Novemberaquarell

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G

Gelöschtes Mitglied 16867

Gast
In der letzten Zeile eleganter:

Im Sterben Drang zur schwarzen Stille fand
 
Du hast an trüben Wassern nicht gespart,
die Farben sorgsam weggeschlossen,
nun ist die Welt ins Grau zerflossen
und in den Himmel schreibst du federzart

mit feinem Pinselstrich und ruhiger Hand
den dunklen Saum entblößter Bäume
als ein Gefieder alter Träume,
das endlich in die schwarze Stille fand.
Hallo James,

hier ist ein nachdenkliches Pendant zu Peter Hacks buntem, fröhlichem (Kinder-)Gedicht „Der Herbst steht auf der Leiter“ zu lesen. Beide Texte beschreiben eine personifizierte Jahreszeit oder einen Monat, die/der als Maler(in) tätig wird. In deinen Versen erscheint die Novembernatur als Künstlerin, die gleichsam die Landschaft mit „unbunten“ Farben entfärbt oder eintrübt und den Oktober mit seinen warmen Farben ablöst – das lyrische Ich blickt der Natur, dem "Du", in ihrem künstlerischen Schaffen fasziniert über die Schulter, ist mit ihr im Zwiegespäch und führt gebannt ihren Blick in die Weite fort ("Himmel", "Welt ins Grau"). Dies ermöglicht dem lyrische Ich, sich ( durch den Blick Richtung Horizont ) von der rein stofflichen Welt zu lösen und einen Schritt ins Metaphysische zu gehen, was in den letzten drei Versen durch ein wunderbares Bild zum Ausdruck gebracht wird. Inhaltliches Kernthema ist bestimmt die Fähigkeit, loszulassen - von der Last nicht verwirklichter Träume ...

Ein Gedicht der ersten Liga.

Gruß,
Artbeck
 

James Blond

Mitglied
Lieber Artbeck,

ich habe mit sehr viel Freude deinen tiefgreifenden Kommentar gelesen. So etwas habe ich mir gewünscht und deshalb auch vor einer erneuten Veröffentlichung in diesem Forum nicht zurückgeschreckt.
Ja - der November als Aquarellkünstler ist mir seinerzeit begegnet, als ich eine Allee entlaubter Bäume durchfuhr und von der Ausstrahlung ganz verzaubert wurde. Zwar male ich auch gern mit Aquarellfarben, doch dieses Bild der Wasserfarben steht noch aus. Wie aufgereihte Federn säumten die Bäume die Straßen. Nicht Chaos, nicht Zerstörung, sondern Ordnung und Stille, Aufbereitung und Gefasstheit hinterließen damals einen bleibenden Abdruck.

Ich muss gestehen, dass der November für mich mit zunehmendem Alter an Attraktivität gewonnen hat, er entspricht wohl bereits meiner inneren Jahreszeit.

Liebe Grüße
JB
 



 
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