New York City: Elevated Subway

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York

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Eisenträger fressen sich wie Kraken durch die Straßen von Manhattan und Brooklyn, von Queens bis zur Bronx. Gerüste die Schienen tragen für Züge, die aus dem Untergrund kommen und zur Hochbahn mutieren. Elevated Subways. In Gegenden, die nicht untertunnelt werden können, in Gegenden, in denen die Tunnel nicht lohnen, da den Menschen zugemutet wird, mit dem Zug zu leben. Über der Straße, vor dem Haus, neben dem Fenster. Rüttelnde, quietschende, dreckige Ungetüme, die krachend über die Konstruktionen rasen. Im Minutentakt.

Hoch über der Straße schweben die Trassen auf knochigen Stelzen. Ihre Gewaltigkeit verkleinert die Normalität. Dabei sind sie ästhetisch, die Konstruktionen. Trotz ihrer Schwere grazil. Angerostet und schrundig bilden sie Vorlagen für angesagtes Retro-Design. Matte Farben auf metallischem Grund. Bei Sonnenschein zeichnet sich das Skelett auf den Straßenbelag und umspielt die Verstrebungen mit Licht und Schatten.

Es könnten auch Konstruktionen sein, die die ganze Stadt auf eine höhere Ebene befördern. Science-Fiction Fantasien in der Art von Cyberpunk. Da fehlen nur die Flugobjekte, die sich zwischen dem Gestänge ihre Bahnen suchen.
Die oberen Plattformen können mit der Subway angesteuert werden. Von dort vermittelt der Blick auf die Dächer der benachbarten Häuser ein Gefühl davon, sich über der Stadt zu befinden. Und durch das Gestänge erscheinen die unteren Ebenen wie filmische Szenen. Orte, die einen Wechsel der Perspektive anbieten.

Wenn die Züge die Trasse verlassen, kehren sie zurück zu den unterirdischen Bahnhöfen und entschwinden in die Dunkelheit des Tunnelsystems. Sie folgen den vorgegebenen Pfaden entlang spärlicher Beleuchtung und quietschen sich ihren Weg von Station zu Station. Bis sie an anderer Stelle erneut aus dem Untergrund emporschnellen und abermals über Straßen, an dortigen Häusern und Fenstern in getakteter Regelmäßigkeit entlangrattern. Elevated. Erhöht und erhaben.
 

Ji Rina

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Hallo York,
Herzlich willkommen auf der Leselupe!
Habe mit Interesse Deine Subway Story von New York gelesen, die du meiner Meinung nach sehr bildhaft/ lebhaft schilderst. Ein bisschen hat mir aber
"eine Geschichte" gefehlt. Habe es aber gern gelesen.
Mit freundlichen Grüssen,
Ji
 
Recht plastisch präsentiert, York, und für mich nach Jahrzehnten noch sehr gut wiedererkennbar. Vorausgesetzt, deine Eindrücke sind aus jüngerer Zeit, würde ich es fast ein wenig unheimlich finden, dass diese leblosen Konstruktionen auf Zeitgenossen von heute ziemlich unverändert zu wirken scheinen.

Ein Aber:
Die oberen Plattformen können mit der Subway angesteuert werden.
Mir kommt das nicht ganz klar vor. Ist damit tatsächlich die Trasse, also der Schienenweg gemeint? Und ist das dann wirklich so? Oder eben nur Phantasie? Ich sehe auf solchen Hochbahnfahrten eher rechts und links Hauswände vorbeigleiten.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

York

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Hallo Ji und Arno - danke für Eure Rückmeldungen!
Vielleicht zur Erklärung: ich komme von der Malerei und bin zur Fotografie gewandert. Da diese immer mehr nach Text verlangte, habe ich mich vermehrt dem Text zugewandt, der seit einiger Zeit mein Schwerpunkt geworden ist. Dafür finde ich es sehr hilfreich, in einem Forum wie diesem zu sein und Texte anregend und kritisch zu betrachten.
Der hier veröffentlichte Text stand in Zusammenhang mit Fotografien. Jetzt wollte ich sehen, ob er auch ohne begleitende Bilder funktioniert...
Ein bisschen hat mir aber "eine Geschichte" gefehlt.
Ja, es ist nicht wirklich eine Geschichte. Bei mir entsteht damit die Frage, ob Kurzprosa (Prosa, Literatur) eine Geschichte braucht oder haben sollte? Dann auch die Frage (an mich, an Euch), ob solch ein Text als Fragment angesehen werden kann, ein Fragment, das mal in eine Geschichte eingebunden werden kann - und funktioniert er dann als Fragment in der Sektion Kurzprosa??
Recht plastisch präsentiert, York, und für mich nach Jahrzehnten noch sehr gut wiedererkennbar. Vorausgesetzt, deine Eindrücke sind aus jüngerer Zeit, würde ich es fast ein wenig unheimlich finden, dass diese leblosen Konstruktionen auf Zeitgenossen von heute ziemlich unverändert zu wirken scheinen.
Ein Aber:
Mir kommt das nicht ganz klar vor. Ist damit tatsächlich die Trasse, also der Schienenweg gemeint? Und ist das dann wirklich so? Oder eben nur Phantasie? Ich sehe auf solchen Hochbahnfahrten eher rechts und links Hauswände vorbeigleiten.
Die Fotografien, zu der dieser Text kürzlich entstanden ist, stammen aus den Jahren 2007 und 2009. Die Trassen sind aber auch aktuell Bestandeile der NYC-Subway. Und ja, es gibt Haltestellen oben auf den Trassen, an denen man die Züge verlassen kann.

Herzliche Grüße
York
 
Ja, es ist nicht wirklich eine Geschichte. Bei mir entsteht damit die Frage, ob Kurzprosa (Prosa, Literatur) eine Geschichte braucht oder haben sollte? Dann auch die Frage (an mich, an Euch), ob solch ein Text als Fragment angesehen werden kann, ein Fragment, das mal in eine Geschichte eingebunden werden kann - und funktioniert er dann als Fragment in der Sektion Kurzprosa??
Klare Antworten, York: Kurzprosa braucht keine Geschichte. Der Text kann unter dieser Rubrik so gut bestehen. Hier ist er kein Fragment. - Als Teil eines längeren Textes könnte er funktionieren (ggf. ans Gesamte angepasst), ob das dann noch Kurzprosa oder eine Kurzgeschichte oder eine Erzählung ist, hängt natürlich von Länge und Struktur ab.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

Vitelli

Mitglied
Hallo York,

schöne Schilderung. Ich fühlte mich an meinen letztjährigen New-York-Urlaub erinnert. Und an viele Filmszenen. Besonders die - immer noch unerreichte - Verfolgungsjagd in The French Connection.

Wie hier auch schon angesprochen wurde, fehlt mir persönlich etwas Geschichte, sprich Menschen und Gefühle. Um bei der o.g. Verfolgungsjagd zu bleiben: Sie sagt vieles über den Protagonisten aus. Und Brooklyn ist halt Hintergrund.

Trotzdem gerne gelesen.

VG,
Vitelli
 

Ji Rina

Mitglied
Ja, es ist nicht wirklich eine Geschichte. Bei mir entsteht damit die Frage, ob Kurzprosa (Prosa, Literatur) eine Geschichte braucht oder haben sollte? Dann auch die Frage (an mich, an Euch), ob solch ein Text als Fragment angesehen werden kann, ein Fragment, das mal in eine Geschichte eingebunden werden kann - und funktioniert er dann als Fragment in der Sektion Kurzprosa??
Hallo York,
Nö, Kurzprosa "braucht" nicht umbeding eine Geschichte und er steht hier wunderbar wo er ist. Ich meinte nur, dass "mir persönlich" ein bisschen Geschichte fehlte, aber das ist nur mein persönlicher Geschmack. Meiner Meinung nach, hast Du Deinen Text jedoch sehr gut dargestellt.
Liebe Grüsse,
Ji
 

York

Mitglied
Hallo Vitelli und Ji -
danke für die Einschätzungen!
Ich werde mal was versuchen mit ein bisschen Geschichte. Möchte aber zunächst bei der Kurzprosa bleiben. Mal seh'n, ob's was wird...

Gruß
York
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo York,

eine beschreibende Kurzprosa, die den Leser sehr bildhaft nach NYC versetzt.
Eine Geschichte habe ich nicht vermisst.
Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße
Manfred
 



 
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