Lieber Günter,
das Reimschema "o" für Senkung und x für Hebung ist das beste Werkzeug, das ich Dir anempfehlen kann. Ich habe eine Strophe herausgenommen, um Dir dazulegen, wo das Problem liegen könnte:
Bevor er lässt das Gold erplündern
o-x-o-x-o-x-o-x-o
mahnt er noch sich zu besinnen
o-x-o-x-o-x-o-x-o
Weise wär's Ballast zu mindern
x-o-x-o-x-o-x-o
Nur wer leicht flieht kann entrinnen
o-x-o-x-x-o-x-o
Zu Thema "Reim Dich, oder ich freß Dich!": Das Wort "Erplündern" gibt es nicht, und es ist auch kein akzeptables dichterisches Konstrukt. So gibt es weitere Stellen in Deinem Werk.
Dadurch macht es einen seltsam bemühten und zugleich nicht stimmigen Eindruck. Es scheint so, als sei der große Wurf versucht worden, eine historische Ballade im klassischen vierhebigen Jambus zu fertigen, und dieses Vorhaben grandios an Wortungetümen und Sprachverbiegungen sowie falschen Metren gescheitert. Der deutsche Volksliedvers, der sog. "Knittel", ist in der Tat das Metrum, das dem deutschen Sprachdiktus, der deutschen Sprachmelodie am nächsten kommt. Nicht umsonst haben Eichendorff, Heine und Busch diese Form gewählt.
Ein Merksatz sei mir hier gestattet, ohne daß das überheblich gemeint ist: Die Sprache darf nicht wie ein Stück Metall in eine Form gedengelt werden, diesen Versuch nimmt sie sehr übel. Dieses Werk hat an einigen Stellen diese Spannungen, die übrigens auch im geschmiedeten Metall entstehen, wenn es hernach nicht im Anlaßoffen spannungsfrei geglüht wird.
Hier ist dringend eine Redaktion anzuempfehlen, die das Bemühte und mit Gewalt in Form Gehämmerte durch einen biegsamen Sprachfluß ersetzt. Diese Aussage ist für Dich sicherlich starker Tobak; nichtsdestoweniger entspricht sie leider der Wahrheit.
Bleibe mir gewogen trotz dieser deutlichen und nicht sehr positiven Einschätzung Deines Eintrags.
Liebe Grüße W.