(Noch ohne Titel)

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Bunzel

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Nehmen wir an, es stinkt. Es stinkt gerade richtig. Von irgendwo kommt Schwefel – in einem Gemisch mit Buttersäure, menschlich-tierischen Ausdünstungen und Reste von Ausscheidungen, die die behaarten Matrosen in irgendwelchen Ecken vergessen hatten. Und die Matrosen waren wirklich sehr behaart. Als nur wenige Sekunden ein bisschen Brise durch die Glocke aus ekelerregenden Gerüchen drang und ihr Riechorgan berührte, änderte sich ihre gesamte Wahrnehmung für eine kurze Zeit. Man könnte fast von einem nur kurz anhaltenden Sauerstoffrausch sprechen, sofern etwas derartiges existiert. Wie als ob man kurz vom unendlichen Glück in Person am Finger gezogen würde. Nur – wie es immer so ist – ist etwas derartiges nur von kurzer Dauer, um gleich danach von der Faust des Unglücks zu braun-grünen Überresten der unwiederbringlichen Schönheit zermalmt zu werden. Als sich ein Fleischberg an ihr vorrüberwälzt unterdrückt sie ein Würgen. Zwanzig Stunden noch – so der Kapitän. Üblich ist es allerdings, dass Industrieschiffe wie dieses zu spät kommen. Weil der Steuermann betrunken war – oder in eine Schlägerei verwickelt wurde. Vielleicht würde es sogar wieder eine Meuterei geben. Vor zwei Stunden war der letzte Kapitän erst gekreuzigt worden. Dieser hatte es gerade zwei Wochen ausgehalten, hatte man ihr erzählt - allerdings besaßen die Matrosen kein sonderlich gutes Gedächtnis. Vom Gehirn ganz zu schweigen. Wahrscheinlich kannten sie nicht einmal den Unterschied zischen Wochen, Monaten und Jahren. Von dem vorhin erwähnten Luftzug aus dem Trance geweckt, quälte sie sich über klebrige Treppen in Richtung des einzigen wirklich erträglichen Ortes – in die Richtung der Reling. Nach einigen unendlich erscheinenden Minuten, in denen sie sich qualvoll über schiefe Treppenstufen, durch endlose, stählerne Gänge und nach Schmieröl stinkende Maschinenräume geschleppt hatte und sie an dem die Klappe zum Deck verschließenden Rad gezerrt hatte, bis ihre Muskeln brannten und es sich schließlich öffnete fiel ihr wieder ein, warum sie sich unter Deck aufgehalten hatte. Der schneidende Wind voll Gischttropfen, der ihr mit geballter Faust wie ein Schwarm Eissplitter ins Gesicht schlug brachte sie dem Versuch nahe, sich zurück unter Deck zu begeben. Da sie eine eben gefällte Entscheidung hätte revidieren müssen, entschied sie sich jedoch dazu, ihre Existenz wenigstens noch eine kurze Weile auf dem Deck zu fristen. Weil sie sonst von dem starken Wellengang unkontrolliert hin und her geworfen worden wäre musste sie sich zwangsläufig an der Reling oder einem anderen fest am Schiffsboden verankerten Instrument festhalten. Bevor sie aber die Entscheidung fällen konnte, welcher Ort der bestmögliche, sicherste und nebenbei noch geschützteste Ort auf dem Deck ist, verlor sie jedoch bereits den Boden unter den Füßen um von einer unsichtbaren Kraft geschleudert
quer über das Deck zu fliegen. Nach wenigen Sekunden hatte sie die Anzahl Sterne, die ihren Kopf im Zuge des Aufpralls umkreisten schon wieder vergessen. Ihren Erzählungen konnte ich entnehmen, das es viele waren.
Benommen hangelte sie sich an der Metallenen Deckbegrenzung nach oben – für einen Außenstehenden hätte es sicher sehr theatralisch ausgesehen - , um sich zu fragen, worauf sie eigentlich stand. Auf dem Deck? Hatte sie sich am Deck hochgezogen, um nun auf der Reling zu stehen? Als sie nach unten blickte befand sich in weiter Entfernung unter ihren Füßen Wasser. Gleich darauf spürte sie sich selbst fallen, den Wind schneidender als je zuvor. Als sie die Augen wieder aufschlug hing sie wiederum über der Reling und spie ihren Mageninhalt aus, sah ihm nach, wie er etliche Meter bis in die aufgewühlten Wellen segelte, wo er schließlich kaum erkennbar eintauchte. Sie empfand Mitleid mit ihrem ehemaligen Mageninhalt. Dennoch hätte sie niemals die Rolle mit ihm tauschen wollen - sie war beinahe dankbar dafür, dass er gefallen war und nicht sie, so, wie sie es sich in der Benommenheit nach dem Sturz eingebildet hatte. Voll Schadenfreude und Verzweiflung gab sie ihrem aufschreiendem Selbstbewusstsein das Versprechen, von der Insel, die sie zu bereisen suchte, nie wieder in ihre Heimat zurückzukehren, jedenfalls nicht mit diesem Schiff, dem einzigen, das jene Insel anzusteuern pflegte. Auch wenn es dort Langweilig sein sollte. Oder gefährlich. Das einzige, das sie gewollt hatte war nicht mit diesem Strom zu schwimmen, den die Stadtbevölkerung jedes Jahr einschlug. Nur noch am äußersten Rand der bekannten Territorien gab es ein paar totgeschwiegene Punkte. Ja, es gab wenige Leute die dorthin aufbrachen, einige kehrten sogar zurück. Bemitleidenswerter Weise waren diese Leute allerdings entweder schon tot – oder aber zu alt – zu dement – um von ihren Erlebnissen in dieser ungewöhnlichen, fremden und weit entfernten Welt zu berichten.
Wenn man an dem Punkt angekommen ist, an dem es einem egal ist, ob man im Urlaub Sandstrände, Gebirge oder Eiswüsten vorfindet, sondern auf der Suche nach dem Gefühl ist, an einem Ort gewesen zu sein, der etwas besonderes ist. Der dem Reisenden das letzte Kribbeln im Bauch verspüren lässt, wohl das, das die Entdecker auch verspürt haben mussten, wenn die Rede von „Land in Sicht“ war. Dann war man kein Produkt mehr, das nach von Reisekonzernen vorgeschriebenen Urlaubsideen strebte. Man war – wie sie es eben auch zu sein meinte – ein Individuum, das danach strebte seine Welt als ganzes zu erfassen – als Schöpfung – und nicht als Mosaik aus zusammengefügten Blättern eines Reisekataloges oder aus Schulbuchseiten, die über die Existenz des Mosaiks berichten, den unwissenden Betrachter jedoch nichts weiter sehen lassen als einen Haufen kleiner, bunter Steine – nicht als Bild mit einer unglaublichen Menge an Facetten, als Kunstwerk, als – wie bereits treffend bezeichnet – Schöpfung.
Sie hatte es satt gehabt, mit Taschentücher-wedelnden, schluchzenden Müttern, Großmüttern, Tanten, Schwestern, Nachbarn und Putzfrauen – der Reisenden noch „Lebe wohl“, „Viel Glück“, „Pass auf dich auf“ oder tausend feuchte Kusshände hinterherwerfend - monströse Verabschiedungsorgien zu veranstalten. Alleine dieser Gedanke brachte sie zur Rage. Sieht man Menschen, die man einmal kannte, nicht wieder, so sieht man sich nicht wieder. Das ist eine Tatsache. Und wenn die Lenkung der Welt, des Schicksals und der Existenz (und natürlich der Nichtexistenz) etwas anderes vorsah, dann war dies auch beabsichtigt. Wenn man diesen Erkenntnisstand erreicht hatte war man schließlich über derartige Gefühle erhaben. Sie hatte auf ihren Fußwegen durch die ätzend langweiligen Flachländer ihrer Heimat in Richtung Hafen genug Zeit gehabt, um sich derartige Punkte durch den Kopf gehen zu lassen. Sie hatte auch mit einem Bauern gesprochen, der sie einige Stunden auf seinem Yoih mitgenommen hatte. Er teilte ihre Ansichten wiederum überhaupt nicht. Vermutlich hatte er nicht einmal verstanden, was sie ihm da erklärte. Zum Beispiel, die Feststellung, das Heimweh pure Menschliche Einbildung ist. Das Heim ist ein Ort und der einzige Ort, an den wir gebunden sind. Und dieser Ort ist alles. Denn wir sind nur an den Ort gebunden, an dem wir uns gerade in diesem Moment befinden, denn niemand anderes kann genau an diesem Ort sein. Aber wer beginnt zu begreifen, das nicht ein paar Quadratmeter oder ein paar Quadratkilometer unser Zuhause sind, sondern die gesamte für uns unbegreifliche Existenz und wir uns in dieser Existenz überall aufhalten können, wo wir wollen, ist es überflüssig, sich ein Zuhause einzubilden. Sie war ausgesprochen stolz über die Erkenntnisse, die sie gemacht hatte. Ein anderer Mensch, mit dem sie darüber gesprochen hatte, hatte sie gewarnt, das sie jede einzelne Feststellung von allen Seiten in Frage stellen solle, bevor sie sie endgültig als Erkenntnis darstellte. Doch das hatte sie getan. Dachte sie.

Ein weiteres mal öffnete sie ihre Augen. Erst jetzt bemerkte sie, wie schwach sie eigentlich geworden war – durch die Strapazen ihrer Reise. Ihre Gedanken hatten sie davon getragen – die Extremität der äußeren Bedingungen ausgeblendet, um wenigstens ein paar Minuten in der Hölle auf Erden Ruhe zu finden. Scheinbar war es ihr für ein paar Minuten gelungen. Nun zitterten ihre Hände und ihre einfache, aber warme Bekleidung war bis auf die Knochen nass. Wieder versuchte sie nun einen Weg zu finden, diesmal wieder weg – in die auf einmal so willkommen scheinende Wärme, des üblen inneren der Fabrik in Schiffsform. Sich an der Reling entlangtastend bewegte sie sich auf dem schwankenden Schiffsboden vorsichtig in die von ihr als richtig anerkannte Richtung, unterdrückte einen Würgreiz, sammelte etwas Regenwasser in ihren schalenförmig zusammengelegten Händen, um das Wasser zum Mund zu führen und letzte Geschmacksbestandteile des Erbrochenen in ihrem Mund zu entfernen. Nach einigen Minuten des Herumirrens auf dem Deck fand sie die Verschlusstür, öffnete sie, strich sich ihre dunkelbraunen, ungewaschenen und schulterlangen Haare aus dem Gesicht und tauchte wieder ein in das Geruchsgemisch aus Schwefel- und Buttersäure, dem abgestandenen Schweißgeruch und irgendetwas, das wie Parfum roch. Nein, nach Parfum roch es nicht.
Ihre Einbildung hatte dem widerwärtigem Geruch des Schiffsinnern nur eine süßliche Note gegeben.Vielleicht aus Sehnsucht nach dem inneren Frieden, den sie auf ihrer Reise zu finden hoffte.
 

wirena

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Hallo Bunzel

„Nehmen wir an es stinkt.....“ diese Worte haben mich mitgenommen – Ein gelungener Beginn Deiner titellosen Märchenfantasy, und ich habe den Impuls, der für Dich wiederum ein Impuls sein möge, meine Gedanken für einen Titel, der mir spontan in den Sinn kam, mitzuteilen:


Die Essenz Deines Textes empfinde ich in den beiden Wörtern „Duft“ und „Not“.

Titelvorschlag: „Duftnoten“ –

Meine Gedanken/Assoziationen/Empfindungen dazu:
die im Text beschriebenen Düfte und Nöte, wie auch die andere Seite der „Medaille“, Wohlgeruch/Wohlbefinden/Musik - sind im Wort „Duftnoten“ enthalten, und die Ironie, in diesem Zusammenhang, so mein Erleben, neutralisiert/eint die Gegensätze.

Lg
wirena
 

EnyaSK

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Hallo Bunzel,

wenn Du ein paar lesefreundliche Absäze einbauen könntest, würden sicher mehr Leser den Text bis zum Ende durchhalten. Das ist das erste, was mir zu Deinem Text einfällt. Du musst immer eines im Kopf behalten, wenn Du nicht nur für Dich selbst schreibst. Nämlich Deinen Leser. Er will sich nicht die Augen verbiegen, um Deinem Text folgen zu können. Absätze sind eines der wichtigsten Mittel in der Schreiberei.
Als Zweites kann ich den Fantasy- oder Märchenteil Deiner Geschichte kaum erahnen. Der Text hätte in jedes beliebige Genre gepasst, weil er eben so nichts ist. Nicht Fantasy, nicht Märchen, keine Kindergeschichte oder Historical. Deswegen denke, ich, dass Du noch viel mehr dran arbeiten müsstest. So wie es ist, klingt es eher nach einem x-beliebigen Ausschnitt aus einem längeren Manuskript unbekannten Genres. Du beschreibst weder die Welt, in der sich Deine Protagonistin befindet, noch irgendwelche Kreaturen, die man dem Genre Fantasy zuordnen könnte. Auch bleibt mir der Sinn Deiner Geschichte verschlossen. Man erfährt eigentlich gar nichts. Ausser, dass es stinkt.
Auch dass Du dir keinen Titel hast einfallen lassen, zeigt, wie wenig Dir selbst diese Geschichte sagt. Wenn Du einem Verlag ein Manuskript ohne Arbeitstitel schickst, wird der Lektor Dein Manuskript ungelesen in die Ablage Rund tun. Dass der Titel meist später verändert wird, ändert nichts an der Tatsache, dass der Titel wichtig ist. Stell Dir vor, Du bekommst ein Kind und Du gibst ihm keinen Namen. Man würde es zu Recht als lieblos von Dir empfinden. So ähnlich ist es mit Autoren und ihren Texten. Jeder noch so kleine Text von Dir ist Dein "Baby" und verdient einen Namen.
LG
Enya
 

Bunzel

Mitglied
Der Text ist durchaus als Teil eines größeren ganzen zu sehen - was auch der Grund war, warum ich vorerst auf einen Titel verzichtet habe.
Trotzdem schönen dank für deine Gedanken über den Titel, Wirena!

Das Absatzproblem war mir nicht bewusst, da das der erste längere Text ist, den ich geschrieben habe. Ich werde nochmal drüberschauen und Absätze einbauen, sobald mir die entsprechende Zeit gegeben ist.

Der Fantasy- und Märchenanteil ist von daher kaum zu erahnen, da ich bis jetzt mehr Wert darauf legte, die Gedankenwelt der Protagonistin darzustellen, da das meiner Meinung für die Geschichte von Vorteil ist - die Motive, die ich darin zu verpacken gesucht habe waren das unbändige Fernweh, das mich selbst desöfteren packt, und das Rebellische, das "Schwimmen gegen den Strom" sozusagen.
Wenn das nicht angekommen ist, ist das allerdings ein dringender Grund, den Text großflächig zu überarbeiten.

Um den Charakter als in sich geschlossene Kurzgeschichte allerdings vorerst zu wahren, werde ich mich intensiver mit der Findung eines geeigneten Namens beschäftigen.

Danke übrigens für den Feedback.

LG,

Bunzel
 

EnyaSK

Mitglied
Hallo Bunzel,

darf man fragen, um was für ein Projekt es sich denn handelt? Soll es ein Buchmanuskript werden?
Wenn Du einen Ausschnitt aus einem Buchmanuskript hier rein stellst, wäre es vielleicht für den Leser wichtig zu wissen. Für das Einstellen von Fortsetzungen gibt es ein spezielles Verfahren hier. Allerdings wäre es dann besser, vom Anfang der Story zu beginnen und einen Klappentext voranzusetzen. Wenn Du nur diesen Ausschnitt mal so einstellen wolltest, ist das ein bißchen unglücklich. Besser wäre dann, eine eigenständige kurze Geschichte zu schreiben. Denk immer dran, Du weißt vielleicht die ganzen wichtigen Hintergründe Deines Textauschnittes und ihrer Protagonistin, doch Deine Leser hier haben diese Informationen nicht. So können sie mit dem Text halt wenig anfangen.

LG
Enya
 

Bunzel

Mitglied
Möglicherweise wird es einmal ein Buchmanuskript sein, ich bin mir da allerdings noch nicht sicher, da das Feedback eher mäßig ausgefallen ist.
Wenn es aus einem Manuskript ist, dann steht es definitiv an dessen Anfang. Und ich persönlich weiß auch nicht mehr über die Protagonistin, als der Leser im Moment. Wie gesagt kam es mir vorallem auf das "innere Aussehen" an.

Was man schon über sie weiß sind einige wenige Merkmale über das Aussehen und das sie aus dem ländlichen, kontinentalen Flachland kommt. Mehr war für den Moment meiner Meinung nach nicht von Bedeutung, eher, warum sie sich freiwillig in eine derartige (stinkende) Hölle begeben hat.

Vielleicht hängt das damit zusammen, das ich - wenn ich etwas schreibe - nicht vorher großflächig plane, sondern eher willkürlich arbeite. Vielleicht nahe dem Verfahren der Ecriture Automatique, falls dir das etwas sagt.

Genau deswegen bin ich im Moment kaum im Stande, einen Klappentext zu schreiben, da ich selbst nicht weiß, woraus das ganze hinausläuft. Ich bevorzuge da, mich selbst zu überraschen.

Aber - wie gesagt - wenn diese Art Experiment gescheitert ist, werde ich meine Arbeitsweisen grundliegend überdenken oder das schreiben einfach lassen.
 

EnyaSK

Mitglied
Warum das Schreiben lassen? Wenn Dir das Schreiben am Herzen liegt, dann versuche einfach, Dich zu üben und zu lernen, wie wir es alle tun müssen. Keiner setzt sich hin und schreibt mal eben so einen Bestseller. Es gibt zwar Erstlingswerke, die zu Bestsellern werden, aber kaum einer scheint zu wissen, dass die betreffenden Autoren vorher zig Werke erfolglos an Verlage geschickt haben und nur Absagen erhielten. Sie haben dann immer weiter versucht und sich dadurch ständig gebessert, bis sie endlich Erfolg hatten. Und auch, wenn man als "normaler" armer Poet nur wenig oder gar keinen Erfolg hat, so schreibt man doch auch um der Freude willen, oder nicht? Wer nur mit der Motivation schreibt, einen Bestseller zu produzieren und reich zu werden, der wird scheitern.
Ich arbeite übrigens auch so, dass ich kein komplettes Manuskriptkonzept vorher ausarbeite und dann anfange zu schreiben. Doch ein wenig solltest Du dir schon Gedanken über die Story machen, die Du schreiben willst. Ich habe meist irgendeine Idee, die mir irgendwann irgendwo spontan einfällt. Ich notiere mir alles, was mir einfällt und lass es die nächsten Tage, manchmal auch Wochen, arbeiten. So spinnt sich die Idee in meinem Kopf weiter und ich notiere wirklich alles, was mir in den Sinn kommt (streichen kann man hinterher immer noch, was man verwirft). Wenn ich einen roten Faden entwickelt habe, schreibe ich los. Während ich schreibe, entwickle ich weiter, was dazu führen kann, dass meine Figuren ein Eigenleben bekommen und die ursprüngliche Idee teilweise verändert wird. Doch nicht immer :)
Ich habe immer mehrere Projekte, an denen ich gleichzeitig arbeite, wenn ich grad keine Lust oder keine Ideen für Projekt A habe, dann vielleicht für B oder C. So umgehe ich Schreibblockaden. Was mein momentanes Hauptprojekt ist, bestimmt sich dann dadurch, was meine Agentur in Absprache mit interessierten Verlagen mir sagt. Wenn ein Vertrag für ein Projekt zu stande gekommen ist, muss ich da natürlich gewisse Abgabezeiten einhalten und somit an dem jeweiligen Projekt in erster Linie arbeiten.
So arbeite ich halt. Ein jeder hat da so seine eigenen Arbeitsweisen, aber die findet man mit der Zeit.
Wenn Du mehr lernen willst, kann ich Dir die Axel Andersson Akademie empfehlen
http://www.schule-des-schreibens.de/
Die sind sehr gut und man lernt eine Menge. Kenne einige Autoren, die dort im Fernstudium gelernt haben.
Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig weiter helfen und Mut machen, weiter zu schreiben.
LG
Enya
 

Bunzel

Mitglied
Ich weiß nicht.
Dieses Gespräch geradeeben ist etwas aus dem Ruder gelaufen.
Was ich dir mit meinen Beiträgen sagen wollte, war, dass du die Kategorie, in die ich den Text gesetzt habe kritisiert hast, ebenso wie den fehlenden Titel und den kleinsten Teil, um mir zu sagen, das du keine Aussage in der Geschichte siehst.
Das du das, was ich zu vermitteln versucht habe, nicht erkennen konntest habe ich als meinen Fehler akzeptiert und nehme ich die selbstverständlich nicht übel.
Mich verwundert nur, das du dich an mehr oder weniger großen "Belanglosigkeiten" aufhälst, da meiner Meinung nach der Titel, die Kategorie und die Tatsache, das ich nicht vorhabe, noch sonderlich viel mehr Prosatexte zu verfassen als Feedback recht wenig ins Gewicht fallen, da mich mehr interessierte, ob dich der Text im großen und ganzen anspricht, was du von dem Stil und der Wortwahl hälst, ob sich das ganze für einen Außenstehenden halbwegs flüssig lesen lässt und ob die Art und Weise, mit der ich die Hauptfigur charakterisierte verständlich ist.
Ich würde es bevorzugen, wenn auf der Leselupe Bewertungen nur in Verbingung mit einem Kommentar zugelassen wäre, da ich im Moment nur auf den Sachbestand blicke, das dieser Text für unterdurchschnittlich gehalten wird (was ich akzeptiere, da ich persönlich von meinem Text ebenfalls nicht sonderlich angetan bin, dennoch an einem ehrlichen und konstruktiven Feedback interessiert war), und auf einige wenige Kommentare, die Textform, Genreeinordnung, Titel und Aussage betreffen.

Verstehst du, worauf ich hinaus will?
 

Bunzel

Mitglied
Suchen.

Nehmen wir an, es stinkt. Es stinkt gerade richtig. Von irgendwo kommt Schwefel.
In einem Gemisch mit Buttersäure, menschlich-tierischen Ausdünstungen und Reste von
Ausscheidungen, die die behaarten Matrosen in irgendwelchen Ecken vergessen hatten.
Und die Matrosen waren wirklich sehr behaart. Als nur wenige Sekunden ein bisschen Brise durch die Glocke aus ekelerregenden Gerüchen drang und ihr Riechorgan berührte, änderte sich ihre gesamte Wahrnehmung für eine kurze Zeit.
Man könnte fast von einem nur kurz anhaltenden Sauerstoffrausch sprechen, sofern etwas derartiges existiert.
Wie als ob man kurz von der Schicksalsgöttin selbst am Finger gezogen würde.
Nur – wie es immer so ist – ist etwas derartiges nur von kurzer Dauer, um gleich danach von der Faust des Unglücks zu braun-grünen Überresten der unwiederbringlichen Schönheit zermalmt zu werden.
Als sich ein Fleischberg an ihr vorrüberwälzte unterdrückte sie ein Würgen. Zwanzig Stunden noch – so der Kapitän.
Üblich war es allerdings, dass Industrieschiffe wie dieses mit extremer Verspätung ankamen. Weil der Steuermann besoffen war, oder in eine Schlägerei verwickelt wurde.
Vielleicht würde es sogar wieder eine Meuterei geben. Vor zwei Stunden war der letzte Kapitän erst gekreuzigt worden. Dieser hatte es gerade zwei Wochen ausgehalten, hatte man ihr erzählt - allerdings besaßen die Matrosen kein sonderlich gutes Gedächtnis. Vom Gehirn ganz zu schweigen. Wahrscheinlich kannten sie nicht einmal den Unterschied zischen Wochen, Monaten und Jahren. Von dem vorhin erwähnten Luftzug aus dem Trance geweckt, quälte sie sich über klebrige Treppen in Richtung des einzigen wirklich erträglichen Ortes – in die Richtung der Reling.
Nach einigen unendlich erscheinenden Minuten, in denen sie sich qualvoll über schiefe Treppenstufen, durch endlose, stählerne Gänge und nach Schmieröl stinkende Maschinenräume geschleppt hatte und sie an dem die Klappe zum Deck verschließenden Rad gezerrt hatte, bis ihre Muskeln brannten und es sich schließlich öffnete, fiel ihr wieder ein, warum sie sich unter Deck aufgehalten hatte.
Der schneidende Wind voll Gischttropfen, der ihr mit geballter Faust wie ein Schwarm Eissplitter ins Gesicht schlug brachte sie dem Versuch nahe, sich zurück unter Deck zu begeben.
Sie mochte nicht, gefälllte Entscheidungen zurück zu nehmen. Eine Weile würde sie es hier oben aushalten.
Weil sie sonst von dem starken Wellengang unkontrolliert hin und her geworfen worden wäre musste sie sich zwangsläufig an der Reling oder einem anderen fest am Schiffsboden verankerten Instrument festhalten.
Bevor sie aber die Entscheidung fällen konnte, welcher Ort der bestmögliche, sicherste und nebenbei noch geschützteste Ort auf dem Deck ist, verlor sie jedoch bereits den Boden unter den Füßen um wie von einer unsichtbaren Kraft geschleudert quer über das Deck zu fliegen.
Nach wenigen Sekunden hatte sie die Anzahl Sterne, die ihren Kopf im Zuge des Aufpralls umkreisten schon wieder vergessen.
Es waren viele Sterne. Und rote Flecken, überall, in ihrem Blickfeld.
Benommen hangelte sie sich an der metallenen Deckbegrenzung nach oben – für einen Außenstehenden hätte es sicher sehr theatralisch ausgesehen - , um sich zu fragen, worauf sie eigentlich stand. Ihr Orientierungssinn war offensichtlich durch den Sturz außer Kontrolle geraten.
War sie auf dem Deck? Hatte sie sich am Deck hochgezogen, um nun auf der Reling zu stehen?
Als sie nach unten blickte befand sich in weiter Entfernung unter ihren Füßen Wasser.
Sie spürte sie sich fallen, den Wind schneidender als je zuvor, noch immer rote Flecken, überall in ihrem Blickfeld. In Panik kniff sie die Augen zusammen. Wie in einem schlechten Traum.
Oder wie als sie den „Trank der ewigen Jugend“, den ein alter Händler ihr auf dem Weg angedreht hatte, getrunken hatte. Das ganze war aber eher halluzinogener Hokuspokus.
Da waren die roten Formen auch überall gewesen. Und hatten sie angegriffen.
Als sie die Augen wieder aufschlug hing sie wiederum über der Reling und spie ihren Mageninhalt aus, sah ihm nach, wie er etliche Meter bis in die aufgewühlten Wellen segelte, wo er schließlich kaum erkennbar eintauchte.
Sie empfand Mitleid mit ihrem ehemaligen Mageninhalt.
Dennoch hätte sie niemals die Rolle mit ihm tauschen wollen. Sie war beinahe dankbar dafür, dass er gefallen war und nicht sie, so, wie sie es sich in der Benommenheit nach dem Sturz eingebildet hatte.
Voll Schadenfreude und Verzweiflung gab sie ihrem aufschreiendem Selbstbewusstsein das Versprechen, von der Insel, die sie zu bereisen suchte, nie wieder in ihre Heimat zurückzukehren, jedenfalls nicht mit diesem Schiff, dem einzigen, das jene Insel anzusteuern pflegte.
Auch wenn es dort langweilig sein sollte. Oder gefährlich. Das einzige, das sie gewollt hatte war nicht mit diesem Strom zu schwimmen, den die Stadtbevölkerung jedes Jahr einschlug.
Nur noch am äußersten Rand der bereisenswerten Territorien gab es ein paar totgeschwiegene Punkte. Ja, es gab wenige Leute die dorthin aufbrachen, einige kehrten sogar zurück. Bemitleidenswerter Weise waren diese Leute allerdings entweder schon tot – oder aber zu alt – zu dement – um von ihren Erlebnissen in dieser ungewöhnlichen, fremden und weit entfernten Welt zu berichten.
Wenn man an dem Punkt angekommen ist, an dem es einem egal ist, ob man im Urlaub Sandstrände, Gebirge oder Eiswüsten vorfindet, sondern auf der Suche nach dem Gefühl ist, an einem Ort gewesen zu sein, der etwas besonderes ist.
Der dem Reisenden das letzte Kribbeln im Bauch verspüren lässt, wohl das, das die Entdecker auch verspürt haben mussten, wenn die Rede von „Land in Sicht“ war. Dann war man kein Produkt mehr, das nach von Reisekonzernen vorgeschriebenen Urlaubsideen strebte. Man war – wie sie es eben auch zu sein meinte – ein Individuum, das danach strebte seine Welt als ganzes zu erfassen – als Schöpfung – und nicht als Mosaik aus zusammengefügten Blättern eines Reisekataloges oder aus Schulbuchseiten, die über die Existenz des Mosaiks berichten, den unwissenden Betrachter jedoch nichts weiter sehen ließen als einen Haufen kleiner, bunter Steine – nicht als Bild mit einer unglaublichen Menge an Facetten, als Kunstwerk, als – wie bereits treffend bezeichnet – Schöpfung.
Ihre eigenen Gedanken begannen sie zu verwirren.
Doch sie konnte nicht aufhören daran zu denken.
Wie sie es satt gehabt hatte, mit Taschentücher-wedelnden, schluchzenden Müttern, Großmüttern, Tanten, Schwestern, Nachbarn und Putzfrauen, die ihr noch „Lebe wohl“, „Viel Glück“, „Pass auf dich auf“ oder tausend feuchte Kusshände hinterherwerfen würden, monströse Verabschiedungsorgien zu veranstalten.
Alleine dieser Gedanke brachte sie zur Rage.
Wo war das Problem, wenn sie Leute, die sie einmal kannte nicht wieder sehen würde?
Es war die Tatsache. Man sah sich nicht wieder. Danke für die Blumen.
Und wenn die Lenkung der Welt, des Schicksals und der Existenz (und natürlich der Nichtexistenz) etwas anderes vorsah, dann war dies auch beabsichtigt.
Sie meinte, über derartige Gefühle erhaben zu sein, weil sie diesen Kenntnisstand erworben hatte, hatte auf ihren Fußwegen durch die ätzend langweiligen Flachländer ihrer Heimat in Richtung Hafen genug Zeit gehabt, um sich derartige Punkte durch den Kopf gehen zu lassen. Sie hatte auch mit einem Bauern gesprochen, der sie einige Stunden auf seinem Yoih mitgenommen hatte. Er hatte ihre Ansichten nicht geteilt.
Vermutlich hatte er nicht einmal verstanden, was sie ihm da erklärte.
Zum Beispiel, die Feststellung, das Heimweh pure Menschliche Einbildung ist. Das Heim ist ein Ort und der einzige Ort, an den wir gebunden sind.
Aber dieser Ort war doch die Welt, in der sie lebte!
Sie fühlte sich nur an den Ort gebunden, an dem sie sich gerade in diesem Moment befand, weil niemand anderes genau an diesem Ort sein konnte!
Und als sie zu begreifen begann, das nicht ein paar Quadratmeter oder ein paar Quadratkilometer unser Zuhause sind, sondern die gesamte für uns unbegreifliche Welt und wir uns in dieser Welt überall aufhalten können, wo wir wollen (selbstverständlich mit einigen Risiken verbunden), empfand sie es als überflüssig, sich ein Zuhause einzubilden.
Sie war ausgesprochen stolz über die Erkenntnisse, die sie gemacht hatte.
Ein anderer Mensch, mit dem sie darüber gesprochen hatte, hatte sie gewarnt, das sie jede einzelne Feststellung von allen Seiten in Frage stellen solle, bevor sie sie endgültig als Erkenntnis darstellte. Doch das hatte sie getan. Dachte sie.

Ein weiteres mal öffnete sie ihre Augen. Erst jetzt bemerkte sie, wie schwach sie eigentlich geworden war – durch die Strapazen ihrer Reise. Ihre Gedanken hatten sie davon getragen – die Extremität der äußeren Bedingungen ausgeblendet, um wenigstens ein paar Minuten in dieser Hölle auf Erden Ruhe zu finden.
Scheinbar war es ihr für ein paar Minuten gelungen. Nun zitterten ihre Hände und ihre einfache, aber warme Bekleidung war bis auf die Knochen nass. Wieder versuchte sie nun einen Weg zu finden, diesmal wieder weg – in die auf einmal so willkommen scheinende Wärme, des üblen inneren der Fabrik in Schiffsform. Sich an der Reling entlangtastend bewegte sie sich auf dem schwankenden Schiffsboden vorsichtig in die von ihr als richtig anerkannte Richtung, unterdrückte einen Würgreiz, sammelte etwas Regenwasser in ihren schalenförmig zusammengelegten Händen, um das Wasser zum Mund zu führen.
Nur, um die letzte Geschmacksbestandteile des Erbrochenen aus ihrem Mund zu entfernen.
Sonst würde sie dieses Schmutzige Wasser niemals trinken.
Nach einigen Minuten des Herumirrens auf dem Deck fand sie die Verschlusstür, öffnete sie, strich sich ihre dunkelbraunen, ungewaschenen und schulterlangen Haare hinter ihre spitz zulaufenden Ohren und tauchte wieder ein in das Geruchsgemisch aus Schwefel- und Buttersäure, dem abgestandenen Schweißgeruch und irgendetwas, das wie Parfum roch. Nein, nach Parfum roch es nicht.
Ihre Einbildung hatte dem widerwärtigem Geruch des Schiffsinnern nur eine süßliche Note gegeben.Vielleicht aus Sehnsucht nach dem inneren Frieden, den sie auf ihrer Reise zu finden hoffte.
 



 
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