Das Plädoyer
Nein, Herr Richter, ich habe keinen Anwalt, da ich sicher bin, ich kann meine Angelegenheiten ganz gut selber regeln und möchte ihnen nur ganz kurz, in ein, zwei Sätzen, darlegen, wie die Situation sich aus meiner Sicht, der Sicht eines deutschen Beamten mit 28 Jahren Dienstzeit in einer Behörde, aus der Sicht eines Mannes, der sich mit 56 Jahren noch nicht alt fühlt, darstellt, denn mit 56 fangen einige Männer erst richtig an zu leben, suchen sich eine knackige, junge Freundin, einige beginnen jetzt eine Karriere, manche werden noch mal Vater und auch mein Leben nahm kurz nach meinem 56. Geburtstag, an einem herrlichen Spätsommertag, ich war den ganzen Tag im Garten beschäftigt gewesen und hatte deshalb meine allerältesten Klamotten an, eine entscheidende Wende, denn nachdem unsere jüngste Tochter Andrea es mit knapp 28 Jahren endlich geschafft hatte, einen Trottel zu finden, der so dumm war, sie zu heiraten und aus unserem Haus, welches nach meinem Dafürhalten jetzt wieder ein gemütliches Heim werden sollte, in dem ich mich in Ruhe und Beschaulichkeit auf meinen in Kürze bevorstehenden Ruhestand vorbereiten wollte, ausgezogen war, begann meine Frau Lore, der lebendige Protest gegen jedweden Versuch der Einhaltung der Brigitte-Diät, die Klägerin, zu spinnen, ihr würde die Decke auf den Kopf fallen, sie hätte es satt, täglich meine miese Visage anzuschauen, meine stinkenden Socken zu waschen und ähnliche Freundlichkeiten, wobei ihre Stimme, mit der sie mühelos Glas und Porzellan auf eine Entfernung von mehreren Metern atomisieren konnte, der Wissenschaft wahrscheinlich völlig unbekannte und ungeahnte Frequenzen erreichte, die in mir erstens einen Tinnitus und zweitens die Angst auslösten, wir würden es mit allen Hunden der Nachbarschaft, und das sind eine ganze Menge, denn in unserer Siedlung hält man sich nicht nur für etwas Besseres, sondern auch einen Hund, zu tun bekommen, was aber zum Glück nicht eintraf und so riet ich ihr, ihre überschüssigen Energiereserven doch produktiv und zum Wohle der Menschheit einzusetzen, wobei ich selbstverständlich in allererster Linie mein eigenes Wohl im Sinn hatte, und sich eine Stellung zu suchen, ich könne sie mir recht lebhaft als Marktschreierin auf dem allmorgentlich um fünf Uhr stattfindenden Fischmarkt vorstellen, so a la „Bananen-Dieter“ oder „Blumen-Paul“, doch damit löste ich nur eine weitere Kakophonie und Raserei aus, denn sie schlug mir erstens vor, zum Teufel zu gehen, und als ich ihr daraufhin ganz unschuldig grinsend offenbarte, ich könne mir vorstellen, dass es bei ihrem Enkel wenigstens ein bisschen ruhiger zugehen würde, zweitens eine halbvolle, wohlgemerkt, eine halbvolle Bierflasche über den Kopf, schleifte mich, jetzt blutüberströmt und nach Bier stinkend wie ein Penner am Tag der Sozialhilfeauszahlung, vor die Tür und rief, als ich mich nach einer Stunde immer noch nicht aufgerappelt hatte, mit unschuldig säuselnder Stimme einen Notarzt an und erzählte, sie hätte einen dieser widerlichen Obdachlosen, die man ja in letzter Zeit nicht nur in der Großstadt, sondern auch schon so oft in unserer sonst so beschaulichen Vorstadtsiedlung anträfe, völlig betrunken und schwerverletzt in ihrem Vorgarten gefunden und zehn Minuten später befand ich mich, angeschnallt auf einer Trage, in einem Rettungswagen des Malteser-Hilfsdienstes, und ein überaus netter junger Arzt, Typ Komm-ich-heut-nicht,-komm-ich-morgen, kümmerte sich, nachdem er mich geringschätzig von oben bis unten angeschaut und sich in aller Ruhe die Aids-Handschuhe übergestreift hatte, um meine Verletzungen und schrie mich dabei fortwährend an, ich solle mir ja nicht einfallen lassen, ihm seinen schönen, neuen Wagen vollzukotzen, was aber durch den oben bereits erwähnten Tinnitus irgendwie nicht richtig bei mir angekommen sein muss, denn ich erbrach mich während der Fahrt ins Krankenhaus doch noch, allerdings nicht in den schönen, neuen Wagen sondern in die Kitteltasche des netten, jungen Mannes, der mich daraufhin für den Rest der Fahrt nicht nur nicht mehr be-, sondern anscheinend auch verachtete und auf dem Doktorstuhl des Rettungswagens saß und über den Missbrauch der sozialen Einrichtungen unseres Vaterlandes dozierte bis wir schließlich die Klinik erreichten, aber mir noch einige Verwünschungen hinterherschickte, als ich in den OP verfrachtet wurde, die sich von denen meiner Ehefrau Lore in keinster Weise unterschieden, worauf mir spontan der Gedanke kam, bei dem jungen Mann könne es sich um den von Lore angesprochenen Herrn Teufel handeln, doch das spielte ja jetzt keine Rolle mehr, da ich in die Obhut einer Krankenschwester entlassen worden war, die mich entfernt an ein Wesen erinnerte, vor dem ich mich vor noch gar nicht allzu langer Zeit in einem dieser grässlichen Mitternachts-Gruselschocker im Fersehen gefürchtet habe, nur dass diese eine Brille auf dem Rüssel,-Entschuldigung, auf der ..Nase, trug, durch deren Gläser sie mich mit klodeckelgroßen Augen anstarrte, Gläser, die sicher nicht von einem Optiker stammten sondern von OBI, Abteilung Glasbausteine, und die anscheinend so schwer waren, dass die Frau sich nur noch vornübergebeugt fortbewegen konnte, weswegen sie auch sofort den mich umgebenden Biernebel wahrnahm und mir mit den Worten, hier käme wohl in letzter Zeit nur noch so ein asoziales, stinkendes Geschmeiss an, dass sich im besoffenen Kopp denselbigen aufgeschlagen habe und sie käme sich langsam vor wie die Putzfrau in der Bahnhofsmission, ein Spritze von der Größe eines Bocksbeutels verabreichte, die mich ad hoc ins Reich der Träume versinken ließ, aus dem ich, nach ich weiß nicht wie langer Zeit, durch einen stechenden Schmerz im Schenkel zurück in die brutale Realität gerissen wurde, einer Realität, die im Wesentlichen daraus bestand, dass ich erst einmal blind war und außer dem Wort „Thrombosespritze“ und einem darauffolgenden, heftigen Türknallen, nichts hören konnte, was in mir aber, wie Sie jetzt vielleicht erwartet haben könnten, keine Panik auslöste, denn nachdem ich festgestellt hatte, dass das Blindsein von einem festen Verband rund um meinen Schädel stammte und ich mich durch herumtasten davon überzeugt hatte, dass ich mich auf einer Pritsche in einer Art Besenkammer befand, wodurch ich mir auch die hier herrschende Ruhe erklären konnte, ließ ich mich ganz entspannt zurückfallen und genoss das Gefühl des Nichts-sehen-und-hören-könnens oder -wollens, ein Gefühl, dass ich bisher nur an meinem gemütlichen Schreibtisch in meinem Büro im Untergeschoss des Einwohnermeldeamtes, in dem ich für Namensänderungen, Buchstabe W-Z, zuständig bin, genießen konnte, doch dann fiel mir siedendheiß ein, dass sich ja, wenn ich jetzt für eine längere Zeit ausfallen sollte, niemand um mein Aquarium, dass ich mit der Gewissenhaftigkeit eines deutschen Beamten pflege und das mir durch das lustige herumflitschen der Schleierschwänze und das behäbige Auf-dem-Grund-liegen des Welses einen gewissen Ausgleich zum Stress des Tagesgeschäftes bietet, kümmern würde, denn meine Sekretärin, Frau Schulze-Löckebömm, hatte mir bereits mehrfach ihre Abneigung gegenüber diesen „glitschigen Dingern“ bekundet und Petersen, der Bürobote, war so dumm wie ein Toastbrot, der würde wahrscheinlich an dem Aquarium den Knopf zum umschalten suchen, also nahm ich mir vor, schon allein aus Verantwortungsgefühl den mir anvertrauten Lebewesen gegenüber, sehr schnell wieder gesund zu werden und als der Schädelbasisbruch dann nach einiger Zeit keine Beschwerden mehr bei mir verursachte habe ich das Krankenhaus auf eigene Verantwortung verlassen und genau so fand ich dann auch unser Haus vor, -verlassen nämlich, aber mit überquellendem Briefkasten, aus dem ich zwischen Prospekten, Rechnungen, Mahnungen, „letzten Mahnungen“ und anderen postalischen Ergüssen auch einen Brief eines Anwalts fand, in dem er mir mitzuteilen sich herabließ, seine Mandantin, Frau Hannelore St*** habe die Scheidung der Ehe beantragt und, zwecks Einhaltung der Trennungsfrist von einem Jahr, die gemeinsame Ehewohnung ab dem 20.04.1998 verlassen, und sie habe außerdem zur Wahrung ihres Lebensstandards ihre eigenen, von ihr selbst in die Ehe eingebrachten Möbel, den Sperrmüll also, der seit Jahren auf dem Dachboden vor sich hin moderte, sowie die Hälfte der gemeinsam während der Ehe angeschafften Möbel und Gebrauchsgegenstände einbehalten, wobei mir auffiel, dass wir sehr, sehr bescheiden gelebt haben müssen, denn die Räume waren so gut wie leer, doch zurück zum Brief des Anwalts, in dem er schrieb, seine Mandantin habe die Hälfte des gemeinsamen Sparguthabens vom Konto 08/15 4711 bei der SPAKA für sich selbst abgehoben und die verbleibende zweite Hälfte zur Sicherung kommender Ansprüche kennwortgeschützt neu angelegt, sähe sich aber nicht in der Lage, mir das Kennwort preiszugeben, sei jedoch jederzeit bereit, mich über den Kontostand, der sich zur Zeit auf DM 316,28 belaufe, zu informieren, was eine Nachricht war, die mich ein wenig besorgt werden ließ, denn ich schien bei dem Schädelbruch doch einiges zurückbehalten zu haben, anders konnte ich es mir nicht erklären, dass die Hälfte von circa 17.000 plötzlich nur noch 316,28 ist, aber ich beruhigte mich schnell wieder, denn der Brief war ja von einem Anwalt, und da wird ja wohl alles seine Richtigkeit haben, und ich las gleich weiter und war erstaunt, ..dass seine Mandantin von mir den ihr nach der „Düsseldorfer Tabelle“ zustehenden Ehegatten-Unterhalt zum Leben in Höhe von 3/7 meiner monatlichen Einkünfte fordere und, da ich auf eine entsprechende erste Aufforderung nicht reagiert hätte, bereits einen, ebenfalls kennwortgeschützten, Dauerauftrag bei der SPAKA erteilt habe wobei ich mit den verbleibenden DM 800.- ja sehr gut zurechtkommen müsste, da ich ja, im Gegensatz zu seiner Mandantin, keine Miete zu zahlen hätte, was in mir den Verdacht aufkeimen ließ, ich hätte eventuell eine Mathematik-Reform verpasst, denn dass 4/7 von 4900 Mark 800 Mark sind, war mir vollkommen neu, doch als deutscher Beamter nimmt man erst einmal alles als gegeben hin, was irgendwo niedergeschrieben steht und rechnet später nach, wenn der Vorgang den Unterschriftenweg hinter sich hat, und so akzeptierte ich auch diese neue Rechenart unter Vorbehalt und war nur froh, dass sie nicht vergessen hatten, dass das Haus, welches ich von meinen Eltern geerbt habe, mir ganz allein gehört, aber die Freude erhielt gleich im nächsten Satz einen Dämpfer, als er mir mittteilte, dass seine Mandantin, sollte sie erfahren, dass ich beabsichtige, das Haus zu veräußern, gezwungen sei, die Erbansprüche der gemeinsamen Kinder Bernd und Andrea in Höhe von 50 v.H. des Erlöses geltend zu machen, außerdem für sich selber die Hälfte der während der Ehedauer erzielten Wertsteigerung von Grundstück und Gebäude, was nach meiner Rechnung für mich einen Erlös von Null ausmachen würde, denn nachdem ich alle Forderungen erfüllt hätte, würde sich den Rest mit Sicherheit das Finanzamt holen, wobei ich die Kollegen von der Lohn- und Einkommenssteuer, Buchstabe S bis SCH, die für mich zuständig sind, nicht schlecht machen will, im Gegenteil, beim jährlichen Weihnachtskegeln der Stadtverwaltung haben wir immer eine Menge Spaß miteinander, doch ich will nicht abschweifen, der Brief war ja noch nicht zu Ende, er wurde sogar ein bisschen persönlicher, denn der Anwalt teilte mir im Auftrag seiner Mandantin mit, dass sie die entstandene Situation bedaure, einen Versöhngsversuch, falls er von mir eingefordert werden sollte, aber nicht akzeptieren würde, wobei mir das Wort „Versöhnungsversuch“ im Zusammenhang mit Lore einige Kopfschmerzen bereitete, im wahrsten Sinne des Wortes sozusagen, denn ich konnte mich nur froh und glücklich schätzen, dass wenigstens meine Haare schon wieder ein bisschen nachgewachsen waren, deshalb überflog ich diesen Abschnitt des Briefes auch zügig und kam dann zum Ende, in dem es wieder einmal ums liebe Geld ging, denn der Anwalt schrieb, dass er sich, da sich seine Mandantin derzeit in einer durch mich verschuldeten finanziellen Notlage befände und nicht in der Lage sei, sein, des Anwalts, Honorar in Höhe von DM 14.326,75 zu begleichen, an mich als den zur Zeit noch rechtmäßigen Ehegatten seiner Mandantin wende und um Begleichung der Rechnung innerhalb 14 Tagen auf eines der unten angegebenen Konten bitte, woraufhin ich sofort zu Stift und Papier griff und ihn in schriftlicher Form, aber immer höflich und niemals beleidigend, wie er es dem Hohen Gericht heute weismachen wollte, darauf hingewiesen habe, ich würde ihm wegen erwiesener Dummheit, denn anders kann man es ja wohl nicht nennen, eine Frau wie Lore zur Mandantin zu nehmen, sein Honorar auf, sagen wir mal, DM 316,28 kürzen, die er sich dann von meinem Restguthaben auf dem Sparkonto 08/15 4711 bei der SPAKA, für das ich ihm mit diesem Schreiben die Vollmacht erteile, abholen könne, vorausgesetzt, er erführe das Kennwort, doch worauf ich eigentlich bei meinen ersten kurzen Ausführungen heraus wollte, Herr Richter, ist, den Antrag von Lore, Verzeihung - der Klägerin, die Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres wegen erwiesener seelischer Grausamkeit, begründet auf der absurden Anschuldigung, ich würde niemals auf den Punkt kommen, zu scheiden, als völlig überzogen abzulehnen, und was mein Aquarium angeht...Herr Richter, Herr Richter schlafen sie?
Nein, Herr Richter, ich habe keinen Anwalt, da ich sicher bin, ich kann meine Angelegenheiten ganz gut selber regeln und möchte ihnen nur ganz kurz, in ein, zwei Sätzen, darlegen, wie die Situation sich aus meiner Sicht, der Sicht eines deutschen Beamten mit 28 Jahren Dienstzeit in einer Behörde, aus der Sicht eines Mannes, der sich mit 56 Jahren noch nicht alt fühlt, darstellt, denn mit 56 fangen einige Männer erst richtig an zu leben, suchen sich eine knackige, junge Freundin, einige beginnen jetzt eine Karriere, manche werden noch mal Vater und auch mein Leben nahm kurz nach meinem 56. Geburtstag, an einem herrlichen Spätsommertag, ich war den ganzen Tag im Garten beschäftigt gewesen und hatte deshalb meine allerältesten Klamotten an, eine entscheidende Wende, denn nachdem unsere jüngste Tochter Andrea es mit knapp 28 Jahren endlich geschafft hatte, einen Trottel zu finden, der so dumm war, sie zu heiraten und aus unserem Haus, welches nach meinem Dafürhalten jetzt wieder ein gemütliches Heim werden sollte, in dem ich mich in Ruhe und Beschaulichkeit auf meinen in Kürze bevorstehenden Ruhestand vorbereiten wollte, ausgezogen war, begann meine Frau Lore, der lebendige Protest gegen jedweden Versuch der Einhaltung der Brigitte-Diät, die Klägerin, zu spinnen, ihr würde die Decke auf den Kopf fallen, sie hätte es satt, täglich meine miese Visage anzuschauen, meine stinkenden Socken zu waschen und ähnliche Freundlichkeiten, wobei ihre Stimme, mit der sie mühelos Glas und Porzellan auf eine Entfernung von mehreren Metern atomisieren konnte, der Wissenschaft wahrscheinlich völlig unbekannte und ungeahnte Frequenzen erreichte, die in mir erstens einen Tinnitus und zweitens die Angst auslösten, wir würden es mit allen Hunden der Nachbarschaft, und das sind eine ganze Menge, denn in unserer Siedlung hält man sich nicht nur für etwas Besseres, sondern auch einen Hund, zu tun bekommen, was aber zum Glück nicht eintraf und so riet ich ihr, ihre überschüssigen Energiereserven doch produktiv und zum Wohle der Menschheit einzusetzen, wobei ich selbstverständlich in allererster Linie mein eigenes Wohl im Sinn hatte, und sich eine Stellung zu suchen, ich könne sie mir recht lebhaft als Marktschreierin auf dem allmorgentlich um fünf Uhr stattfindenden Fischmarkt vorstellen, so a la „Bananen-Dieter“ oder „Blumen-Paul“, doch damit löste ich nur eine weitere Kakophonie und Raserei aus, denn sie schlug mir erstens vor, zum Teufel zu gehen, und als ich ihr daraufhin ganz unschuldig grinsend offenbarte, ich könne mir vorstellen, dass es bei ihrem Enkel wenigstens ein bisschen ruhiger zugehen würde, zweitens eine halbvolle, wohlgemerkt, eine halbvolle Bierflasche über den Kopf, schleifte mich, jetzt blutüberströmt und nach Bier stinkend wie ein Penner am Tag der Sozialhilfeauszahlung, vor die Tür und rief, als ich mich nach einer Stunde immer noch nicht aufgerappelt hatte, mit unschuldig säuselnder Stimme einen Notarzt an und erzählte, sie hätte einen dieser widerlichen Obdachlosen, die man ja in letzter Zeit nicht nur in der Großstadt, sondern auch schon so oft in unserer sonst so beschaulichen Vorstadtsiedlung anträfe, völlig betrunken und schwerverletzt in ihrem Vorgarten gefunden und zehn Minuten später befand ich mich, angeschnallt auf einer Trage, in einem Rettungswagen des Malteser-Hilfsdienstes, und ein überaus netter junger Arzt, Typ Komm-ich-heut-nicht,-komm-ich-morgen, kümmerte sich, nachdem er mich geringschätzig von oben bis unten angeschaut und sich in aller Ruhe die Aids-Handschuhe übergestreift hatte, um meine Verletzungen und schrie mich dabei fortwährend an, ich solle mir ja nicht einfallen lassen, ihm seinen schönen, neuen Wagen vollzukotzen, was aber durch den oben bereits erwähnten Tinnitus irgendwie nicht richtig bei mir angekommen sein muss, denn ich erbrach mich während der Fahrt ins Krankenhaus doch noch, allerdings nicht in den schönen, neuen Wagen sondern in die Kitteltasche des netten, jungen Mannes, der mich daraufhin für den Rest der Fahrt nicht nur nicht mehr be-, sondern anscheinend auch verachtete und auf dem Doktorstuhl des Rettungswagens saß und über den Missbrauch der sozialen Einrichtungen unseres Vaterlandes dozierte bis wir schließlich die Klinik erreichten, aber mir noch einige Verwünschungen hinterherschickte, als ich in den OP verfrachtet wurde, die sich von denen meiner Ehefrau Lore in keinster Weise unterschieden, worauf mir spontan der Gedanke kam, bei dem jungen Mann könne es sich um den von Lore angesprochenen Herrn Teufel handeln, doch das spielte ja jetzt keine Rolle mehr, da ich in die Obhut einer Krankenschwester entlassen worden war, die mich entfernt an ein Wesen erinnerte, vor dem ich mich vor noch gar nicht allzu langer Zeit in einem dieser grässlichen Mitternachts-Gruselschocker im Fersehen gefürchtet habe, nur dass diese eine Brille auf dem Rüssel,-Entschuldigung, auf der ..Nase, trug, durch deren Gläser sie mich mit klodeckelgroßen Augen anstarrte, Gläser, die sicher nicht von einem Optiker stammten sondern von OBI, Abteilung Glasbausteine, und die anscheinend so schwer waren, dass die Frau sich nur noch vornübergebeugt fortbewegen konnte, weswegen sie auch sofort den mich umgebenden Biernebel wahrnahm und mir mit den Worten, hier käme wohl in letzter Zeit nur noch so ein asoziales, stinkendes Geschmeiss an, dass sich im besoffenen Kopp denselbigen aufgeschlagen habe und sie käme sich langsam vor wie die Putzfrau in der Bahnhofsmission, ein Spritze von der Größe eines Bocksbeutels verabreichte, die mich ad hoc ins Reich der Träume versinken ließ, aus dem ich, nach ich weiß nicht wie langer Zeit, durch einen stechenden Schmerz im Schenkel zurück in die brutale Realität gerissen wurde, einer Realität, die im Wesentlichen daraus bestand, dass ich erst einmal blind war und außer dem Wort „Thrombosespritze“ und einem darauffolgenden, heftigen Türknallen, nichts hören konnte, was in mir aber, wie Sie jetzt vielleicht erwartet haben könnten, keine Panik auslöste, denn nachdem ich festgestellt hatte, dass das Blindsein von einem festen Verband rund um meinen Schädel stammte und ich mich durch herumtasten davon überzeugt hatte, dass ich mich auf einer Pritsche in einer Art Besenkammer befand, wodurch ich mir auch die hier herrschende Ruhe erklären konnte, ließ ich mich ganz entspannt zurückfallen und genoss das Gefühl des Nichts-sehen-und-hören-könnens oder -wollens, ein Gefühl, dass ich bisher nur an meinem gemütlichen Schreibtisch in meinem Büro im Untergeschoss des Einwohnermeldeamtes, in dem ich für Namensänderungen, Buchstabe W-Z, zuständig bin, genießen konnte, doch dann fiel mir siedendheiß ein, dass sich ja, wenn ich jetzt für eine längere Zeit ausfallen sollte, niemand um mein Aquarium, dass ich mit der Gewissenhaftigkeit eines deutschen Beamten pflege und das mir durch das lustige herumflitschen der Schleierschwänze und das behäbige Auf-dem-Grund-liegen des Welses einen gewissen Ausgleich zum Stress des Tagesgeschäftes bietet, kümmern würde, denn meine Sekretärin, Frau Schulze-Löckebömm, hatte mir bereits mehrfach ihre Abneigung gegenüber diesen „glitschigen Dingern“ bekundet und Petersen, der Bürobote, war so dumm wie ein Toastbrot, der würde wahrscheinlich an dem Aquarium den Knopf zum umschalten suchen, also nahm ich mir vor, schon allein aus Verantwortungsgefühl den mir anvertrauten Lebewesen gegenüber, sehr schnell wieder gesund zu werden und als der Schädelbasisbruch dann nach einiger Zeit keine Beschwerden mehr bei mir verursachte habe ich das Krankenhaus auf eigene Verantwortung verlassen und genau so fand ich dann auch unser Haus vor, -verlassen nämlich, aber mit überquellendem Briefkasten, aus dem ich zwischen Prospekten, Rechnungen, Mahnungen, „letzten Mahnungen“ und anderen postalischen Ergüssen auch einen Brief eines Anwalts fand, in dem er mir mitzuteilen sich herabließ, seine Mandantin, Frau Hannelore St*** habe die Scheidung der Ehe beantragt und, zwecks Einhaltung der Trennungsfrist von einem Jahr, die gemeinsame Ehewohnung ab dem 20.04.1998 verlassen, und sie habe außerdem zur Wahrung ihres Lebensstandards ihre eigenen, von ihr selbst in die Ehe eingebrachten Möbel, den Sperrmüll also, der seit Jahren auf dem Dachboden vor sich hin moderte, sowie die Hälfte der gemeinsam während der Ehe angeschafften Möbel und Gebrauchsgegenstände einbehalten, wobei mir auffiel, dass wir sehr, sehr bescheiden gelebt haben müssen, denn die Räume waren so gut wie leer, doch zurück zum Brief des Anwalts, in dem er schrieb, seine Mandantin habe die Hälfte des gemeinsamen Sparguthabens vom Konto 08/15 4711 bei der SPAKA für sich selbst abgehoben und die verbleibende zweite Hälfte zur Sicherung kommender Ansprüche kennwortgeschützt neu angelegt, sähe sich aber nicht in der Lage, mir das Kennwort preiszugeben, sei jedoch jederzeit bereit, mich über den Kontostand, der sich zur Zeit auf DM 316,28 belaufe, zu informieren, was eine Nachricht war, die mich ein wenig besorgt werden ließ, denn ich schien bei dem Schädelbruch doch einiges zurückbehalten zu haben, anders konnte ich es mir nicht erklären, dass die Hälfte von circa 17.000 plötzlich nur noch 316,28 ist, aber ich beruhigte mich schnell wieder, denn der Brief war ja von einem Anwalt, und da wird ja wohl alles seine Richtigkeit haben, und ich las gleich weiter und war erstaunt, ..dass seine Mandantin von mir den ihr nach der „Düsseldorfer Tabelle“ zustehenden Ehegatten-Unterhalt zum Leben in Höhe von 3/7 meiner monatlichen Einkünfte fordere und, da ich auf eine entsprechende erste Aufforderung nicht reagiert hätte, bereits einen, ebenfalls kennwortgeschützten, Dauerauftrag bei der SPAKA erteilt habe wobei ich mit den verbleibenden DM 800.- ja sehr gut zurechtkommen müsste, da ich ja, im Gegensatz zu seiner Mandantin, keine Miete zu zahlen hätte, was in mir den Verdacht aufkeimen ließ, ich hätte eventuell eine Mathematik-Reform verpasst, denn dass 4/7 von 4900 Mark 800 Mark sind, war mir vollkommen neu, doch als deutscher Beamter nimmt man erst einmal alles als gegeben hin, was irgendwo niedergeschrieben steht und rechnet später nach, wenn der Vorgang den Unterschriftenweg hinter sich hat, und so akzeptierte ich auch diese neue Rechenart unter Vorbehalt und war nur froh, dass sie nicht vergessen hatten, dass das Haus, welches ich von meinen Eltern geerbt habe, mir ganz allein gehört, aber die Freude erhielt gleich im nächsten Satz einen Dämpfer, als er mir mittteilte, dass seine Mandantin, sollte sie erfahren, dass ich beabsichtige, das Haus zu veräußern, gezwungen sei, die Erbansprüche der gemeinsamen Kinder Bernd und Andrea in Höhe von 50 v.H. des Erlöses geltend zu machen, außerdem für sich selber die Hälfte der während der Ehedauer erzielten Wertsteigerung von Grundstück und Gebäude, was nach meiner Rechnung für mich einen Erlös von Null ausmachen würde, denn nachdem ich alle Forderungen erfüllt hätte, würde sich den Rest mit Sicherheit das Finanzamt holen, wobei ich die Kollegen von der Lohn- und Einkommenssteuer, Buchstabe S bis SCH, die für mich zuständig sind, nicht schlecht machen will, im Gegenteil, beim jährlichen Weihnachtskegeln der Stadtverwaltung haben wir immer eine Menge Spaß miteinander, doch ich will nicht abschweifen, der Brief war ja noch nicht zu Ende, er wurde sogar ein bisschen persönlicher, denn der Anwalt teilte mir im Auftrag seiner Mandantin mit, dass sie die entstandene Situation bedaure, einen Versöhngsversuch, falls er von mir eingefordert werden sollte, aber nicht akzeptieren würde, wobei mir das Wort „Versöhnungsversuch“ im Zusammenhang mit Lore einige Kopfschmerzen bereitete, im wahrsten Sinne des Wortes sozusagen, denn ich konnte mich nur froh und glücklich schätzen, dass wenigstens meine Haare schon wieder ein bisschen nachgewachsen waren, deshalb überflog ich diesen Abschnitt des Briefes auch zügig und kam dann zum Ende, in dem es wieder einmal ums liebe Geld ging, denn der Anwalt schrieb, dass er sich, da sich seine Mandantin derzeit in einer durch mich verschuldeten finanziellen Notlage befände und nicht in der Lage sei, sein, des Anwalts, Honorar in Höhe von DM 14.326,75 zu begleichen, an mich als den zur Zeit noch rechtmäßigen Ehegatten seiner Mandantin wende und um Begleichung der Rechnung innerhalb 14 Tagen auf eines der unten angegebenen Konten bitte, woraufhin ich sofort zu Stift und Papier griff und ihn in schriftlicher Form, aber immer höflich und niemals beleidigend, wie er es dem Hohen Gericht heute weismachen wollte, darauf hingewiesen habe, ich würde ihm wegen erwiesener Dummheit, denn anders kann man es ja wohl nicht nennen, eine Frau wie Lore zur Mandantin zu nehmen, sein Honorar auf, sagen wir mal, DM 316,28 kürzen, die er sich dann von meinem Restguthaben auf dem Sparkonto 08/15 4711 bei der SPAKA, für das ich ihm mit diesem Schreiben die Vollmacht erteile, abholen könne, vorausgesetzt, er erführe das Kennwort, doch worauf ich eigentlich bei meinen ersten kurzen Ausführungen heraus wollte, Herr Richter, ist, den Antrag von Lore, Verzeihung - der Klägerin, die Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres wegen erwiesener seelischer Grausamkeit, begründet auf der absurden Anschuldigung, ich würde niemals auf den Punkt kommen, zu scheiden, als völlig überzogen abzulehnen, und was mein Aquarium angeht...Herr Richter, Herr Richter schlafen sie?