No respect

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GerRey

Mitglied
Ich sitze bei mir in der Einfahrt; Dodelmusik aus dem Radio von links, während sie in der Sonne schmilzt und ihr Alter im Garten hinten bohrt, sägt, schleift - weiß der Teufel!

Einmal erzählte er mir stolz, dass er alle Maschinen habe, die man bräuchte, und ich wundere mich jetzt, dass er nicht (wie üblich) jeden zweiten Handgriff seiner Alten berichtet - schlaue Winkelzüge sind der Kitt jeder Beziehung. Obwohl er heute keine Angst haben müsste - sie ist kein Leckerbissen für Autobusfahrer mehr.

Ich trinke mein Dosenbier aus, bevor es warm wird. Dann zerdrücke ich die Dose und werfe sie, ohne die ausgestreckten und überkreuzten Beine vom gegenüberliegenden Sessel zu nehmen, im hohen Bogen in die offene Mülltonne, die zwei, drei Meter entfernt ist. Um Nachschub zu holen, ist der Durst noch nicht groß genug und der Kühlschrank in der Küche noch zu fern.

Plötzlich kommt die von rechts und ruft zu ihm nach links, über meinen Garten und den beiden dazwischenliegenden Zäunen hinweg:

“Fleißig!”

Jetzt gibt er von rechts detailliert Bericht nach links, lobt seine Maschinen und sagt:

“Ich muss das jetzt machen, damit ich fertig werde, weil am Sonntag haben wir eine Grillparty.”

“Wir auch ruft sie begeistert”, von rechts. “Dann brauche ich Dich nicht zu fragen, ob wir dich stören.”

Die haben Glück, dass ich keine Partys mehr feiere, denke ich; jetzt ist mir der Kühlschrank nicht mehr zu weit entfernt. Auf dem Weg kommt mir mein Schlagzeug von damals in den Sinn (bevor die Weiber abhauen, müssen die Schlagzeuge noch daran glauben). Schade, dass ich es nicht mehr habe! Diesen Sonntag wäre ein sehr guter Tag, um mit einem Schlagzeug an der Sonne im Garten zu proben!
 

GerRey

Mitglied
links, rechts gibt's Party, ob sie den in der Mitte stören, kümmert sie nicht ( “Dann brauche ich Dich nicht zu fragen, ob wir dich stören.” ) - no respect.

hätte er sein Schlagzeug noch, würde er sich in die Mitte zwischen die beiden Partys setzen und üben - no respect
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ahhhh ... kapiert, sorry, das war dumm. Ob gewollt, oder nicht, dann trifft es die politische Lage in diesem Land auf den Kopf.
 

Hera Klit

Mitglied
Ich fand, diesmal hast du recht transparent geschrieben, sodass mir die Situation gleich klar wurde.
Ich glaube, dass weniger oft mehr ist, trifft auch und gerade auf das Schreiben zu.
Dein Text hat mir gut gefallen.

Liebe Grüße
Hera
 

GerRey

Mitglied
@ Patrick Schuler

Danke für die Bewertung.

Dumm würde ich nicht sagen. Es gehört Selbstüberwindung dazu, nachzufragen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Politisch gesehen kann man mangelnden Respekt in alle Niederungen herabbrechen. Kein Respekt vor Frauen, Kindern, Behinderten - das könnte man endlos fortsetzen. Die Frage ist, warum können wir andere nicht so annehmen, wie sie sind? Auch wenn sie sich nicht von uns analysieren lassen wollen. Das ist oft schwierig, weil man da leicht an eigene Grenzen stößt. Ich dachte bisher auch immer: Wer keinen Respekt vor mir hat, vor dem muss ich auch keinen haben. Aber solche Kampfparolen reichen bei mir bis tief in die Jugend; mit Autoritäten hatte ich es nicht so - und da war ich sicher nicht alleine., damals war das Ausdruck der Jugend. Trotzdem läuft uns immer wieder wer über den Weg, der uns auf ein Neues belehrt ...



@ Hera Klit

Danke für die Bewertung.

Es stimmt, "Weniger ist mehr" ist ein Grundsatz in der Literatur; ein weiterer wäre, Texte auf einige Wochen ruhen zu lassen, bevor man sie überarbeitet. Aber gehalten habe ich mich selten daran (Autoritätsproblem). Wenn ich in der Schule Aufsätze schreiben musste, strickte ich eine halbe Stunde in Gedanken an einer Geschichte - sobald die Eckpunkte passten, ging es los. Ich schrieb wie der Böse, um rechtzeitig fertig zu werden (Aussage des Lehrers, ich sei nicht in der Schule, um eigene Schriftcharakteristika zu stilisieren). Aber die Storys gefielen ihm manchmal so gut, dass er sie auch in anderen Klassen vorlesen ließ. - Jetzt packe ich halt all das in die Texte, was ich früher aus Zeitmangel weglassen musste.

Vielleicht sollte ich mehr unter Zeitdruck schreiben?

Mir geht es eigentlich nicht so sehr um das Schreiben, das für mich eher ein Werkzeug als ein Handwerk ist. Ich experimentiere gerne, und die Experimentierfelder sind Surrealismus, Dada und Expressionismus.

Natürlich freut es mich, dass Dir der Text gefallen hat. Ich werde mich weiter bemühen ... (aber mich bitte nicht beim Wort zu nehmen!).

Gruß

GerRey
 

onivido

Mitglied
Abartig! Wie kann jemand Bier aus der Dose trinken? Kein Wunder, dass ihn Parties stoeren.
Gruesse///Onivido
 

anbas

Mitglied
Schlagzeug üben würde in dem Fall als "Notwehr" durchgehen...

Gefällt mir ausgesprochen gut (sowohl inhaltlich als auch von der Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird).

Liebe Grüße

Andreas
 

GerRey

Mitglied
Danke für die Bewertung, Andreas.

Nun, ich ging außer Haus, und als ich zurückkehrte, warf ich ihnen die Kinderbälle, die beim Spielen ihrer Gäste in meinen Garten gefallen waren, über den Zaun zurück.

Gruß

GerRey
 



 
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