nichts

Chrissie

Mitglied
nichts

solch zähe tage
schwer und tränenreich
nicht einmal erahnbar
wie glück sich anfühlen könnte
unglück kriecht
durch alle strassen
in allen gassen
über alle plätze
wie schwarzer schleim
aus tausend toten
nach verwesung stinkend
wie ein penner aus dem maul

(gott existiert nicht
gott ist ein penner
gott ist tot)

im stakkato wirr wirbelnder
dunkel gefärbter gedanken
verschattet der sichtkreis
kein entkommen
aus der grausamkeit die innen wohnt
keiner kann helfen
gefangen im kerker der eigenen angst
niedergedrückte augen zeichnen den weg
über schmutzige pflastersteine
durch hundehaufen und rostige nadeln
immer hinein
durch den stärksten schmerz in den größten dreck

(unerreichbar sind die ängstlichen
selbst ausgegrenzt vom leben
hinter mauern gebaut aus pein)

geh! geh weg
fort, lass mich!
ich suche keine heimat
ich suche nichts mehr
ich will deine liebe nicht
ich will so bleiben
und mich weiden
am eigenen leid

CMvM 2001
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Chrissie,

kann Gott tot sein, wenn er nicht existiert?
Wenn er tot ist, existiert er tot.
Für Gott, den Allmächtigen, wäre das kein Problem.
Für Gott, den Allwissenden, auch nicht.
Für den Lebendigen Gott schon.

---

Ich habe Schmu gemacht.
Im Gedicht ging es um Anderes, und es gefällt mir sehr.

---

Sehr schön die Doppeldeutigkeit im Sächsischen:

mauern gebaut aus pein

---

Das Gedicht ist in sich vollkommen.

Viele liebe Grüße von Bernd
 

Chrissie

Mitglied
...die beinernen mauern aus pein... das ist klasse!

Dein Lob freut mich, gerade weil das mal ein ganz anderes Gedicht ist als der Rest, den ich so schreibe.

Merci vielmals
Chrissie
 
R

Rote Socke

Gast
Ausgestaltung Top, Message Flop!

Liebe Chrissie,
nein, das mit dem Flop meine ich natürlich nicht so.

Zunächst ist diese Lyrik eine lesenswerte Lyrik, mit ausgefeilten Sätzen.

(unerreichbar sind die ängstlichen
selbst ausgegrenzt vom leben
hinter mauern gebaut aus pein)

Du hast meine Gedanken auf zweierlei Art beschäftigt.

1. Menschen die Leid erleben, erlebt haben, verstecken sie sich wirklich hinter dieser Mauer wegen Angst. Leid und Pein können doch auch den Mutigen ereilen.

2. Du grenzt die möglichen Perpektiven gegenüber einem Gott völlig aus. Wo bleibt der klitzekleine Funken Hoffnung?

Viele Grüße
RG (Der rote Gläubige)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber RG,

muss es immer Message sein?
Ich denke, das Gedicht braucht so etwas nicht, zumindest nicht dringend.
Der Informationsgehalt von Lyrik liegt im Verweigern von Message.

Die Hoffnung ist das Gedicht.

"mich weiden
am eigenen leid"

charakterisiert die Person und gibt eine (leicht ironische) Distanzierung.
Üblicherweise weiden sich negative Personen am Leid anderer.
(Erfreuen sich am ..., ernähren sich vom ... usw.)

Viele Grüße von Bernd
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo Bernd,

also das bin ich völlig Deiner Meinung: Es muss nicht immer eine Message hinausposaunt werden. Doch auch ohne die direkt sichtbare Message, bietet nicht jeder Text im Verborgenen eine Art Message, eine Prämisse, die der Text dem Leser vorhält? Wäre dem nicht so, bräuchte ich mich nicht schriftlich mitzuteilen.

Du sagst, die Hoffnung ist der Text selbst. Als Grundthese mag ich mich gern damit zufrieden geben, weil es wahr ist. Aber in dieser Lyrik fand ich die Hoffnung nicht. Magst Du mir auf die Sprünge helfen?

(mich weiden am eigenen leid) soll das eine Art Hoffnung darstellen?

Beste Grüße und freue mich auf Deine Antwort, weil's mich interessiert.

RS
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Hoffnung erscheint in keiner Weise im Gedicht. Der Text ist aber auch nicht von Hoffnungslosigkeit geprägt. Die Frage der Hoffnung ist ausgeklammert.
Der Text lebt von seinem Abbild im Lesenden. Der kann Hoffnung gewinnen. Der kann überlegen, was er tun kann.
Die Schreibende ist dabei ebenso unter den Lesenden.

"(mich weiden am eigenen leid) soll das eine Art Hoffnung darstellen? " - nein. Es ist eine Distanzierung dre Autorin vom Inhalt des Textes, (nicht vom Text).

Viele Grüße von Bernd
 
R

Rote Socke

Gast
Danke Bernd...

...für die Aufklärung. Ja, so kann man's sehen. Doch gestehe ich, dass ich mich damit schwer tue.

Beste Grüße
RS
 
hab dieses Gedicht von C. grad erst erstöbert...

Uff.
Nicht weil's schwere Kost ist, sondern weil ich ne MENGE davon wiedererkenne.
Unglaublich gut in Worte gekleidet (was man lieber NICHT (nochmal) so genau vor Augen (gehabt) hätte). Zu der Passage über Gott hab' ich keinen Bezug ... hab' den alten Taschenspieler nie näher kennengelernt.
Der Rest : Respekt.

Und : Socke, ich sach' dir ... es gibt Zustände im Leben, da ist sogar das KONZEPT Hoffnung so fremd wie der verdammte Mars ...

*schauder*
 
R

Rote Socke

Gast
van Tast,

mir scheint Du hast Erfahrung. Vielleicht erfährt ´man mal mehr darüber.

Gruss
RS
 
Einmal Hölle und zurück, ... bitte einsteigen ...

... von mir aus, gern.
Aber keinesfalls öffentlich. Hab' nicht vor, mich in Klartext (dem rücksichtslosen Teil) der Meute hier vorzuwerfen. ;) Hier [strike]laufen[/strike] posten mir zuviele unerlöste Geister rum, die wenig begreifen, aber dennoch (um so bereitwilliger) angreifen.

[Ich würde sagen, wir haben hier stellenweise ein Problem mit streunenden Hunden :): Nicht allzu schlau, einsam (bzw. allein(gelassen) bzw. ausgesetzt[?]), hungrig (in jeder Hinsicht) und gelegentlich sogar tollwütig :D ... in meinem [strike]Müll[/strike] Hinterhof lass' ich die jedenfalls NICHT rumwühlen ;)]

Wenn's dich also wirklich interessiert, frag' mich, was du wissen willst, per Mail.

van Tast
 
R

Rote Socke

Gast
Ich versteh sehr gut!

Werde mich noch ausführlich melden. Danke für das Angebot!

Gruss
RS
 



 
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