Nichts Neues unter der Sonne

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Klaus K.

Mitglied
Nichts Neues unter der Sonne

Ich bin ein ganz normaler Mistkäfer. Von meiner Gattung gab es unzählige Arten, mal schwarz, mal bunt, aber alle hatten wir eins gemeinsam, denn wir wühlten, wir lebten im Mist, im organischen Abfall, vor allem auch in dem, was Menschen im Garten als Misthaufen angelegt hatten. Einige von uns rollten das, was wir davon für verwertbar hielten zu Kugeln, wir ernährten uns davon, wir durchforsteten alles und sorgten für Belüftung, förderten das Wachstum anderer Pflanzen und wurden daher als nützliche Insekten betrachtet. Ungeachtet unserer bescheidenen Größe und ungeachtet unseres Äußeren.

Ich, Karl, war dabei ein besonders schönes Exemplar. Meine Eltern hatten mich so genannt, einen Nachnamen gab es nicht und brauchte es auch nicht. Ich lebte allein, in einer kleinen Erdfalte, eher einem winzigen Loch. Bislang war keine passende Partnerin aufgetaucht, die für eine Verbreitung meiner Art in Frage gekommen wäre. Aber das störte noch nicht, ich konnte warten. Und ich war schön.
Mein Panzer war grün-metallic, genauer gesagt in "British Racing Green" eingefärbt, dazu dieser metallische Glanz....ja, ich war damit wirklich gutaussehend, und ein paar Meter fliegen konnte ich auch. Diese Eigenschaft haben viele von uns, aber hauptsächlich sind wir zu Fuß unterwegs. Und dabei mußte man höllisch aufpassen! Zum Beispiel vor dieser hässlichen Kröte Hubert.
Der war zwar strohdoof, saß immer nur in seinem Erdloch und blickte ab und zu blinzelnd von dort heraus, aber er war brandgefährlich. Kam man zu nahe an seiner Behausung vorbei, dann schnappte er zu, manchmal schoß vorher auch seine widerliche klebrige Zunge dabei heraus. Der Kerl war entweder ein verzogenes Einzelkind, oder seine Eltern hatten ihn dort wo er jetzt war zur Strafe einfach ausgesetzt. Ich kannte ihn von Beginn an, als er noch ganz klein war. "Hubert", so wurde er gerufen. Faul, unsportlich und nur auf seinen Vorteil bedacht, so war er schon immer. Eine gnadenlose Fressmaschine - schnapp, und ade du schöne Welt. Ekelhaft, wie er dann im Erfolgsfall bei seiner brutalen Beutejagd als bewegungsloser Eremit zuschlug. Erst gestern hatte es Benno, den Chef der Heuschrecken-Truppe erwischt, ich war Zeuge. Der in den breiten Krötenschlund eingesaugte Delinquent schrie zwar noch kurz einmal auf.....huuh, was für für ein Ende!

Abstand halten, das war also angesagt. Der Kerl kannte kein Pardon, aber damit stand er den Ameisen in nichts nach, denn deren Kolonie im hinteren Teil des Gartens war ebenfalls spezialisiert auf Terrorangriffe. Aber nicht als Einzelkämpfer, sie aktivierten sofort immer ganze Guerilla-Einheiten! Eine üble Bande, man mußte extrem vorsichtig sein, daß man ihr Territorium nicht zufällig betrat. So geschehen, als Tausendfüßler-Egon - ein guter Freund von mir - versehentlich ihre Staatsgrenze überschritt, was ja bei so vielen Beinen nun wirklich schon mal vorkommen konnte. Entsetzlich! Erst der Einzel-Angriff mit dem Stich in den Rücken. Das war für Egon noch kein Problem, aber ruck-zuck war die ganze Meute da, er konnte sich dann der Summe der Giftspritzen und Stiche nicht erwehren. Vorbei, die Terrorbande legte ihn völlig lahm und bugsierte ihn dann mit ein paar hundert ihrer Spezialisten unter die Erde. Wer das so wie ich erlebt hat, der weiß, wie gefährlich organisierte Kriminalität ist. Die steht dem Einzeltäter, der aus der dunklen Tiefe zuschlägt, in ihrer Effizienz in nichts nach.

Gut, daß ich ein Mistkäfer bin, ausgestattet mit Erfahrung, Verstand und Vorsicht. In meinem Unterschlupf bin ich relativ sicher aufgehoben, es geht mir gut, bis auf.....
Diese Nachbarn! Das Ehepaar Maus! Die haben ihre Wohnung ganz dicht neben mir gegraben, da liegen nur ein paar Zentimeter dazwischen. Dieser ewige Krach! Und jetzt haben sie auch noch Nachwuchs, er - also der Mausemann - mußte extra dafür noch ein zusätzliches Kinderzimmer anlegen. Junge, Junge, was war seine Frau am Keifen! "Mach' dies, mach' das, mach' schneller!" Der arme Kerl wurde richtig getriezt, seine Frau hatte das Kommando. Und dann, als der Nachwuchs endlich da war und sie deshalb kaum noch die Wohnung verlassen konnte, wurde er mit dem Dauerauftrag "Nahrungsbeschaffung" beglückt. Da war dann auch erhöhte Vorsicht für mich angesagt. Ich mußte also laufend aufpassen, der Mausemann rannte jetzt durch die Gegend wie ein ferngesteuerter Roboter, immer auf der Suche nach allem essbaren kleinen Getier, was da eben so kreucht und fleucht. Er stand ganz schön unter ihrer Fuchtel, aber ich zog meine Lehren daraus.
Erstens, daß ich froh sein mußte, nicht in einer ähnlichen Beziehung zu leben. Herr und Frau Maus, diese Art einer Liaison war nicht erstrebenswert. Zweitens, daß ich dringendst das Weite suchen mußte, der Boden wurde mir verständlicherweise zu heiß.
Da ich keine Lust hatte auf dem Speiseplan für Babynahrung zu landen gab ich meine Behausung kieferknirschend auf, entfaltete meine British-Racing-Green-Metallic Schwingen und hob ab. Es waren ja nur ein paar Meter bis zur Terrasse oben, ich landete elegant auf der Kante zwischen der Hauswand und dem Wohnzimmerfenster.
Ein kurzer Check genügte. Der ewig schläfrige Kater lag zusammengerollt weiter hinten im Schatten, keine Gefahr also, denn manchmal wollten diese üblen Gesellen "nur spielen". Und da genügte auch ersatzweise mal so ein kleines Käferlein, wenn sich kein passendes anderes Opfer dafür fand. Nein danke, Kater Karlo! Zum Glück war er ja weit genug weg. Aber dann.....
Im Haus, also im Wohnzimmer, war das Ehepaar, die Besitzer.
Da flogen die Fetzen, da war das Mäuse-Duo nichts dagegen! Nur hatten hier beide das gleiche Kaliber, hier war er nicht der Depp, er gab Kontra. Und es ging wohl nur um Geld, sonst nichts. Nicht um Wohnraum - schnief, ich hatte ja keinen mehr -, auch nicht um Nahrungsbeschaffung - schnief, mein Misthaufen war jetzt weiter weg, und da war ja immer dieser Hubert - nein, es ging um Geld. Moment, da war noch etwas....
"Dann geh' doch zu deinem Liebhaber, der hat doch genug!"
Huh, da flogen anscheinend doch mehr als nur die Fetzen! Und dann plötzlich dieser Schrei von ihr.
"Was soll das? Tu' das weg! Bist du verrückt?"
Und dann der Knall. Ich habe nichts gesehen, damit das klar ist. Nur, daß Kater Karlo wie von der Tarantel gestochen aufschreckte und ins Gebüsch durchstartete.
Es ist anscheinend überall das gleiche Drama. Nichts Neues unter der Sonne.
 
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