nie wieder Schoko-Kekse von B.

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Tula

Mitglied
nie wieder Schoko-Kekse von B.

Ihr Bürgerlein kommet und reget euch auf
und nehmt die Verleumdungen nicht mehr in Kauf.
Denn schmeckte nach Afrika jenes Gebäck,
dann hätte es keinen lukullischen Zweck.

Dann wäre die obere Schicht der Despot,
verziert mit Lakaien, brutal und devot,
mit Gusto nach Öl, Diamanten voll Blut
und Gold, das auf Konten im Abendland ruht.

Die untere aber, porös wie ein Schwamm,
die schmeckte nach Hunger und Leben im Slum,
wie ausgesaugt, zäh und zugleich desolat,
nach Kind auch: als billige Kraft und Soldat.

Drum kommet ihr Bürgerlein, schittet den Storm
für eine Genussmittelmarken-Reform.
Entrüstet und brüstet euch, geifert und greint:
Der Keks ist des Kekses willkommener Feind.
 

Lesmo

Mitglied
Moin Tula,

Dein Gedicht trifft voll meinen Geschmack, es ist gesellschaftskritisch, aber trotzdem mit einem feinsinnigen Humor versehen, der trotz des eigentlich eher ernsten Themas weder aufdringlich noch unangemessen wirkt. Vor allem die letzte Strophe, mit meinem persönlichen Highlight „ schittet den Storm „ gefällt mir extrem gut. Das Handwerkliche, von dem ich immer noch keine Ahnung habe, stimmt ebenfalls, behaupte ich jetzt einfach mal.

Liebe Grüße

Lesmo
 
Zuletzt bearbeitet:

James Blond

Mitglied
Mir scheint das Gedicht trotz seiner markanten Formulierungen merkwürdig unentschieden:

Die erste und die letzte Strophe enthalten Formulierungen in einem ironischen Unterton,
denn wer seinen Aufruf mit "Ihr Bürgerlein kommet und reget euch auf " startet, scheint sich über Wutbürger lustig machen zu wollen. Der Diminutiv mit der Anspielung auf ein bekanntes Weihnachtslied entfaltet hier eine Spottwirkung. Ebenso ist am Ende die Aufforderung zum "Stormshitten", zum Entrüsten, Geifern und Greinen eher negativ konnotiert, denn wer sich mit einem richtigen und wichtigen Anliegen an die Bürger wendet, wird sicher angesehenere Formen des Protests propagieren. Also auch hier eher Ironie.

Während die äußeren Strophen wie eine Verspottung übertriebener political correctness wirken, als gäbe es auf der Welt bestimmt Sinnvolleres, als sich über Keksnamen (hier Bahlsen: Afrika) zu brüskieren, beinhalten die beiden inneren Strophen eine treffende Beschreibung von Missständen in Afrika, die - zwar ebenfalls einem Medienklischee entlehnt - hier in einem gekonnten Keksvergleich einen ernsthaften Ton einbringen.

Bleibt also die Frage, was will der Text nun eigentlich?

Sich über das Übermaß an bürgerlicher Empörungssucht lustig machen - oder das Anliegen der Bahlsenkritiker, denen die Namensgebung eines Kekses (seit 1950) ins Auge sticht, stichhaltig aufgreifen? Beides widerspricht sich allerdings.

Gruß
JB
 

Tula

Mitglied
Hallo James

Danke für deine ausführlichen Betrachtungen zum Text. Die erste Frage also: an wen richtet sich der Text in erster Linie?: natürlich an die Wutbürger, die 'wichtig' und 'nebensächlich' schon lange nicht mehr unterscheiden können. Wenn jemand wirklich um das Wohl der Menschen in Afrika besorgt ist, sollte er vielleicht mal nach Afrika selbst schauen. Natürlich hat die erste Welt mit Schuld: Großprojekte mit durch und durch korrupten Regierungen und deren Handlanger, die als Entwicklungshilfe getarnt werden, Überfischung der Küsten mit Trawler-Fabrikschiffen usw. Aber der Feind Nummer 1 des Afrikaners ist der Afrikaner selbst: das Manko an Demokratie begründet sich nicht allein mit dem Kolonialerbe, und blutige ethnische Konflikte noch viel weniger. Zum großen Teil noch tribale Denkstrukturen usw.

eine treffende Beschreibung von Missständen in Afrika, die - zwar ebenfalls einem Medienklischee entlehnt
Na gut, nicht alle Länder sind gleich undemokratisch. Blühende Demokratien jedenfalls sind mir nicht bekannt. Je reicher das Land, desto ungleicher die Verteilung. Angola ist da ein gutes Beispiel und der reichste Mann aller Reichen dort kommt wohl aus Nigeria. Warum wohl?

Wichtig wären also ernsthafte Diskussionen, wie man dem allen politisch entgegen wirken kann. Dann wollen auch wieder weniger nach Europa emigrieren. Aber das interessiert die Betreiber der shitstorm-Kampagnen nicht sonderlich, auch nicht das Thema Rassissmus als solches. Für nicht wenige ist das nur ein Vorwand, während es der Keksfirma auch nur um den Umsatz geht.

Neulich las ich, dass auch Knorr nun die Zigeunersoße umbenennt. Morgen wird das Schnitzel gestrichen, dann die schöne Musik. Die ewigen Hetzer und Hasser können sich darüber freuen. Wenn alle positiven Bezüge getilgt sind, bleiben nur noch negative Klischees übrig. Das darauf keiner kommt ...

Vielleicht sollten wir ja auch beleidigt sein, wenn jemand 'deutsches Bier' sagt?

LG
Tula
 

James Blond

Mitglied
Hallo Tula,

danke für deine Ausführungen zum Gedicht!

Was ich allerdings noch immer nicht verstehe, ist der Gehalt der beiden inneren Strophen, die ja genau das argumentieren, was die Gruppe der Keksnamen-Kritiker dem Bahlsen-Unternehmen vorwirft, nämlich angesichts der offensichtlichen Missstände durch Hunger, Gewalt, Korruption und Ausbeutung den Begriff Afrika und damit zugleich den ganzen Kontinent als einen köstlichen Ort zu romantisieren. Mit anderen Worten: Die beiden mittleren Strophen passen ganz ausgezeichnet in den Shitstorm, den die beiden äußeren Strophen verspotten.

Gruß
JB
 

Tula

Mitglied
Moin James

Wenn das Argument der Shit-Stürmer die Versüßung der bitteren politischen Realitäten in Afrika wäre, dann hätte ich das Gedicht in der Tat so nicht geschrieben. Was nicht ausschließt, dass es auch solche Argumente gab, denn der grundsätzliche Vorwurf war doch schlichtweg Rassissmus. Weil der Keks eben braun ist, der Bezug auf die Hautfarbe usw.

Link zum Thema

Die Absicht der zwei inneren Strophen war demnach genau diese: auf das eigentlich Wichtige hinzuweisen, anstatt auf dämliche Vorwürfe zu bestehen, die nach den Unruhen in den USA gewissermaßen Medien-reif geworden sind. Die Sache mit Knorr schlägt ja in dieselbe Kerbe.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 13736

Gast
Moin,

Interessant, der Link. Rassismusvorwürfe wegen Schokokekse. Ja gut, wehret den Anfängen.
Ich schaue mir zum Beispiel auch keine Wetterberichte mehr an. Wenn man den Begriff "Regen" umdreht, was kommt dann bei raus? Naaa...?
Ne, nicht mit mir! Ich überhole auch nicht mehr rechts auf der Autobahn. Ich finde, man muss da mehr Flagge zeigen...

Schönes Wochenende

Oscarchen
 

Tula

Mitglied
Hallo Oscarchen
So ist es: das längste mir bekannte deutsche Palindrom muss für immer aus der literarischen Schatztruhe verdammt werden, jeder Dichter, der es mal zitierte, sollte hinter Gitter und überhaupt sollte das Wort Regen durch 'Niederschlag im ungefrorenen Aggregatzustand' ersetzt werden.

Wenn du auf der Autobahn rechts nicht überholen kannst, solltest du hier in Portugal niemals ein Auto mieten. Es sei denn, du kommst ohnehin gern zu spät :)

LG
Tula
 

Lesmo

Mitglied
Erst nahmen sie uns den Negerkuss,
dann das Zigeunerschnitzel,
was nehmen sie als uns nächstes?

Den Führerschein?
 

anbas

Mitglied
Hallo Tula,

mir gefällt das Gedicht sowohl in der Lesart, dass hinter vielen Produkten aus der sog. Dritten Welt auch Dinge wie Despoten, Krieg, Unterdrückung aber auch Kinderarbeit, Umweltzerstörung usw. stehen. Aber auch die Lesart hinsichtlich der Kritik an der aus meiner Sicht gelegentlichen sehr großen Überempfindlichkeit, was bestimmte historisch gewachsenen Begriffe angeht.
Grundsätzlich finde ich es zwar gut, solche Begriffe oder Redewendungen zu hinterfragen (in meiner Kindheit (60iger/70iger Jahre) gab es noch die Redewendung, dass man etwas "bis zur Vergasung" ausprobiert, getan hat - hier bin ich heilfroh, dass diese furchtbare Phrase aus dem Sprachgebrauch verschwunden ist), aber man kann eben auch übers Ziel hinausschießen (s.a. hier: Hitler-Code auf dem Kinderkarussell ).

Daher habe ich dieses Gedicht wirklich gerne gelesen.

Liebe Grüße

Andreas
 

Tula

Mitglied
Hallo Andreas
Danke für deinen Kommentar und die Einsichten zum Thema. Die Sache mit den Redewendungen aus der NS-Zeit, da hast du vollkommen recht. Da sollte man darauf hinweisen, wenn sie jemand benutzt.
Das Beispiel aus Hamburg wiederum zeigt, dass manche, von 'niederen politischen und egoistischen Absichten' getrieben, gern über die Leichen anderer schreiten. Auf eine mögliche Fehlinterpretation des Nummernschildes hinzuweisen, mag ja angehen. Das restliche Verhalten des Politikers in dieser Handlung kann man nur als 'böswillig und verachtenswert' zusammenfassen. Er hätte eine Klage (und Strafe!!) wegen Verleumdung verdient. Das meine ich ernst. Die Existenz des Karusselbetreibers auf diese Weise zu bedrohen, ist für mich bereits kriminell. Pfui!!

LG
Tula
 



 
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