November - hautnah

Frodomir

Mitglied
Hallo Ralf Langer,

zuerst mal möchte ich sagen sagen, dass es mich freut, wieder etwas von dir zu lesen. Wenn ich nun dein Novembergedicht lese, dann denke ich mir, dass der November dieses Jahr aber schon seit einigen Monaten sein Unwesen treibt. Vielleicht wird ja dann der Dezember mal sonnig :cool:

Nun aber zum Gedicht: Im ersten Vers hast du durch das Verb keimen bereits den Frühling mit ins Werk gelegt, aber auch metaphorisch die Sehnsucht des Menschen, eigentlich immer zur Blüte streben zu wollen, egal welche Jahreszeit herrscht. Doch schon Heine sprache vom traurigen Monat November und so wird die Stimmung auch in deinem Gedicht durch die Dunkelheit traurig und schwer charakterisiert. Vers 3 funktioniert dabei als Apokoinu und korrespondiert sowohl mit Vers 2 als auch mit Vers 4. Was dort den Kiesel betrifft, stehe ich allerdings etwas auf dem Schlauch und kann dieses Bild nicht deuten. Ich habe das Gefühl, dass es, wenn ich eine Erklärung habe, mir ganz logisch vorkommen wird, aber jetzt gerade verstehe ich diese Metapher nicht.

Im weiteren Verlauf wird, wenn ich es richtig verstehe, die Sonne, welche noch einmal sacht aus dem Nebel hervordringt, mit einem Sandkorn verglichen, so klein und unscheinbar ist sie im dunklen November. Das Sandkorn erinnert dabei einerseits an Urlaub, an Strand, an Sommer. Aber es ist auch ein Symbol für Vergänglichkeit, wieder geht ein Jahr zu Ende - memento mori.

Mit Vers 8 habe ich dann ein grammatisches und deshalb auch ein Deutungsproblem:

trägt Trauerfalten
Denn das Verb trägt deutet auf ein Subjekt der dritten Person Singular. Im syntaktischen Kontext wären diesbezüglich nur das Sandkorn oder die Sonne als Subjekt denkbar, aber in der Metaphernlogik würde das nicht aufgehen, weil sie keine Falten haben können. So richtig erschließt sich mir das nicht, aber vielleicht habe ich auch etwas übersehen?

Und dann kommen wir zum Ende des Gedichtes, welches mit einem originellen Bild aufwartet. Ein ausgewrungener Euter - originell, aber auch irgendwie leicht eklig anmutend, wie ich finde. Es fällt mir schwer, mit dieser Metapher warm zu werden, gleichsam finde ich sie außergewöhnlich und auch irgendwie gut. Nun, wie dem auch sei, es hat mir jedenfalls viel Spaß gemacht, mich mit deinem Gedicht zu beschäftigen.

Ich sende dir freundliche Grüße
Frodomir

Edit: Hm, ich glaube der Kiesel ist auch ein Symbol für die Sonne, oder?
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Frodomir,
herzlichen Dank für deine ausführlichen Worte zu meinem Stück.

Jetzt gerade nur ganz kurz - bin arbeiten - "trägt" meint doch die Stirn
Sie trägt die Trauerfalten.

Kiesel und Sandkorn sind "Meataphern" für Miniaturen, also für etwas das "wenig" ist.

Ja, der Euter der Erinnerungen. Hm, es überascht wohl nicht wenn ich sage das die Metapher mir gefällt.
Er füllt sich im Frühling und im Sommer mit der "Milch" der warmen Jahreszeit, mit Bildern und Eindrücken, die dem lyrich helfen über den Winter zu kommen.

Na, und dieser pralle Euter wurde schon vom November geleert.

Dir einen lieben Gruß
Ralf
 

Frodomir

Mitglied
Hallo Ralf Langer,

vielen Dank für deine Antwort.
"trägt" meint doch die Stirn
Sie trägt die Trauerfalten.
Ja, jetzt sehe ich es auch. Mir unverständlich, wie ich das übersehen konnte. Vor allem weil ich Enjambements ebenfalls gern nutze.

Liebe Grüße
Frodomir
 



 
Oben Unten