Nichtswürdig!

JCC

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Er hastete durch den Wald. Die Hose um die krummen Beine war zerrissen und in seinem spärlichen hellen Haar hingen Blätter.
Weder der warme Sommerwind noch die munteren Geräusche des frühen Abends um ihn herum verschafften seinem aufgewühlten Geist Linderung.

Seine Gedanken kreisten mit der Stetigkeit eines Mahlsteins um seine Verfehlung.
Seine Verfehlung... seine Verfehlung... seine Verfehlung...!
Er war ein ehrloses Etwas, oder mehr noch, ein unwürdiges Nichts!
Er rang nach Luft und verschluckte eine Fliege, die sich vor seinen Mund verirrt hatte. Wenn sein Herr ihn auf der Stelle tötete, wäre das noch eine viel zu milde Strafe!

Er stolperte und fiel auf die Knie. Ein Eichhörnchen huschte an ihm vorbei.
Blitzschnell packte er es und biß ihm den Kopf ab. Den Schädel spuckte er aus und schleckte über den aufgerissenen Hals.
Und wenn er nun ganz fortlief?

Haare im Mund. Igitt. Er spie aus, rappelte sich auf und warf den Kadaver weg.

Nein, nein, nein, was sollte er tun ohne seinen Herrn?
Ihm kam ein dumpfer Gedanke an ein Hemd mit überlangen Ärmeln und... unsäglich... Einläufe.

Oooh... wenn er nur seinen Meister wiederfände! Wie konnte er so unachtsam sein? Er war so ein unachtsamer, unachtsamer, unachtsamer Kerl!
Wie konnte sein Herr ihm je verzeihen?
Er hatte ihn in solche Gefahr gebracht, aus den Augen gelassen, als er hilflos war... vielleicht war er tot!
Ein verzweifelter Seufzer entrang sich seiner Brust und er beschleunigte seinen Weg durch das Unterholz. Die Sonne ging unter, aber noch war im Zwielicht genug zu sehen.
Tot, tot, tot?
Irgendwas an diesem Gedanken paßte nicht, aber er war nicht in der Verfassung, nachzudenken.
Er war kaum jemals in der Verfassung, aber... weiter... weiter... wo konnte er sein?

Schwerfällig bahnte er sich den Weg durch niedrige Brombeerbüsche, aufquiekend, wenn ein Dorn ihn kratzte.
Schnell... schnell... wo...?
Aaaaah... aua!

Sein Bein stieß gegen etwas Hartes und er flog in hohem Bogen in die Büsche. Mühsam richtete er sich wieder auf und betastete wehleidig die Kratzer in seinem Gesicht.
Weiter...

"Renfield!"
Er fuhr herum und sah eine schwarze Kiste im Gebüsch stehen.

"Renfiiiield!"
"Oh, Meister! Ich habe Euch gefunden!"
Er warf sich voller Begeisterung auf den Sarg und umklammerte ihn mit den Armen.
"Meister, verzeiht mir, o Meister, Meister..!", stammelte er.

Plötzlich schwang der Deckel auf und er wurde wieder ins Gebüsch geschleudert.
Als er den Kopf wieder aus den Büschen streckte, sah er die dunkle Gestalt seines Meisters vor sich, hoch aufgerichtet und in einen schwarzen Umhang gehüllt.
"Renfield...?"
"Oh, ja... ja... ja, Meister?"
"Du bist der Nagel an meinem Sarg."
 

Alex

Mitglied
Hi JCC,
Die Idee finde ich gut, aber die Hinweise im Text finde ich auch beim nachlesen noch ziemlich schwach.
"Wenn sein Herr ihn auf der Stelle tötete, wäre das noch eine viel zu milde Strafe!" wie wäre es an der Stelle mit einem kleinen Hinweis auf die wahrscheinlichste Todesart?
"vielleicht war er tot!" warum tot? Ist er doch schon, so irgendwie zumindest. Wie wäre es mit '...zerbröselt' oder ähnlichem, dass stößt den Leser ja nicht gleich mit der Nase drauf, aber bei Texten dieser Art kommt sich der Leser ziemlich verarscht vor, wenn er keine Hinweise erhält.

Streu ein paar rein, damit die Leute sich beim nachlesen auch wundern, warum sie nicht gleich darauf gekommen sind.
So wie es ist, machte mich eigentlich nur das Zwielicht und der Beginn der Dunkelheit mißtrauisch, dass ist zuwenig.

Ach so, hmm. Dies ist keine Kritik, sondern konstruktives Feedback, hoffe ich zumindest. Also subjektiv und somit meine Einzelmeinung.

Alex
 



 
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