hörte er, wie der Arzt zur Schwester sagte: „Besser als früher ist das auch nicht. Da haben die Mütter mit ihrem Geschnatter genervt und heute sind es die Väter."
„Aber die Väter können wenigstens direkt zum Amt gehen", sagte die Schwester.
Meier hörte beim Hinausgehen noch, wie der Arzt sagte: "Stimmt, das ist das Wichtigste. Mit dem Meier-Baby haben wir jedenfalls unsere Quote für diesen Monat bei den Anmeldungen erfüllt". Meier dachte darüber nicht weiter nach. Er trat mit Schwung aus der Drehtür des Krankenhauses und bog in die Straße, die zum Amt führte, links ab. "Amtsgasse" las er und danach das Hinweisschild "Einwanderungsbehörde ".
Er folgte dem Schild und stürmte vergnügt pfeifend die wenigen Treppenstufen des Gebäudes hoch.
 
Hallo Frankk,

so, jetzt habe ich das Headset eingebaut, ein paar Füllwörter entfernt oder geändert und die Sache mit der Quote am Schluss erwähnt. Mehr verändere ich jetzt nicht mehr :) auch wenn es sicher nicht perfekt ist.

LG SilberneDelfine
 



 
Oben Unten