Nichtwissen

hermannknehr

Mitglied
Wir wissen nichts vom Tod, nur dass das Leben endet,
sanft und verhalten manchmal, manchmal schrill und laut,
wir wissen nicht, wie sich das Schicksal plötzlich wendet,
sind wir dann noch vorhanden, ohne unsre Haut?

Oder ist alles nur ein einziges Vergessen,
ein großes schwarzes Loch in Raum und Zeit,
ein Phänomen für unseren Verstand nicht zu ermessen,
moderne Interpretation der Ewigkeit?

Das Leben ist zu kurz und viel zu schade
für diese ausweglose Grübelei,
wir sollten dankbar sein für diese Gnade,
es nicht zu wissen: dadurch sind wir frei.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo hermann
Gefällt mir. Erinnert in seinem sanften Ton an Rilke. Schön.
Bloß die ersten Zeilen würde ich nochmals überschaun.

"Nur das dass das Leben endet"

Das wirkt für meine Augen wie ein nicht nötiges Füllsel.

L.G
Patrick
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Jote S,
ich habe die Idee aufgegriffen und ein Sonett "gestrickt". Ob es gelungen ist?


Wir wissen nichts vom Tod, nur dass das Leben endet,
sanft und verhalten manchmal, manchmal schrill und laut,
sind wir dann noch vorhanden, ohne unsre Haut?
Wir ahnen nur, dass sich dann unser Schicksal wendet.

Oder ist alles nur ein einziges Vergessen,
ein großes schwarzes Loch in Raum und Zeit,
moderne Interpretation der Ewigkeit,
ein Phänomen für unsren Geist nicht zu ermessen.

Das Leben ist zu kurz und viel zu schade
für diese ausweglose Grübelei,
wir sollten lachen, lieben, unsre Tage

genießen, ohne uns die bange Frage
zu stellen, dankbar sein für diese Gnade,
es nicht zu wissen: dadurch sind wir frei.


Gruß
Hermann
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Patrick,
danke fürs Lesen. Die erste Zeile finde ich o.k. Sie ist kein Füllsel. Es soll ja gerade das Lapidare beschrieben werden, was wir vom Tod wissen, nämlich nichts, nur dass das Leben dann eben vorbei ist.
Beste Grüße
Hermann
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

in beiden Versionen würde ich mal die Betonung, insbesondere in V1Z2 und V2Z1, ganz gründlich ändern. Lässt sich an diesen Stellen selbst mit dem Vorschlaghammer nicht so zurechtzimmern, dass das Ganze vorgetragen auch nur im entferntesten harmonisch klingt.

Danach unterhalten wir uns über den Rest. Ok?!

Gruss

Jürgen
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Jürgen,
Ich fürchte, wir haben eine völlig unterschiedliche Meinung, was die Musik eines Gedichtes ausmacht. In V1Z2 und V2Z1 ist ganz bewusst der Jamben-Rhythmus durchbrochen worden. In V1Z2 um der Strophe etwas sanftes, beruhigendes zu geben (Daktylus, Trochäus). In V2Z1 um die gegensätzliche Erklärung zu betonen, bevor es dann wieder mit dem Jambus-Rhythmus weitergeht.
V1Z2 muss also gelesen werden:
sanft und verhalten manchmal...
lang kurz kurz, lang kurz, lang kurz usf.
und nicht
kurz lang, kurz lang, kurz lang usf.

Ein Gedicht muss atmen und klingen. Sofern die Gesetze der Metrik nicht verletzt werden, sind Variationen in der Rhythmik, sofern sie das Klangbild des Gedichtes verändern sollen, auch o.K.
Gruß
Hermann
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

nein, sind wir grundsätzlich nicht. Rhythmus-Änderungen können und sollen insbesondere in längeren Gedichten gezielt eingesetzt werden.

In kurzen Gedichten hingegen sind sie meist störend und eher dem Zufall oder dem Unvermögen des Dichters geschuldet. Im vorliegenden Fall überhaupt von Rhythmus zu sprechen ist mutig. Nein, hier entsteht erst gar kein Rhythmus, den man wechseln könnte.

M.f.G.

Jürgen
 

Herr H.

Mitglied
Lieber Hermann,
wieder einmal ein Gedicht voller Tiefgang von dir, in dem du ein Thema aufgreifst, das zu den klassischen Sujets gehört und die Philosophen von je her beschäftigt hat. Unter rein lyrischen Gesichtspunkten gefallen mir die drei Vierzeiler besser als das Sonett. Allerdings kommt im Sonett dein eigener Standpunkt deutlicher zum Tragen, vor allem in den beiden Dreizeilern, die vom Prediger Salomo, aber ebenso von Epikur stammen könnten.
Gern gelesen, liebe Grüße
Arnd
 

hermannknehr

Mitglied
Lieber Arnd,
vielen Dank für die Rückmeldung. Auch mir gefallen die ursprünglichen Vierzeiler besser. Das mit dem Sonett war so eine Idee von JoteS. Man merkt, dass die Sonettform nachträglich konstruiert wurde, während die Vierzeiler spontan entstanden sind.
Liebe Grüße
Hermann
 

petrasmiles

Mitglied
Mir gefällt insbesondere der letzte Satz sehr gut.
Ich habs' nicht so mit Stilchen und Förmchen. Der Gedanke muss stimmen und meist sucht der sich seine Form.

Liebe Grüße
Petra
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo petrasmiles,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich glaube, ich habe von dir noch nie einen bekommen. Vielleicht waren ja auch meine Gedichte zu schlecht. Ja, es ist richtig, ich habe es ein bisschen mit "Stilchen und Förmchen" (alte Generation). Ich habe mich immer wieder an ungereimte Gedichte gewagt, hat aber nie richtig geklappt. Übrigens dein Motto, keine Punkte zu vergeben, finde ich gut. Ich habe den Eindruck, dass bei der Punktevergabe in der Leselupe Sympathie und Antipathie eine zu große Rolle spielen.

Liebe Grüße
Hermann
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Hermann,

ich hoffe sehr, Du denkst nicht, dass meine Kommentarauswahl irgendeine Bewertung beinhaltet.
Man könnte höchstens sagen, dass mich etwas konkret anspricht, und was das ist, hängt mit meinen individuellen Themen zusammen, mit der Tagesform, manchmal einfach nur mit der Intensität meines Aufenthalts in der LL.
So subjektiv ist das.

Dein 'Nichtwissen' hat mir sehr, sehr gut gefallen, aber das heißt nicht, dass mir andere nicht gefallen haben, weil ich sie nicht wahrgenommen habe.

Ich wünsche Dir noch viel Freude am Schreiben.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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