Ninchen?

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Ninchen?

Der Schnuffel, das ist ein Kaninchen. Schnuffel ist ziemlich klein und hat Schlappörchen, die aussehen wie die Hörner eines Widders. Deshalb wird er auch Zwergwidderkaninchen genannt – ein ganz schön langes Wort für so ein kleines Haustier. Schnuffel heißt Schnuffel, weil Melalie ihn so kuschelig und schnuffelig findet, dass er gar nicht anders heißen könnte.
Melalie ist ein Mädchen und bei dem wohnt der Schnuffel, glaubt jedenfalls Melalie. Der Schnuffel glaubt allerdings, dass Melalie bei ihm wohnt. Wer von den beiden Recht hat ist ganz schwer zu sagen.
Zu den Namen ist noch zu erklären, dass Melalie eigentlich Melanie heißt. Aber als sie klein war, da war der Name für sie noch zu schwer und sie hat immer Melalie gesagt und ihr kleiner Bruder Léon sagt auch immer Melalie, deshalb sagen das jetzt alle.

Eines Tages kommt Melalie zu ihrem Papa und ist ganz aufgeregt:
„Papa, mit dem Schnuffel stimmt was nicht!“
Papa liest gerade in der Zeitung, deshalb dauert es eine Weile bis er merkt was mit Melalie los ist.
Melalie drängelt und zupft an der Zeitung:
„Papa, der Schnuffel...“
„Was ist denn?“, Papa lässt die Zeitung sinken, „Hat er wieder Dein Spielzeug angeknabbert oder versteckt er sich unter Deinem Bett?“
Papa begreift wieder mal nix! Das ärgert Melalie und sie stampft mit dem Fuß auf:
„Nein, viel schlimmer!“
Endlich legt Papa die Zeitung ganz weg.
„Ist er etwa krank?“
„Nein...“, Melalie zögert, „jedenfalls nicht richtig“, sagt sie schließlich. „Aber er hat etwas wichtiges verloren.“
„So“, sagt Papa und Melalie ist sich nicht sicher, ob das eine Frage war oder nicht. Also sagt sie erst mal nix mehr. Papa guckt sie so mit großen Augen an und stellt dann endlich die richtige Frage:
„Was hat der Schnuffel denn so wichtiges verloren? Sonst verliert er doch immer nur seine Köttel...“
Ganz kurz ist Melalie sauer, weil Papa den Ernst der Lage nicht begreift, aber dann erklärt sie ihm doch das Problem:
„Der Schnuffel hat sein ‚Ka’ verloren!“
„Sein ‚Ka’?, fragt Papa und guckt dabei wie eine Schildkröte.
„Ja, sein ‚Ka’“, beharrt Melalie, „darum ist er jetzt kein Ka-ninchen mehr, sondern nur noch ein Ninchen!“
„Aha“, sagt Papa und sein Schildkrötengesicht geht langsam weg. „Und ist das denn schlimm?“
Melalie muss überlegen, weil sie das selber nicht so genau weiß, denn das ‚K’ hat sie gerade erst in der Schule neu gelernt, da kennt sie sich noch nicht so genau aus. Jedenfalls ist das ‚K’ keiner von den ganz wichtigen Buchstaben A, E, I, O, U, soviel steht fest. Wenn der Schnuffel davon welche verloren hätte, dann wäre er jetzt ja ein „Knnchn“ und das wäre ja schrecklich. Das hörte sich dann ja so an als ob man schlecht Luft bekäme, wenn man den Schnuffel rufen würde.
„Ich weiß auch nicht so genau ob das schlimm ist“, gibt Melalie schließlich zu, als sie sieht, dass Papa sie immer noch fragend anschaut. „Immerhin fehlt ihm ja jetzt der Anfang“, überlegt sie laut weiter und staunt gleichzeitig, weil ihr jetzt klar wird, dass der Schnuffel ja nicht nur sein K sondern gleich auch noch das a verloren hat. „Stell Dir mal vor Dir würde der Anfang fehlen und Du wärst plötzlich nur noch ein ‚Apa’ oder ein ‚Rank’“ – Melalies Papa heißt nämlich eigentlich Frank.
Papa grinst: „Das hört sich schon kompliziert an.“
Melalie findet, dass das Wort konzlipiert genau das ist, was es bedeutet.
„Und was können wir jetzt machen?“, fragt sie und ahnt schon Papas Antwort.
„Da fragst Du am besten morgen den Opa, der kennt sich doch mit Buchstaben so gut aus.“
Melalies Opa hat nämlich einen Buchladen und weiß tatsächlich auch auf komlipierzigste Fragen eine Antwort. Und wenn es sogar ihm zu knifflig wird, dann guckt er einfach in einem seiner vielen Bücher nach. Papa kann auch gut Sachen nachgucken, bei dem Google nämlich, im Internet. Melalie findet der Namen Google lustig, aber wenn Papa dem eine Frage stellt, dann kriegt Papa immer nur eine Antwort. Wenn Opa aber in seinen Büchern nachguckt, dann findet er nicht nur eine Antwort, sondern immer auch noch eine Geschichte dazu.
Am Abend, bevor Melalie schlafen gehen muss, kuschelt sie noch länger mit Schnuffel als sonst. Sie krault ihn an den Ohren, weil er das gern hat und sie tröstet ihn auch: „Mach Dir keine Sorgen Schnuffel, ich hab Dich auch lieb wenn Du jetzt nur noch ein Ninchen bist. Und Du musst bestimmt nicht lange ein Ninchen bleiben. Morgen bin ich beim Opa und der weiß bestimmt, wie Du Dein ‚Ka’ wieder kriegst“. Melalie redet immer mit Schnuffel, weil sie genau weiß, dass er alles versteht, auch wenn er nie was sagt. Ist ja auch klar, Kaninchen können ja auch in Echt nicht reden, das geht ja nur im Märchen oder im Film. Aber Schnuffel hört immer genau zu, das sieht Melalie daran, dass er immer ganz still sitzen bleibt. Und daran wie der Schnuffel dann mit seinen braunen Augen guckt sieht Melalie dann auch, dass er sie verstanden hat. So ist das auch an diesem Abend und nachdem Mama sie ins Bett gebracht hat, hört Melalie wie der Schnuffel im Dunkeln noch Heu knabbert und sich gar keine Sorgen macht. Dann schläft Melalie ein.

Am nächsten Tag dauert die Schule ziemlich lange, noch länger als sonst, obwohl es auch heute vier Stunden sind: Lesen, Rechnen, Schreiben und Musik. Musik macht Melalie sonst am liebsten, aber heute würde sie gerne schneller singen, aber davon würde die Musikstunde ja auch nicht kürzer. Blöd!
Als es dann endlich klingelt, schnappt Melalie sich ihren Tornister und ihre Jacke, wickelt sich ihren Schal um und stürmt auf den Schulhof. Es ist kalt, aber ihre Handschuhe zieht Melalie nicht an. Am Eingangstor steht nämlich schon Opa und winkt. Melalie läuft Opa in die Arme und der drückt sie zur Begrüßung. Dann nimmt er Melalie an die Hand und die beiden gehen los. Opas Buchladen ist ganz in der Nähe von der Schule und während Opa Melalie abholt verkauft Frau Petermann die Bücher alleine. Frau Petermann ist eine kleine dicke Frau mit grauen Haaren und Melalie findet es lustig, dass Frau Petermann Frau „Peter Mann“ heißt, obwohl sie doch eine Frau ist. Als Melalie Opa davon erzählt hat, da hat Opa ihr erzählt, dass es früher auch Jungs gab die Mädchennamen hatten, Rainer Maria oder Klaus Maria zum Beispiel. „Und für Frauen gibt es auch viele Namen, die eigentlich von einem Männernamen kommen“, hatte Opa weiter erklärt. Dann hatte er ein Buch geholt in dem ganz viele Namen standen und Opa hat Melalie alte Namen vorgelesen: Kunigunde, Hubertine, Auguste, Wilhelmine... Mit den Namen und allem, das ist schon ganz schön kompiziert, wenn man darüber nachdenkt, aber auch ganz schön lustig.
Eigentlich wollte Melalie mit ihrer Frage warten, bis sie mit Opa im Buchladen angekommen ist, aber wo sie jetzt schon mal über Namen und Wörter nachgedacht hat, platzt es doch schon auf dem Weg aus ihr heraus:
„Opa es ist was passiert“, fängt sie an und Opa schaut aufmerksam zu ihr nieder, „der Schnuffel hat sein ‚Ka’ verloren!“
„Hat sein ‚Ka’ verloren?“, wiederholt Opa erstaunt.
„Ja, stell Dir vor“, sagt Melalie und ist jetzt schon wieder ganz aufgeregt, „er ist jetzt nur noch ein Ninchen!“
Opa lässt Melalies Hand los, bleibt stehen und kramt in seiner Jackentasche. Dann holt er ein Stöckchen hervor und steckt es sich zwischen die Lippen. Melalie kennt das schon, weil Opa das immer macht, wenn er nachdenken will. Das Stöckchen ist Süßholz und darauf kaut Opa beim Nachdenken rum. Melalie durfte auch schon mal probieren, aber das mit dem Süßholz stimmte gar nicht, das schmeckte eher bitter. Auch so was, wo was heißt, wie man denkt, dass es wäre und dann ist es ganz anders. Melalie ist überzeugt, dass es zwei Sorten von Namen gibt: die, wo die Sachen oder die Leute so heißen wie sie sind, so wie Schnuffel oder „konpliziert“ und die, wo es eben nicht so ist, wie bei Frau Peter Mann oder bei Süßholz.
„Weißt Du denn, wie der Schnuffel sein ‚Ka’ verloren hat?“, fragt Opa.
Melalie überlegt. „Nö, ich habe nur auf einmal gemerkt, dass der Schnuffel ein Ninchen ist und dass da was fehlt. Ich war, glaube ich, gerade mit den Hausaufgaben fertig, als ich es gemerkt habe.“
„Hmm-hm“, brummt Opa und schiebt das Süßholz vom rechten in den linken Mundwinkel. „Was hattest Du denn auf?“
„Wir hatten einen neuen Buchstaben in der Schule, das ‚K’, dazu sollten wir Wörter überlegen und sie aufschreiben.“
„Ach so“, sagt Opa und sein Gesicht wird irgendwie ein bisschen heller, so als wäre irgendwo ein Licht angegangen. Mehr sagt Opa aber nicht, denn jetzt sind sie schon am Buchladen angekommen und gehen erst mal rein. Als sie die Türe aufmachen klingelt ein Glöckchen und schon kommt Frau Petermann angetrippelt:
„Hallo, da seid Ihr ja!“, ruft Frau Petermann mit einer Stimme, die sich so anhört, wie sich ein Fleece-Pulli anfühlt. „Wie war’s denn in der Schule?“ Melalie hat jetzt eigentlich keine Lust über die Schule zu erzählen, weil sie doch mit Opa weiter über das Schnuffel-Problem sprechen will. Zum Glück antwortet Opa auf Frau Petermanns Frage: „Frau Petermann, wir können jetzt leider nicht über die Schule plaudern, wir müssen nämlich ein dringendes Problem lösen! Der Schnuffel hat sein ‚Ka’ verloren!“
„Oh“, sagt Frau Petermann nur, hebt ihre kurzen dicken Arme und macht Melalie und Opa Platz. Die beiden gehen durch den Laden in Opas kleine Wohnung, die hinter dem Laden liegt. Nachdem sie ihre Jacken an die Garderobe gehängt und die Schuhe gegen Hausschuhe ausgetauscht haben, gehen sie in die Küche und Melalie setzt sich auf ihren Stammplatz auf der Eckbank. Opa setzt sich auf den Stuhl gegenüber.
„Ich habe schon eine Idee was passiert sein könnte“, sagt Opa verschwörerisch, „ich glaube Deine Hausaufgaben haben was mit der Sache zu tun.“
Melalie macht Schlitzaugen, in ihrem Kopf wirbeln Erstaunen und Überlegen durcheinander. „Was denn?“, fragt sie nach, weil Opa wieder mal nicht alles rausrücken will.
„Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ich muss erst noch in ein paar Büchern nachschlagen, aber ich habe schon einen genauen Plan: Als erstes essen wir jetzt, weil ich mit leerem Bauch nicht nachdenken kann. Dann, wenn Frau Petermann ihre Mittagspause hat und ich im Laden sein muss, sehe ich in ein paar Büchern nach und Du machst Deine Hausaufgaben und sobald Frau Petermann zurück ist, erzähle ich Dir was ich herausgefunden habe.“ Während Opa das gesagt hat, ist er aufgestanden und hat den Tisch gedeckt. Jetzt nimmt er den großen Topf vom Herd und schöpft Melalie Gemüsesuppe auf. Dann schneidet er von einem Laib Brot zwei dicke Scheiben ab und legt eine neben jeden Teller. „Guten Appetit“, sagt Opa und fängt an Suppe zu löffeln. Melalie hätte viel lieber erst das Schnuffel-Problem gelöst, statt zu essen, aber wenn Opa erst mal mit Essen beschäftigt ist, dann ist mit ihm ansonsten nichts anzufangen. Außerdem riecht die Suppe lecker und da merkt Melalie auf einmal, dass sie richtig Hunger hat. Nach dem Essen macht Opa sich einen Kaffee und holt Melalies Nachtisch aus dem Kühlschrank: „Tata“, ruft Opa, „Frau Wackelpetermann“ und zittert extra mit der Hand, damit der Wackelpeter auch schön wackelt. Prompt kommt aus Richtung Laden die Stimme von Frau Petermann: „Haben Sie mich gerufen?“
Melalie kichert „hihihi“ und Opa macht „höhöhö“. „Nein, Frau Petermann“, ruft er dann, „ich habe Sie nicht gerufen!“
Opa räumt die Suppenteller auf die Spüle und stellt Melalie den Wackelpudding hin. Dann schlürft er seinen Kaffee. Melalie lässt jedes Stück Wackelpeter auf ihrem Löffel wackeln, bevor sie es in den Mund steckt, so ist der Nachtisch doppelt gut. Um ein Uhr ruft Frau Petermann, dass sie dann jetzt geht und Opa muss in den Laden. Melalie macht Hausaufgaben: Päckchenrechnen und Tiere mit K aufschreiben und malen. Kakadu, Krokodil, Kuckuck, Känguru, Kolibri, Kaninchen.
Endlich ist Melalie mit allem fertig, da kommt Opa auch schon aus dem Laden:
„Ich habe alles gefunden was ich gesucht habe“, berichtet er stolz und legt einen Stapel Bücher auf den Küchentisch.
„In vielen Geschichten glauben die Leute sie hätten etwas verloren, aber dann haben sie es gar nicht verloren, sondern es wurde ihnen gestohlen oder es wurde unsichtbar oder jemand hatte es versteckt.“
„Typisch Opa“, denkt Melalie und freut sich, denn genau so soll es ja auch sein. Aber dann setzt Opa sich ihr gegenüber und will die Hausaufgaben kontrollieren.
„Och Opa, Opilein, bitte...“ drängelt und schmeichelt Melalie, weil sie von den doofen Hausaufgaben jetzt gar nix wissen will, sondern nur von den Geschichten, die Opa gefunden hat. Aber Opa lässt sich nicht erweichen. Murmelnd rechnet er die Mathepäckchen nach und kontrolliert anschließend die K-Tiere.
„Super!“, freut Opa sich, „alles richtig! Dann kannst Du Deine Schulsachen ja einpacken und ich kann Dir von den Geschichten erzählen, die ich gefunden habe.“ Melalie packt ihre Schulsachen blitz-zuck in ihre Tasche und sitzt Opa auch schon wieder gegenüber, kaum das der das erste Buch aufgeschlagen hat.
„Also, die Geschichte von Hänsel und Gretel kennst Du ja schon. Die haben nämlich ihren Weg aus dem Wald verloren. Man kann auch sagen, sie haben ihre Orientierung verloren, so heißt das. Und in der Geschichte vom Zauberer von Oz, da suchen fast alle was: ein Löwe sucht seinen Mut, ein Blechkamerad sucht sein Herz und eine Vogelscheuche aus Stroh sucht ihren Verstand. Da bin ich mir allerdings nicht ganz klar, ob sie die Dinge verloren haben oder ob sie die von Anfang an gar nicht hatten“, gibt Opa zu. „Die kleine Meerjungfrau verliert ihre Stimme. Na ja, so ganz stimmt das auch nicht, sie tauscht ihre Stimme nämlich gegen Beine.“
„Wie kann man den die Stimme gegen Beine tauschen?“, fragt Melalie neugierig, und Opa muss ihr die Geschichte von der kleinen Meerjungfrau vorlesen. Anschließend setzt Opa Milch auf und macht Melalie einen heißen Kakao und sich selber einen Tee. Dazu gibt es Schweineöhrchen, lecker! Während Melalie an den schokoladigen Ohrenspitzen knabbert, erzählt Opa ihr noch von Peter Pan. Der hat nämlich seinen Schatten verloren und eine gute Freundin muss ihn Peter Pan annähen, damit er ihn nicht wieder verliert.
„Jetzt aber mal zum Schnuffel“, sagt Opa dann. „Ich glaube, dass Du bei Deinen Hausaufgaben so viele Ks verbraucht hast, dass für den Schnuffel einfach keins mehr übrig war. Und weil das a mit dem K eine Silbe bildet, war nicht nur das „K“ weg, sondern das a gleich mit!“ Melalie überlegt. Wenn sie alle Süßigkeiten alleine futtert, dann bleibt für Léon auch nix übrig, das hat Mama ihr schon öfter erklärt. Lass auch was für Deinen kleinen Bruder übrig, sagt sie dann immer. Aber dass das auch mit Buchstaben gehen soll und nicht nur mit Schokolade, da wäre Melalie nie drauf gekommen.
„Bist Du Dir sicher Opa?“, fragt sie skeptisch. Opa guckt ein bisschen wie eine beleidigte Leberwurst.
„Na ja, weißt Du, ganz sicher kann man sich bei so komplizierten Problemen nie sein, aber es scheint mir doch recht plausibel.“
„Was ist denn pausibel?“, will Melalie wissen.
„Plausibel“, erklärt Opa, „das ist, wenn man etwas nicht genau weiß, wenn es aber gute Gründe dafür gibt. Wenn es zum Beispiel morgens stark geregnet hat und ich gehe mittags aus dem Haus, dann gibt es wahrscheinlich auf der Straße noch Pfützen. Solange ich nicht draußen war oder nach draußen geguckt habe, kann ich das mit den Pfützen natürlich nicht genau wissen, aber es ist plausibel das sie da sind. Verstehst Du?“
„Verstehe!“, sagt Melalie, hat aber noch eine dicke Querfalte auf der Stirn.
„Gut“, sagt Opa, „nehmen wir mal an ich habe Recht. Dann müssen wir jetzt nur noch rausfinden, wie der Schnuffel sein verbrauchtes Ka wieder zurückbekommt.“ Melalie folgt Opas Ausführungen aufmerksam, ihre Stirn ist immer noch ganz kraus, so nimmt das Problem sie gefangen.
„Wie bekommst Du denn Sachen zurück, wenn Du etwas verbraucht hast?“
Mit einer Frage hat Melalie nicht gerechnet. Sonst hat Opa immer schon eine Lösung parat, wenn er laut nachdenkt, nachdem er in viele Bücher geguckt hat.
„Mmh“, überlegt sie, „wenn die Schokolade verbraucht ist, müssen wir warten bis Mama neue kauft – kann man denn Kas kaufen?“, schießt es aus ihr heraus.
„Na ja, so richtig kaufen kann man Kas vielleicht nicht, aber vielleicht kann man etwas kaufen, woraus man Kas dann selber machen kann. Knetgummi zum Beispiel oder Bastelpappe.“
„Aber Opa, wie soll der Schnuffel sein Ka denn zurückkriegen, wenn wir es aus Knetgummi machen?“
„Eine gute Frage!“, lobt Opa. „Was war das eben mit der Schokolade? Mama kauft sie, aber wie kommst Du denn dann zu der Schokolade oder besser gefragt: wie kommt die Schokolade dann zu Dir?“
„Na, Mama gibt sie mir. Immer nur ein Riegel und einer für Léon.“ Vor lauter Gerede über Schokolade muss Melalie gleich noch einen großen Schluck von ihrem Kakao trinken.
„Ja, ja“, meint Opa grinsend, „aber was machst Du dann mit der Schokolade?“
„Mensch Opa, aufessen natürlich!“ Melalie schüttelt den Kopf, manchmal ist es doch erstaunlich, alles weiß ihr Opa, aber auf die einfachsten Sachen kommt er nicht.
„Aha“, ruft Opa und reckt seinen Zeigefinger in die Höhe. Doch dann lässt er ihn schnell wieder sinken. „Tja, dann muss der Schnuffel wohl das Knetgummi-Ka essen...“
„Opa!“ Melalie wird auf der Eckbank ganz wibbelig, „der Schnuffel frisst doch kein Knetgummi, das mag der doch gar nicht. Und wenn doch, dann darf der das gar nicht essen, weil er davon krank wird!“
Opa schlürft an seinem Tee und beißt dann in sein Schweineöhrchen. „Was mag der Schnuffel denn?“, fragt Opa ganz harmlos, aber Melalie hat jetzt längst bemerkt, dass Opa diese kleinen Fältchen an den Augen hat, so als müsste er sie vor zu viel Licht zusammenkneifen. So sieht er immer aus, wenn er doch schon eine Lösung weiß.
„Du weißt genau was der Schnuffel mag!“, sagt Melalie ein bisschen trotzig, weil sie es nicht gut findet, wenn Opa Sachen fragt die er eigentlich selber weiß.
„Na gut, Frau Naseweis, dann kennst Du aber doch selber die Lösung des Rätsels.“
„Wieso?“, Melalie ist unsicher.
„Also“, fängt Opa an, „Du hast bei den Hausaufgaben alle Kas verbraucht, auch das Ka vom Schnuffel. Wir haben weiter überlegt, dass wir dem Schnuffel deshalb ein neues Ka basteln müssen. Dieses Ka muss aus etwas gemacht sein, was der Schnuffel gerne mag, damit er es fressen kann. Und was könnten wir da nehmen?“
„Möhren!“, kommt es sofort.
„Möhren!“, bestätigt Opa und Melalie freut sich, weil sie mit Opas Hilfe das Problem gelöst hat. Opa steht vom Tisch auf und kramt im Schrank unter der Spüle. Da hat er so eine Art Mini-Speisekammer. Konservendosen stehen da, Einmachgläser, ein Eimer mit Kartoffeln und Zwiebeln und auf Zeitungspapier auf dem Boden liegt auch Gemüse. Opa zieht eine dicke Möhre hervor.
„Gut dass ich die heute nicht in die Suppe getan habe.“ Opa lacht. „Na, dann woll’n wir mal!“ Aus der Schublade holt Opa ein Küchenbrett, ein scharfes Messer und einen Sparschäler. Mit dem Messer schneidet er von der Möhre das Grün ab. Dann darf Melalie mit dem Sparschäler die Möhre schälen. Opa hat ihr schon längst gezeigt, wie man das macht und Melalie schält die Möhre wie ein alter Smutje. Vom dicken Ende der geschälten, leuchtend orangen Möhre schneidet Opa zwei Scheiben ab und legt sie auf das Brett.
„Das ‚K’ ist einfach“, stellt Opa fest, während er aus der ersten Möhrenscheibe ein Quadrat macht, indem er an allen vier Seiten etwas abschneidet. Dann schneidet er an drei Seiten ein Dreieck aus und auf dem Küchenbrett liegt ein leuchtend oranges „K“. Und weil Melalie das „A“ aus der Schule schon gut kennt, weiß sie auch, warum das schwerer zu schnitzen ist, als das „K“; bei dem „A“ muss man nämlich ein Dreieck aus der Mitte rausschneiden und das ist ein bisschen knifflig. Als Opa mit der zweiten Scheibe fertig ist, sieht das „A“ auch tatsächlich leicht krumm aus. Melalie guckt auf Opa und Opa guckt auf das krumme „A“, legt den Kopf schief und macht einen Mund wie ein Goldfisch. Dann guckt er so schief wie das „A“ zu Melalie rüber und beide fangen an zu lachen. Als sie sich wieder beruhigt haben, legt Opa das „K“ und das „A“ zusammen.
„Das ‚A’ ist zwar ein bisschen krumm, aber wir haben trotzdem ein richtig gutes Möhren-„KA“ gebastelt.
„Stimmt!“, bestätigt Melalie. Opa knabbert die abgeschnittenen Möhrenreste und sieht dabei tatsächlich ein ganz klein wenig wie der Schnuffel aus. Melalie schmunzelt und Opa denkt es wäre, weil sie das Problem gelöst haben. Dass Melalie denkt, dass er wie ein Kaninchen aussieht, merkt er nicht und das ist wohl auch besser so...
Über diese Gedanken hat Melalie gar nicht gemerkt, dass Papa gekommen ist.
„Hallo Papa, hallo mein Schatz!“, sagt Papa zur Begrüßung. Das hat damit zu tun, dass Opas manchmal die Papas von Papas sind – und weil Melalies Opa tatsächlich Papas Papa ist und nicht Mamas Papa, sagt Papa „Hallo Papa!“, wenn er Opa hallo sagt! Oh man, das ist aber wirklich konpliziert!!!

Opa steht auf und nimmt Papa in den Arm: „Hallo Junge, willst Du auch einen Tee?“
„Nein danke, ich muss mich beeilen, ich stehe nämlich mal wieder im Halteverbot. Wie sieht’s aus Memi, bist Du soweit?“ Melalie schaut zu Opa. Der beeilt sich einen Gefrierbeutel aus der Schublade zu kramen. Darein packt er das Möhren-„KA“ und gibt es Melalie, die es in ihre leere Butterbrotdose packt. Dann geht alles ganz schnell: Schuhe anziehen, Schal umbinden, Jacke an und Abmarsch durch den Laden. An der Ladentür verabschiedet Melalie sich von Opa. Opa drückt sie und flüstert ihr ins Ohr: „Heute Abend musst Du mich unbedingt noch anrufen und mir sagen, ob unser Plan funktioniert hat.“
„Klaro!“, sagt Melalie und dann geht sie mit dem nervösen Papa zum Auto, vergisst aber nicht noch mal zu winken. Opa winkt zurück und auch Frau Petermann, die jetzt neben Opa an der Ladentüre aufgetaucht ist, winkt.

Abends, der Buchladen ist schon längst geschlossen, klingelt das Telefon.
„Hallo Opa, hier ist Melalie!“, meldet Melalie sich aufgeregt, als Opa nach dem fünften Tuten endlich abgenommen hat.
„Und?“, fragt Opa.
„Es hat alles geklappt! Der Schnuffel hat das Möhren-„KA“ ganz schnell weggeknabbert und zack, war er wieder ein Kaninchen.“
„Siehst Du“, kommt Opas Stimme aus dem Hörer, „dann war unser Plan ja genau richtig.“
„Ja das schon“, Melalie klingt nicht so zufrieden wie Opa, „aber leider habe ich jetzt was verloren.“
„Ach je“, entfährt es Opa, „doch nicht etwa Dein „Me“!?
„Ne, viel schlimmer, meine Handschuhe!“
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
also,

in der länge ist es langweilig, nichts für aufgeweckte kinder. nach dem eindampfen hätt es mehr würze.
lg
 



 
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