Ich glaube, jeder von uns hat seinen eigenen besonderen Raum im Gewebe der Zeit. Ein Ort oder ein Moment, der etwas Bedeutsames in uns geformt hat, geprägt hat. Das muss nicht unbedingt etwas Positives sein, im Gegenteil... In dieser Welt gibt es wohl nicht viele Dinge, die ausschließlich Schwarz enthalten, wie es uns vielleicht angenehmer erscheinen würde. Alles ist gemischt und voller Widersprüche. Unsere letzten Erinnerungen präsentieren sich vor uns bereits durch die Linse früherer Erinnerungen korrigiert. Doch was bleibt von unserem besonderen Ort oder Raum im Gewebe der Zeit übrig? Wie auch immer, wir haben nicht wirklich eine Wahl, denn wir müssen unsere Freuden und Schmerzen irgendwoher beziehen, um die Motivation zu finden, neue Räume zu entdecken.
Es war also eine südliche Stadt in der Ukraine. Irgendwann im Jahr 2012.
Ich war knapp über zwanzig und arbeitete bereits in einem der verrücktesten Betriebe der Innenstadt. Ein großes Gebäude, dessen Räumlichkeiten zu achtzig Prozent aus einem Markt bestehen und in den verbleibenden zwanzig Prozent entfaltet sich meine erste richtige Arbeitserfahrung, wo sich ein überhebliches und skandalöses Restaurant befindet.
"-Hol den Salat ab!"
Schrie Alexej der jüngeren Kellnerin zu. Man hat ihr nicht direkt angesehen, da alle von uns in einer Wirbel aus zahlreichen Geschirren und Lebensmitteln gefangen waren, doch man konnte ihr glühendes Gesicht und die weit aufgerissenen Augen spüren.
"- Was soll ich denn machen? Es ist doch..."
"- Dein verdammter stinkender Salat, den du sofort rausbringst, sonst landet er gleich auf dem Boden. Unser Zug fährt ohne Haltestellen und wenn die Tür schon offen ist, sollst du im vollen Lauf springen. Kapierst?
Sie hat sich einige Sekunden zusammengereisst um das Anscheinendes anzudeuten:
"- Aber... der Salat, er liegt einfach so aufm Tisch, gibt's kein Teller, wie holl ich den ab!?"
Der Alexej erschtaunte als hätte er etwas unglaubliches mitbekommen, drehte sich blitzschnell und kam mit bteiten Sritten Kellnerin zu, legte weit ausgestrecke Hände auf dem Pass und starrte das Mädchen mit amüsierten und spöttischen Gesicht zu.
"- Wie bitte!?"- seine Augen treten aus ihren Augenhöhlen hervor.
"- Was du mir nicht sagst! Das gibt's doch nicht! Wo soll er denn hin?"
"- Ich glaub... der Salat muss doch auf einem Teller serviert werden..."
"- Hervorragend. Und?"
Ihr Gesicht zuckte sich von einer inneren Ahnung die sie zögernd ausgedrückt hat:
"- Ist es alles, nur weil ich die Teller nicht gebracht hatte?"
"- Kuck ma Miha" - der hat mir zugedrehet - "wie können vielleicht doch 'ne Hoffnung von Kleiner haben oder?"
Mir hat es aber nicht besonders gefallen. Die Kleine hat schon nasse Augen, ihre Stimme zitterte:
"- Okay okay, hab's verstanden, tut mir leid, es ist mein Fehler, Alexej bitte... ich bringe die Teller sofort hin, mach doch bitte das normal..."
"- Du hast recht, es ist dein Fehler, und es ist auch dein Problem, ich hab was zu tun vervieckte Scheisse! Jetzt verschwinde und nerv mich nicht, bin dir kein Papagei."
Mit diesen Worten wendet er sich richtig Arbeitsablauf um, als würde die Kellnerin ab dem Moment ausgelöst worden und wir bleiben in der Küche allein.
"- Diese blöden Azubis, ich bin einfach überwältigt von dieser Dummheit... beschießene Schweinehunde!" schrie er.
Man konnte förmlich spüren, dass sie entweder sofort in Tränen ausbricht oder davonrennt, um irgendwo auf der Toilette zu weinen.
Als ich an dem Mädchen vorbeiging, machte ich ihr ein Zeichen, dass alles in Ordnung sei.
"Komm in drei Minuten zurück", sagte ich zu ihr leise.
Die faulige Salatmischung wurde entsorgt, und stattdessen kamen frische Meeresfrüchte in eine erhitzte Pfanne mit etwas Wein und Butter und landeten dann auf frischem Salat. Gleichzeitig steckte ich fünf Steaks in den Backofen, warf vier Portionen marinierte mexikanische Hühnerflügel in die Fritteuse und dekorierte ein Dutzend weiterer Gerichte, die mir inzwischen mein unangenehmer Kollege zuwarf.
Die Kellnerin kam schüchtern, aber schon ein wenig ermutigt, zu mir und holte den Salat ab.
"-Komm, Mischa, lass uns eine rauchen", sagte mein Kollege und gab auf meinen bewundernden Blick hin zu:
"-Scheiß drauf, die Horden hungriger Mäuler werden nicht weniger, ob wir eine rauchen oder nicht. Glaub mir, heißer Sex ist heute Abend garantiert, außerdem spüre ich, dass die Prinzessin unterwegs ist."
Wir gingen zum Hintereingang, der gleichzeitig als Raucherraum diente und einen Treppenabsatz zum ersten Stock darstellte, wo sich auch einige Hundert Sitzplätze befanden. Alexej hockte sich hin, zog eine Zigarette aus der Schachtel, blies wild in den Zigarettenfilter, zündete die Zigarette an und zog gierig daran. Ich setzte mich auf einen leeren Eimer Sojasauce und zündete mir etwas enttäuschend eine Zigarette an. Ich hasste es, mit ihm zu rauchen. Er fluchte unaufhörlich und bohrte mich mit seinen hartnäckigen Augen an, während er nach Aufmerksamkeit und Antworten verlangte. Es fühlte sich immer wie ein Angriff auf meine kleine Insel der Ruhe - mitten in einem vierzehnstündigen Dienst an.
"...hast du den Reis für die japanischen Gerichte aufgesetzt?" fragte er beunruhigt.
"- Na klar", antwortete ich etwas müde.
"- Tja, sonst sind wir am Arsch. Aber eigentlich haben wir es bis Ende der Woche ganz gemütlich. Danach, weißt du, was ich unbedingt machen werde?... meine Fresse! hast du das Hackfleisch aus dem Froster genommen!?"
"- Aber natürlich, bereits heute Morgen", gab ich zurück und wandte mich einem kleinen schmutzigen Fenster zu, durch das man zufällige Passanten in sorgloser Freiheit beneiden konnte.
"- Gut gemacht. Wo war ich eigentlich? Also, was mache ich am ersten Tag meiner glücklichen freien Woche? Ich kaufe mir ein paar Kisten Bier, packe meine Gattin und mein kleines Schweinchen ins Auto und fahre zu meinen Kumpels an den Fluss. Dazu gehört natürlich Zelten, Angeln, ein richtiger Schaschlik und die ganze Nacht am Lagerfeuer mit Wödchen und Gitarre... Verfickte Scheiße, ich habe ein schlechtes Gefühl. Es ist vermutlich ruhig. Komm, Mischa, wir stoßen auf eine wundervolle kommunistische Zukunft an!"
Mit diesen Worten nahm er eine halbe Zigarette in zwei Zügen, richtete sich auf und stieß den Rauch bereits im vollen Lauf aus. Ich stieß deprimiert die Luft aus und folgte ihm.
Gerade in dem Moment erschien ein rotes Gesicht im Türschlitz, der vor Anstrengung glühte, und teilte uns mit, dass "Er" da sei.
Bitteschön, die Prinzessin betritt den Ball.
Im nächsten Augenblick bedecken rote Flecken Alexejs Gesicht – ein klares Alarmsignal. Er dreht sich alle paar Sekunden zum Eingang um und schafft es sogar, trotz der Hektik des Kochens, an seinen Fingernägeln zu kauen.
Ich hatte schon oft von ihm gehört, aber noch nie gesehen. Als ich vor ein paar Wochen die Stelle antrat, war er gerade irgendwo auf der Krim unterwegs – mit seiner Yacht, wie man sagt. Manche behaupten, er sei schwul, andere sagen, er sei ein Leistungssportler, ein Model, ein Rassist, ein ehemaliger obdachloser Alkoholiker oder sogar ein Professor.
Natürlich – mit prächtigen bunten Sommersprossen und einem rostrot leuchtenden, üppigen Haarschopf. Ich war mir ziemlich sicher, dass diese Gestalt bloß das perverse Humorverständnis der Mitarbeiter verkörperte, denn so ein Unsinn konnte unmöglich real sein. Wäre da nicht diese Angst, die förmlich in der Luft lag, wenn es um ihn ging.
Niemand wagte es, seinen Namen laut auszusprechen. Im besten Fall schrieb man seine Initialen auf den Bon: "V.A" Untereinander wurde er lieber "Boss", "Chef" oder eben "die Prinzessin" genannt.
Trotz wachsender Neugier bekam ich, ehrlich gesagt, langsam Angst und stellte mir unbewusst vor, wie ein kahler Schädel ohne Nase, gehüllt in einen schwarzen Umhang, die Küche betritt.
Stattdessen stürmte das glühende Gesicht - mit den Worten:
"Achtung jetzt! Kommt neu vom Chef: Einmal Bratkartoffeln, sofort! -
in die Küche und schwenkte im Laufen einen Bon hoch, den sie mit einem Magneten lautstark an der Tafel befestigte.
Alexej ließ die Pfanne mit fertiger Carbonara, die er gerade auf den Teller servieren wollte, auf den Tisch fallen und schrie mir zu, während seine Augen beinahe aus den Höhlen sprangen:
"Stell die Pfanne auf den Herd! Schneid Kartoffeln! Ich mach Zwiebeln und Speck – los los los, schnell!"
Ich war gerade dabei, gebratene Medaillons für ein paar Dutzend Salatbeeten zu verteilen, und wusste, dass hinter mir auf der Tafel noch zehnmal mehr Bestellungen standen. Also fragte ich meinen Kollegen etwas genervt, ob es wirklich sinnvoll wäre, uns beide mit dem Gericht des Chefs zu beschäftigen, während die Schlange der Bestellungen weiter wuchs.
"- Halt die Klappe und mach was dir gesagt wurde! Denn solange die Prinzessin hier ist – und zwar probieren will – können sich alle geschätzten Gäste in diesem Sündenpfuhl genauso wie alle anderen in dieser beschissenen Stadt gern verpissen! Wer diese Regel nicht sofort verinnerlicht, fliegt vom Karussell!"
Ich wollte dieses Karussell nicht verlassen, solange ich die Grenze der Belastung, durch die man bestimmte Freiheiten kennenlernen kann, nicht erreicht hatte.
Den Spaß hatte ich aber irgendwie schon unbewusst mitbekommen und wurde dann jeweils als Süchtiger mitspielen.
Man röstet also in der Pfanne Zwiebeln mit dem Speck, dazu kommen die Kartoffeln aus der dreckigen, schwarzen Fritteuse. Es wird gewürzt, abgeschmeckt und noch einmal mit Olivenöl versorgt, um das "Fritteusen-Aroma" zu bekämpfen.
Auf diese magische Weise bekommt die Prinzessin ihre perfekten Röstkartoffeln drei Mal schneller, als sie sie bekommen hätte, wenn sie ein wenig Geduld gehabt hätte.
Das Mädchen holt es ab, und merkt aufm Pasd keine weiteren Gerichten, die schon drei mal abgekühlt gewesen waren.
Alexej scheint das völlig egal zu sein, abgesehen vom Feedback der Kellnerin.
Er flitzt um die Küche herum, quält seine Nägel und kommt bei jeder zweiten Runde zur Tür, macht einen kleinen Spalt auf und lauscht starr.
Nach drei Minuten tritt die Kellnerin ein und kündigt uns hoffnungslos an:
"- Er will diese Scheiße nicht essen.“
"- Was hat er gesagt!? Wieso denn!?" fragt Alexej verzweifelt.
"- Du weißt doch Chef! Der sagt nie, was los ist, außer wenn er alles noch mehr verwirren will! Ich hab dir buchstäblich seine Worte übermittelt."
"- Mischa, schneid zwei Mal mehr Zwiebeln, den Speck schneiden wir kleiner! Kartoffeln mach ich grober! Los, los, schnell!“
Diesmal haben wir es noch schneller geschafft, und während ich versuchte, die dramatisch wachsende Schlange von Bestellungen irgendwie zu reduzieren, um mich von dem Bild des nasenlosen Gesichts abzulenken, kreiste mein Kollege wieder durch die Küche.
"- Er hat doch schon gesagt, dass er diese Scheiße nicht essen will. Also, ich zitiere dir wieder Alexej.“ sagt das Mädchen, jetzt schon etwas beruhigt, als hätte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Sie hatte hier auch erst vor kurzem angefangen und sicherlich schon viele Geschichten über die „spielerische“ Stimmung des Chefs gehört, mit mehreren Entlassungen pro Abend.
In solchen Momenten schien es mir, als könnte ich die harte Arbeit von Alexejs Synapsen und Neurotransmittern in seinem Kopf förmlich sehen. Als ob die winzigen, von den zehn Jahren Erfahrungen in diesem Sumpf getriebenen Teilchen endlich etwas Nützliches identifizieren und nun begreifen würden, wo der Haken ist!
Es ist lustig, sich nach all den Jahren daran zu erinnern, damals aber, als wir schon das sechste Mal diese verdammten Bratkartoffeln umgearbeitet haben, ohne die geringste Ahnung, was wir eigentlich wiedergutmachen sollten, war es überhaupt nicht so inspirierend.
Und dann betrat er die Küche mit dem Teller in der Hand. So habe ich endlich Graf Voldemor kennengelernt.
"- Guten Tag, Viktor Andrejewitsch, was können wir für Sie tun?" kam es von Alexej, mit einem sofortigen Reflex der Unterwürfigkeit, wie ein Blatt, das im Wind weht.
Der Typ hatte tatsächlich einen üppigen, rostrot leuchtenden Haarschopf und farbenprächtige, rötliche Sommersprossen im Gesicht, was mir von seiner Beschreibung eigentlich am unheimlichsten vorkam. Dadurch konnte ich jetzt all die anderen "Tatsachen" über diese Person nicht mehr einfach ausschließen.
Der Gedanke, dass der Mann die restlichen Rollen in sich vereinen konnte, schien mir nicht mehr so verrückt. Er sah ziemlich fit und sogar muskulös für seine über fünfzig Jahre aus, was man durch sein weißes, eng anliegendes T-Shirt erkennen konnte – passend zugleich für ein Model, einen Sportler oder einen Schwulen.
Was jedoch viel mehr Aufmerksamkeit auf sich zog, war seine stolze Haltung und der majestätische Gang eines selbstsicheren Gebieters. In so einem Arschloch aufzuwachsen, hinterlässt wahrscheinlich noch tiefere Wunden als die eines ehemaligen obdachlosen Alkoholikers, der später Professor wurde. Und er ist definitiv ein Rassist.
"- Wozu brauche ich solche Köche, die mir nicht einmal Bratkartoffeln hinkriegen können? Wenn ich in fünf Minuten mein Essen nicht habe, seid ihr beide raus."
Das sagte er, während er durch die Küche in Richtung Waschbecken ging, in der Mitte kurz innehielt und den vollen Teller ins Waschbecken warf. Es war tatsächlich beeindruckend zu beobachten, wie die Bratkartoffeln ihre Reise über drei Meter ganz entspannt in der Luft zurücklegten.
Und genauso faszinierend verlässt die Prinzessin die Küche – stumm und sofort. Um ehrlich zu sein, wusste ich schon, dass dieses zweifelhafte Unterfangen nicht lange dauern würde. Ich war davor gewarnt worden, wollte mich dennoch selbst testen, mir etwas beweisen... Scheiß drauf. Ich warte nur noch darauf, bis wir den Bescheid bekommen – dass wir entlassen sind – damit wir einfach weitermachen können mit dem Haufen der Bons, um diesen beschissenen Tag schneller zu Ende zu bringen.
Alexej ist ebenfalls am Boden zerstört. Er lässt sich neben dem Kühlschrank auf den Boden sinken, zieht sich eine Zigarette aus der Schachtel, zündet sie apathisch an und starrt ins Leere. Es dauert eine Weile. Dann richtet er sich auf, geht zum Tisch – auf dem sechs Varianten fast unberührter Bratkartoffeln stehen –, holt einen neuen Teller und nimmt von jedem Teller eine Handvoll Bratkartoffeln.
„Was machst du da?“ frage ich erstaunt.
Alexej hebt den neu zusammengestellten Teller vor sich hoch, kneift die Augen zusammen und stößt langsam eine Rauchwolke auf die Bratkartoffeln.
"-Bereite frische und richtige Köstlichkeiten für unsere kleine Prinzessin vor, siehst du das etwa nicht? Keine Sorge, wir sind nicht die Ersten und bestimmt nicht die Letzten. Ich bin schon zu lange hier, es reicht. Der Vorteil der Lage ist, dass ich viel schneller mit meiner Reise anfangen kann... "
Ja, ich wusste, was er meinte: Hier gibt es keinen Monat ohne Entlassungen durch die Prinzessin. Man erscheint einfach am nächsten Tag nicht zur Arbeit. Ansonsten ist der Direktor dran. Es gab sogar Fälle, in denen nach wenigen Minuten, nachdem die Prinzessin Bescheid gegeben hatte, ein Mitarbeiter schon weg war – sobald sein Vertreter, also jemand aus einer anderen Schicht, durch einen sofortigen Anruf zur Arbeit gerufen wurde.
"Ist es dir nicht schade um die Jungs, die gerade ihren zweiten Tag der Freiwoche irgendwo auf dem Sofa genießen?“
"– Der Greis macht schöne Witze, warum dürfen wir das nicht auch?" - erwiederte Alexej.
Ja, tatsächlich, ich hatte keinen Einwand. Im schlimmsten Fall sollten wir nur ein paar Stunden durch die Horden der Bons durchhalten.
„Dann schicken wir die Scheiße raus.“
Gesagt, getan. Als die Kellnerin die siebte Portion Bratkartoffeln abgeholt hatte, spürte ich eine seltsame Mischung aus Neugier, Spannung und dem brennenden Wunsch, das Ganze endlich zum Ende zu bringen.
Dann bin ich langsam in der Küche herumgeklettert, eher um mir selbst einzureden, dass ich mich um die Bestellungen kümmere, in Wirklichkeit wollte ich mich aber einfach von der kommenden Portion Scheiße ablenken. Und es schien, als hätte mein Kollege ähnliche Gefühle. Doch etwas ganz anderes ist passiert.
Die Eingangstür wurde ein wenig geöffnet, gerade so weit, dass der üppige rostige Haarschopf hindurchstecken konnte, um kurz zu sagen: "-Ihr könnt ja, wenn ihr wollt! Warum muss ich bloß immer schreien?" Dann fiel die Tür wieder ins Schloss.
Doch wir hörten beide ganz deutlich, wie Graf Voldemort zum Barkeeper sagte: „Gib ihnen ’ne Fuffi pro Nase sofort aus.“
Kurz darauf kam das Mädchen lachend zurück und forderte ihre Bestellungen: „Los, los! Ihr habt noch die ganze Stunde, und das ist bestimmt nur eine Kleinigkeit. Das Schlimmste ist doch schon vorbei.“
"-Was soll das heißen?“ – Alexej konnte immer noch nicht zu sich kommen.
"-Oh, Jungs, er ist jetzt ganz zufrieden. Hat gesagt: diesmal schmeckt es wirklich anständig, schade nur, dass er sich dafür immer noch ärgern muss. Das gebe ich euch Wort für Wort weiter. Ansonsten..." – Sie zuckte mit den Schultern. "Wer weiß, was in seinem Schädel vor sich geht?"
Wir haben die Musik voll aufgedrehet und uns in den Sturbel der Bestellungen gestürzt.
Innerlich loderten wir wie Holzscheite verschiedener Arten – Wut und die Euphorie der Erleichterung. Alexej forderte alle fünfzehn Minuten vom Barkeeper einen Whisky mit Cola. Ich trank ein Bier und genoss eine seltsame Palette widersprüchlicher Gefühle.
Da war dieses kindliche Gefühl von Abenteuerlust, als hätten wir dem Schicksal auf verrückte Weise entkommen und Waldemar einfach verarscht. Gleichzeitig stieg in mir eine Art Hartnäckigkeit auf. Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich diese Scheiße so lange wie möglich durchhalten kann. Und dann war da noch ein vages Gefühl der Vorahnung – dass ich bald verstehen würde, warum man sich an diese Arbeit klammert und dabei so viel trinkt…
Es war also eine südliche Stadt in der Ukraine. Irgendwann im Jahr 2012.
Ich war knapp über zwanzig und arbeitete bereits in einem der verrücktesten Betriebe der Innenstadt. Ein großes Gebäude, dessen Räumlichkeiten zu achtzig Prozent aus einem Markt bestehen und in den verbleibenden zwanzig Prozent entfaltet sich meine erste richtige Arbeitserfahrung, wo sich ein überhebliches und skandalöses Restaurant befindet.
"-Hol den Salat ab!"
Schrie Alexej der jüngeren Kellnerin zu. Man hat ihr nicht direkt angesehen, da alle von uns in einer Wirbel aus zahlreichen Geschirren und Lebensmitteln gefangen waren, doch man konnte ihr glühendes Gesicht und die weit aufgerissenen Augen spüren.
"- Was soll ich denn machen? Es ist doch..."
"- Dein verdammter stinkender Salat, den du sofort rausbringst, sonst landet er gleich auf dem Boden. Unser Zug fährt ohne Haltestellen und wenn die Tür schon offen ist, sollst du im vollen Lauf springen. Kapierst?
Sie hat sich einige Sekunden zusammengereisst um das Anscheinendes anzudeuten:
"- Aber... der Salat, er liegt einfach so aufm Tisch, gibt's kein Teller, wie holl ich den ab!?"
Der Alexej erschtaunte als hätte er etwas unglaubliches mitbekommen, drehte sich blitzschnell und kam mit bteiten Sritten Kellnerin zu, legte weit ausgestrecke Hände auf dem Pass und starrte das Mädchen mit amüsierten und spöttischen Gesicht zu.
"- Wie bitte!?"- seine Augen treten aus ihren Augenhöhlen hervor.
"- Was du mir nicht sagst! Das gibt's doch nicht! Wo soll er denn hin?"
"- Ich glaub... der Salat muss doch auf einem Teller serviert werden..."
"- Hervorragend. Und?"
Ihr Gesicht zuckte sich von einer inneren Ahnung die sie zögernd ausgedrückt hat:
"- Ist es alles, nur weil ich die Teller nicht gebracht hatte?"
"- Kuck ma Miha" - der hat mir zugedrehet - "wie können vielleicht doch 'ne Hoffnung von Kleiner haben oder?"
Mir hat es aber nicht besonders gefallen. Die Kleine hat schon nasse Augen, ihre Stimme zitterte:
"- Okay okay, hab's verstanden, tut mir leid, es ist mein Fehler, Alexej bitte... ich bringe die Teller sofort hin, mach doch bitte das normal..."
"- Du hast recht, es ist dein Fehler, und es ist auch dein Problem, ich hab was zu tun vervieckte Scheisse! Jetzt verschwinde und nerv mich nicht, bin dir kein Papagei."
Mit diesen Worten wendet er sich richtig Arbeitsablauf um, als würde die Kellnerin ab dem Moment ausgelöst worden und wir bleiben in der Küche allein.
"- Diese blöden Azubis, ich bin einfach überwältigt von dieser Dummheit... beschießene Schweinehunde!" schrie er.
Man konnte förmlich spüren, dass sie entweder sofort in Tränen ausbricht oder davonrennt, um irgendwo auf der Toilette zu weinen.
Als ich an dem Mädchen vorbeiging, machte ich ihr ein Zeichen, dass alles in Ordnung sei.
"Komm in drei Minuten zurück", sagte ich zu ihr leise.
Die faulige Salatmischung wurde entsorgt, und stattdessen kamen frische Meeresfrüchte in eine erhitzte Pfanne mit etwas Wein und Butter und landeten dann auf frischem Salat. Gleichzeitig steckte ich fünf Steaks in den Backofen, warf vier Portionen marinierte mexikanische Hühnerflügel in die Fritteuse und dekorierte ein Dutzend weiterer Gerichte, die mir inzwischen mein unangenehmer Kollege zuwarf.
Die Kellnerin kam schüchtern, aber schon ein wenig ermutigt, zu mir und holte den Salat ab.
"-Komm, Mischa, lass uns eine rauchen", sagte mein Kollege und gab auf meinen bewundernden Blick hin zu:
"-Scheiß drauf, die Horden hungriger Mäuler werden nicht weniger, ob wir eine rauchen oder nicht. Glaub mir, heißer Sex ist heute Abend garantiert, außerdem spüre ich, dass die Prinzessin unterwegs ist."
Wir gingen zum Hintereingang, der gleichzeitig als Raucherraum diente und einen Treppenabsatz zum ersten Stock darstellte, wo sich auch einige Hundert Sitzplätze befanden. Alexej hockte sich hin, zog eine Zigarette aus der Schachtel, blies wild in den Zigarettenfilter, zündete die Zigarette an und zog gierig daran. Ich setzte mich auf einen leeren Eimer Sojasauce und zündete mir etwas enttäuschend eine Zigarette an. Ich hasste es, mit ihm zu rauchen. Er fluchte unaufhörlich und bohrte mich mit seinen hartnäckigen Augen an, während er nach Aufmerksamkeit und Antworten verlangte. Es fühlte sich immer wie ein Angriff auf meine kleine Insel der Ruhe - mitten in einem vierzehnstündigen Dienst an.
"...hast du den Reis für die japanischen Gerichte aufgesetzt?" fragte er beunruhigt.
"- Na klar", antwortete ich etwas müde.
"- Tja, sonst sind wir am Arsch. Aber eigentlich haben wir es bis Ende der Woche ganz gemütlich. Danach, weißt du, was ich unbedingt machen werde?... meine Fresse! hast du das Hackfleisch aus dem Froster genommen!?"
"- Aber natürlich, bereits heute Morgen", gab ich zurück und wandte mich einem kleinen schmutzigen Fenster zu, durch das man zufällige Passanten in sorgloser Freiheit beneiden konnte.
"- Gut gemacht. Wo war ich eigentlich? Also, was mache ich am ersten Tag meiner glücklichen freien Woche? Ich kaufe mir ein paar Kisten Bier, packe meine Gattin und mein kleines Schweinchen ins Auto und fahre zu meinen Kumpels an den Fluss. Dazu gehört natürlich Zelten, Angeln, ein richtiger Schaschlik und die ganze Nacht am Lagerfeuer mit Wödchen und Gitarre... Verfickte Scheiße, ich habe ein schlechtes Gefühl. Es ist vermutlich ruhig. Komm, Mischa, wir stoßen auf eine wundervolle kommunistische Zukunft an!"
Mit diesen Worten nahm er eine halbe Zigarette in zwei Zügen, richtete sich auf und stieß den Rauch bereits im vollen Lauf aus. Ich stieß deprimiert die Luft aus und folgte ihm.
Gerade in dem Moment erschien ein rotes Gesicht im Türschlitz, der vor Anstrengung glühte, und teilte uns mit, dass "Er" da sei.
Bitteschön, die Prinzessin betritt den Ball.
Im nächsten Augenblick bedecken rote Flecken Alexejs Gesicht – ein klares Alarmsignal. Er dreht sich alle paar Sekunden zum Eingang um und schafft es sogar, trotz der Hektik des Kochens, an seinen Fingernägeln zu kauen.
Ich hatte schon oft von ihm gehört, aber noch nie gesehen. Als ich vor ein paar Wochen die Stelle antrat, war er gerade irgendwo auf der Krim unterwegs – mit seiner Yacht, wie man sagt. Manche behaupten, er sei schwul, andere sagen, er sei ein Leistungssportler, ein Model, ein Rassist, ein ehemaliger obdachloser Alkoholiker oder sogar ein Professor.
Natürlich – mit prächtigen bunten Sommersprossen und einem rostrot leuchtenden, üppigen Haarschopf. Ich war mir ziemlich sicher, dass diese Gestalt bloß das perverse Humorverständnis der Mitarbeiter verkörperte, denn so ein Unsinn konnte unmöglich real sein. Wäre da nicht diese Angst, die förmlich in der Luft lag, wenn es um ihn ging.
Niemand wagte es, seinen Namen laut auszusprechen. Im besten Fall schrieb man seine Initialen auf den Bon: "V.A" Untereinander wurde er lieber "Boss", "Chef" oder eben "die Prinzessin" genannt.
Trotz wachsender Neugier bekam ich, ehrlich gesagt, langsam Angst und stellte mir unbewusst vor, wie ein kahler Schädel ohne Nase, gehüllt in einen schwarzen Umhang, die Küche betritt.
Stattdessen stürmte das glühende Gesicht - mit den Worten:
"Achtung jetzt! Kommt neu vom Chef: Einmal Bratkartoffeln, sofort! -
in die Küche und schwenkte im Laufen einen Bon hoch, den sie mit einem Magneten lautstark an der Tafel befestigte.
Alexej ließ die Pfanne mit fertiger Carbonara, die er gerade auf den Teller servieren wollte, auf den Tisch fallen und schrie mir zu, während seine Augen beinahe aus den Höhlen sprangen:
"Stell die Pfanne auf den Herd! Schneid Kartoffeln! Ich mach Zwiebeln und Speck – los los los, schnell!"
Ich war gerade dabei, gebratene Medaillons für ein paar Dutzend Salatbeeten zu verteilen, und wusste, dass hinter mir auf der Tafel noch zehnmal mehr Bestellungen standen. Also fragte ich meinen Kollegen etwas genervt, ob es wirklich sinnvoll wäre, uns beide mit dem Gericht des Chefs zu beschäftigen, während die Schlange der Bestellungen weiter wuchs.
"- Halt die Klappe und mach was dir gesagt wurde! Denn solange die Prinzessin hier ist – und zwar probieren will – können sich alle geschätzten Gäste in diesem Sündenpfuhl genauso wie alle anderen in dieser beschissenen Stadt gern verpissen! Wer diese Regel nicht sofort verinnerlicht, fliegt vom Karussell!"
Ich wollte dieses Karussell nicht verlassen, solange ich die Grenze der Belastung, durch die man bestimmte Freiheiten kennenlernen kann, nicht erreicht hatte.
Den Spaß hatte ich aber irgendwie schon unbewusst mitbekommen und wurde dann jeweils als Süchtiger mitspielen.
Man röstet also in der Pfanne Zwiebeln mit dem Speck, dazu kommen die Kartoffeln aus der dreckigen, schwarzen Fritteuse. Es wird gewürzt, abgeschmeckt und noch einmal mit Olivenöl versorgt, um das "Fritteusen-Aroma" zu bekämpfen.
Auf diese magische Weise bekommt die Prinzessin ihre perfekten Röstkartoffeln drei Mal schneller, als sie sie bekommen hätte, wenn sie ein wenig Geduld gehabt hätte.
Das Mädchen holt es ab, und merkt aufm Pasd keine weiteren Gerichten, die schon drei mal abgekühlt gewesen waren.
Alexej scheint das völlig egal zu sein, abgesehen vom Feedback der Kellnerin.
Er flitzt um die Küche herum, quält seine Nägel und kommt bei jeder zweiten Runde zur Tür, macht einen kleinen Spalt auf und lauscht starr.
Nach drei Minuten tritt die Kellnerin ein und kündigt uns hoffnungslos an:
"- Er will diese Scheiße nicht essen.“
"- Was hat er gesagt!? Wieso denn!?" fragt Alexej verzweifelt.
"- Du weißt doch Chef! Der sagt nie, was los ist, außer wenn er alles noch mehr verwirren will! Ich hab dir buchstäblich seine Worte übermittelt."
"- Mischa, schneid zwei Mal mehr Zwiebeln, den Speck schneiden wir kleiner! Kartoffeln mach ich grober! Los, los, schnell!“
Diesmal haben wir es noch schneller geschafft, und während ich versuchte, die dramatisch wachsende Schlange von Bestellungen irgendwie zu reduzieren, um mich von dem Bild des nasenlosen Gesichts abzulenken, kreiste mein Kollege wieder durch die Küche.
"- Er hat doch schon gesagt, dass er diese Scheiße nicht essen will. Also, ich zitiere dir wieder Alexej.“ sagt das Mädchen, jetzt schon etwas beruhigt, als hätte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Sie hatte hier auch erst vor kurzem angefangen und sicherlich schon viele Geschichten über die „spielerische“ Stimmung des Chefs gehört, mit mehreren Entlassungen pro Abend.
In solchen Momenten schien es mir, als könnte ich die harte Arbeit von Alexejs Synapsen und Neurotransmittern in seinem Kopf förmlich sehen. Als ob die winzigen, von den zehn Jahren Erfahrungen in diesem Sumpf getriebenen Teilchen endlich etwas Nützliches identifizieren und nun begreifen würden, wo der Haken ist!
Es ist lustig, sich nach all den Jahren daran zu erinnern, damals aber, als wir schon das sechste Mal diese verdammten Bratkartoffeln umgearbeitet haben, ohne die geringste Ahnung, was wir eigentlich wiedergutmachen sollten, war es überhaupt nicht so inspirierend.
Und dann betrat er die Küche mit dem Teller in der Hand. So habe ich endlich Graf Voldemor kennengelernt.
"- Guten Tag, Viktor Andrejewitsch, was können wir für Sie tun?" kam es von Alexej, mit einem sofortigen Reflex der Unterwürfigkeit, wie ein Blatt, das im Wind weht.
Der Typ hatte tatsächlich einen üppigen, rostrot leuchtenden Haarschopf und farbenprächtige, rötliche Sommersprossen im Gesicht, was mir von seiner Beschreibung eigentlich am unheimlichsten vorkam. Dadurch konnte ich jetzt all die anderen "Tatsachen" über diese Person nicht mehr einfach ausschließen.
Der Gedanke, dass der Mann die restlichen Rollen in sich vereinen konnte, schien mir nicht mehr so verrückt. Er sah ziemlich fit und sogar muskulös für seine über fünfzig Jahre aus, was man durch sein weißes, eng anliegendes T-Shirt erkennen konnte – passend zugleich für ein Model, einen Sportler oder einen Schwulen.
Was jedoch viel mehr Aufmerksamkeit auf sich zog, war seine stolze Haltung und der majestätische Gang eines selbstsicheren Gebieters. In so einem Arschloch aufzuwachsen, hinterlässt wahrscheinlich noch tiefere Wunden als die eines ehemaligen obdachlosen Alkoholikers, der später Professor wurde. Und er ist definitiv ein Rassist.
"- Wozu brauche ich solche Köche, die mir nicht einmal Bratkartoffeln hinkriegen können? Wenn ich in fünf Minuten mein Essen nicht habe, seid ihr beide raus."
Das sagte er, während er durch die Küche in Richtung Waschbecken ging, in der Mitte kurz innehielt und den vollen Teller ins Waschbecken warf. Es war tatsächlich beeindruckend zu beobachten, wie die Bratkartoffeln ihre Reise über drei Meter ganz entspannt in der Luft zurücklegten.
Und genauso faszinierend verlässt die Prinzessin die Küche – stumm und sofort. Um ehrlich zu sein, wusste ich schon, dass dieses zweifelhafte Unterfangen nicht lange dauern würde. Ich war davor gewarnt worden, wollte mich dennoch selbst testen, mir etwas beweisen... Scheiß drauf. Ich warte nur noch darauf, bis wir den Bescheid bekommen – dass wir entlassen sind – damit wir einfach weitermachen können mit dem Haufen der Bons, um diesen beschissenen Tag schneller zu Ende zu bringen.
Alexej ist ebenfalls am Boden zerstört. Er lässt sich neben dem Kühlschrank auf den Boden sinken, zieht sich eine Zigarette aus der Schachtel, zündet sie apathisch an und starrt ins Leere. Es dauert eine Weile. Dann richtet er sich auf, geht zum Tisch – auf dem sechs Varianten fast unberührter Bratkartoffeln stehen –, holt einen neuen Teller und nimmt von jedem Teller eine Handvoll Bratkartoffeln.
„Was machst du da?“ frage ich erstaunt.
Alexej hebt den neu zusammengestellten Teller vor sich hoch, kneift die Augen zusammen und stößt langsam eine Rauchwolke auf die Bratkartoffeln.
"-Bereite frische und richtige Köstlichkeiten für unsere kleine Prinzessin vor, siehst du das etwa nicht? Keine Sorge, wir sind nicht die Ersten und bestimmt nicht die Letzten. Ich bin schon zu lange hier, es reicht. Der Vorteil der Lage ist, dass ich viel schneller mit meiner Reise anfangen kann... "
Ja, ich wusste, was er meinte: Hier gibt es keinen Monat ohne Entlassungen durch die Prinzessin. Man erscheint einfach am nächsten Tag nicht zur Arbeit. Ansonsten ist der Direktor dran. Es gab sogar Fälle, in denen nach wenigen Minuten, nachdem die Prinzessin Bescheid gegeben hatte, ein Mitarbeiter schon weg war – sobald sein Vertreter, also jemand aus einer anderen Schicht, durch einen sofortigen Anruf zur Arbeit gerufen wurde.
"Ist es dir nicht schade um die Jungs, die gerade ihren zweiten Tag der Freiwoche irgendwo auf dem Sofa genießen?“
"– Der Greis macht schöne Witze, warum dürfen wir das nicht auch?" - erwiederte Alexej.
Ja, tatsächlich, ich hatte keinen Einwand. Im schlimmsten Fall sollten wir nur ein paar Stunden durch die Horden der Bons durchhalten.
„Dann schicken wir die Scheiße raus.“
Gesagt, getan. Als die Kellnerin die siebte Portion Bratkartoffeln abgeholt hatte, spürte ich eine seltsame Mischung aus Neugier, Spannung und dem brennenden Wunsch, das Ganze endlich zum Ende zu bringen.
Dann bin ich langsam in der Küche herumgeklettert, eher um mir selbst einzureden, dass ich mich um die Bestellungen kümmere, in Wirklichkeit wollte ich mich aber einfach von der kommenden Portion Scheiße ablenken. Und es schien, als hätte mein Kollege ähnliche Gefühle. Doch etwas ganz anderes ist passiert.
Die Eingangstür wurde ein wenig geöffnet, gerade so weit, dass der üppige rostige Haarschopf hindurchstecken konnte, um kurz zu sagen: "-Ihr könnt ja, wenn ihr wollt! Warum muss ich bloß immer schreien?" Dann fiel die Tür wieder ins Schloss.
Doch wir hörten beide ganz deutlich, wie Graf Voldemort zum Barkeeper sagte: „Gib ihnen ’ne Fuffi pro Nase sofort aus.“
Kurz darauf kam das Mädchen lachend zurück und forderte ihre Bestellungen: „Los, los! Ihr habt noch die ganze Stunde, und das ist bestimmt nur eine Kleinigkeit. Das Schlimmste ist doch schon vorbei.“
"-Was soll das heißen?“ – Alexej konnte immer noch nicht zu sich kommen.
"-Oh, Jungs, er ist jetzt ganz zufrieden. Hat gesagt: diesmal schmeckt es wirklich anständig, schade nur, dass er sich dafür immer noch ärgern muss. Das gebe ich euch Wort für Wort weiter. Ansonsten..." – Sie zuckte mit den Schultern. "Wer weiß, was in seinem Schädel vor sich geht?"
Wir haben die Musik voll aufgedrehet und uns in den Sturbel der Bestellungen gestürzt.
Innerlich loderten wir wie Holzscheite verschiedener Arten – Wut und die Euphorie der Erleichterung. Alexej forderte alle fünfzehn Minuten vom Barkeeper einen Whisky mit Cola. Ich trank ein Bier und genoss eine seltsame Palette widersprüchlicher Gefühle.
Da war dieses kindliche Gefühl von Abenteuerlust, als hätten wir dem Schicksal auf verrückte Weise entkommen und Waldemar einfach verarscht. Gleichzeitig stieg in mir eine Art Hartnäckigkeit auf. Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich diese Scheiße so lange wie möglich durchhalten kann. Und dann war da noch ein vages Gefühl der Vorahnung – dass ich bald verstehen würde, warum man sich an diese Arbeit klammert und dabei so viel trinkt…