nur ein Schiff der E - Klasse

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Hagen

Mitglied


nur ein Schiff der E - Klasse




Wer sind diese,

mit den weißen Kleidern angetan,

und woher sind sie gekommen?

Offenbarung 7, 13

Der Kalender über dem Tisch behauptete, es sei der 24.Dezember, und die Uhr darunter meinte, es sei 21:33. Uhr. Jemand hatte einen künstlichen Tannenzweig dran geklebt. Die Plastiktannennadeln zitterten leicht, die Vibrationen der Triebwerke unseres Raumschiffes pflanzten sich durch das gesamte Schiff fort.

Der Alarm erreichte uns, als wir in der winzigen Messe saßen.

Dorsy setzte ruckartig ihren Raumhelm auf und ließ die Verschlüsse einschnappen. Ich war nicht ganz so schnell, sprang auch auf und landete erst mal unter der Decke. Immer wieder vergaß ich, dass der Antigraw bei Alarm die ohnehin halbe Erdschwere an Bord nochmal um die Hälfte reduzierte, um das Vorwärtskommen in den recht klobigen Druckanzügen zu erleichtern.

Ich hetzte hinter Dorsy her, in die Zentrale. Esther und Frieda standen dort schon neben dem Tiefenradar, sie hatten den Grund des Alarms bereits identifiziert, der Plot wies ein fremdes Raumschiff aus, ein Objekt der E-Klasse.

Objekte der E-Klasse waren unverzüglich zu vernichten, keine Überlebenden durften aufgenommen werden und es durfte kein Kontakt zu den feindlichen Besatzungsmitgliedern hergestellt werden, weder per Funk noch visuell. Absolut keiner.

„Welches Arsch hat sich das bloß ausgedacht?", sagte ich zu Dorsy. Esther und Frieda zuckten zusammen, sie mussten zusammenzucken, sie waren die Kommandanten dieses Raumkreuzers der Prien-Klasse im Cygnusnebel. Sie waren Berufssoldaten, und sie waren lesbisch, während Dorsy und ich noch genau dreiundneunzig Tage bei der Spaceforce hatten und ‘normal‘ waren, im Gegensatz zu Giovanni und Giuliano, die beide noch zweihundertvierundsiebzig Tage hatten und auch eine Schlafröhre benutzten, wie Esther und Frieda, und Dorsy und ich; - alles normal auf der Spirit of Freedom, drei Paare.

Die Psychologen hatten sich ausgedacht, dass bei drei Paaren am wenigsten Spannungen während der langen interstellaren Flüge auftreten; - aber ich war mir nicht sicher, ob sie sich das so vorgestellt hatten.

„Übernehmen sie!", befahl Esther.

„Rihgdy-right, - dreiundneunzig!“, bestätigte ich den Befehl und meldete den diensthabenden Kommandanten gleichzeitig meine restliche Dienstzeit. Dorsy rülpste nur als Bestätigung, sie verachtete die beiden Lesben weil sie Berufssoldaten waren.

Ich turnte in die Sichtkuppel, während Dorsy sich in den Pilotensitz zwängte und den Sidestick in die Hand nahm. Mit einer lässigen Handbewegung schaltete sie alle Automatiken aus und schob sich einen Kaugummi in den Mund.

Ich schwenkte mir das Waffenbedienpaneel vor den Bauch, aktivierte den Monitor vor mir und wischte mit einer fahrigen Handbewegung das Plastikweihnachtsbäumchen mit den hektisch blinkenden Lämpchen vom Keybord.

Das alberne Bäumchen konnten nur die beiden Schwulen angebracht haben, ich nahm mir vor, sie gelegentlich mal zur Sau zu machen, weil sie die 5 Volt TTL-Leitung angezapft hatten, um den blöden Baum zum Blinken zu bringen.

„Ich brauche das Feindbild", murmelte ich in das Helmmikrophon und Esther betätigte einige Schalter am Tiefenradar. Auf dem Monitor erschien das Bild eines Raumschiffs, ich schaltete das Bild auch zu Dorsys Head-up-Display durch.

„Dank' dir, Schatz", sagte Dorsy.

„Oh, bitte bitte, gerne geschehen."

Dorsy hatte das gegnerische Schiff jetzt genau vor sich. Wir waren gut aufeinander eingespielt, Dorsy, die Pilotin und ich, der Waffenoperateur, es machte die Kommandanten überflüssig; - und die Kommandanten hassten das.

Giovanni und Giuliano trafen jetzt auch in der Zentrale ein.

Sie hatten eigentlich dienstfrei, aber bei Alarm hatte jeder in der Zentrale zu sein.

„Was ist los?", fragte einer der beiden Gis.

„Wir haben ein Objekt erfasst und identifiziert. E-Klasse", sagte Frieda, "Angriff ist bereits eingeleitet. Halten sie sich bereit!“

Die beiden Gis setzten sich an die Bedienpaneele der Flächenlaser.

"Entfernung zwotausend", sagte Dorsy.

„Sei so lieb und folge auf der Spur, ich mache den Schirm bei einsfünf auf, Okay?"

„Okay", sagte Dorsy, „hast du mal eine Zigarette?"

„Während des Angriffs ist Rauchen verboten!", sagte Esther, ich gab Dorsy ein Päckchen Zigaretten. Dorsy blies eine Kaugummikugel, ließ sie mit einem dumpfen Knall platzen und zündete sich eine Zigarette an.

„Ich brauch das jetzt! Wegen dem Stress!“

Ein kaum sichtbarer, goldfarbener Nebel umfloss die Sichtkuppel, in der ich saß. Dieser Nebel kam unzweifelhaft aus dem Triebwerk des Schiffes der E-Klasse vor uns. Seit Wochen waren wir hinter ihm her, waren ihm auf dieser goldenen Spur, die es hinter sich herzog wie ein Kondensstreifen, gefolgt.

Heute war es endlich in den Erfassungsbereich des Tiefenradars gelangt, und wir schoben uns nun langsam heran, bis auf Sichtweite.

Das Objekt der E-Klasse vor uns war weiß, strahlend weiß, mit goldenen Konturen und goldenem Triebwerksausstoß.

Ein Impuls, eine innere Stimme versuchte mir zu raten, die Spacetorpedos nicht zu aktivieren, dieses schöne Schiff vor uns zu verlieren, es als ‘lost object‘ ins Bordbuch einzutragen.

Dorsy sah zu mir herauf, sie hätte den Sidestick nur eine Winzigkeit bewegen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, das Schiff der E-Klasse in diesem Stadium des Angriffs für immer zu verlieren, war sehr hoch.

„Entfernung einsacht", sagte Dorsy emotionslos.

Plötzlich spürte ich seltsame Klänge, von dem weißen Schiff vor uns ausgehend, das unbekannte Triebwerk in dem weißgoldenen Objekt der E-Klasse vor uns mochte sie verursachen, aber normalerweise ist das Vakuum des Weltalls nicht in der Lage, Töne zu übertragen, aber der Klang dieses Schiffes hörte sich an wie Musik, wie die Musik, die Dorsy und ich manchmal hörten, wenn wir in der Sichtkuppel saßen, halbherzig unseren Dienst versahen und in der unendlichen, tiefschwarzen Einsamkeit des Weltraumes füreinander da waren, Händel: Konzert für Harfe, Andante allegro, Wagenseil: Andante, Boildieu: Andante – Lento – attacca…

„Entfernung einssieben", meldete Dorsy.

In uns breitete sich ein unerklärliches Fieber aus, ‘Jagdtrieb‘ sagen manche Leute dazu, das gleiche Fieber, das den Jäger dazu treibt, stundenlang im Ansitz zu verharren, Rheuma und Ischias in Kauf zu nehmen, um dann irgendwann zum Schuss zu kommen, - ein Reh, oder einen Löwen mit Blattschuss zu erlegen.

Das Schiff vor uns machte keine Ausweichbewegung, wir schoben uns dichter heran, Dorsy meldete einssechs.

„Scatterhead-Torpedos fertigmachen!” befahl Esther.

Ich machte einen Space-Drohne scharf. Sie hatte uns das Schiff für den Angriff übergeben, und in solchen Situationen entschied der Waffenoperateur.

Die Scatterheads hätten das Schiff vor uns total atomisiert, sie besitzen eine ungeheure Sprengkraft, die Drohnes sind in ihrer Wirkung schwächer, aber sie besitzen die Fähigkeit, in die Triebwerke der Feindschiffe zu kriechen und nur diese zu zerstören. Die Zelle der Schiffe blieb im Allgemeinen heil, aber sicher war das auch nicht.

„Entfernung einsfünf", meldete Dorsy.

„Einsfünf", bestätigte ich.

Das Fadenkreuz auf dem Monitor vor mir ging genau durch das weiße Schiff.

Mein Daumen hob die Sicherungskappe über der Taste zum Auslösen des Spacetorpedos.

LOCKED.

Die Schrift auf dem Monitor begann zu blinken, langsam, ‘Operateur Action‘ heißt das. Der Space-Drohne hatte das Ziel erfasst, - fire and forget; - er hätte sein Ziel gefunden und wir hätten abdrehen können, die Versagerquote war gleich Null.

Die seltsamen Klänge aus dem Objekt der E-Klasse schwollen an, aber nur Dorsy und ich schienen sie wahrzunehmen.

Der Drohne lauerte im Launcher wie ein sprungbereiter Hund mit zitternden Flanken, aber die seltsamen Klänge schienen unsere Seelen zu streicheln, sie zu küssen und zu liebkosen.

Dorsy nahm den Schub zurück und hielt unser Schiff auf Distanz.

Es gab Gerüchte von unbekannten Strahlen, Schiffe mit unbekannten Antrieben; - sie warteten, bis wir den Schutzschirm öffneten um die Spacetorpedos zu starten, und sie atomisierten uns dann sekundenschnell durch diese Öffnungen - Gerüchte - aber sie hielten sich hartnäckig, und das Bordbuch sagte nichts aus über die Bewaffnung des Objektes der E-Klasse vor uns, das weiße Schiffs doch benahm sich friedfertig, wie Jesus als er ans Kreuz geschlagen wurde.

Aus Dorsys Helm löste sich eine Rauchwolke nach der anderen. Immer wenn Dorsy angespannt war, rauchte sie mit tiefen Zügen.

Genau wie ich hielt sie das weiße Schiff für einen Köder, der uns dazu bewegen sollte, den Schirm zu öffnen, aber gleichzeitig wollten uns die seltsam-faszinierenden Klänge hindern, den Spacetorpedo freizugeben, die Klänge sprachen die unverhärteten Teile unserer Seelen an.

Mein Zeigefinger schwebte über der Auslösetaste des Spacetorpedos, die LED in der Taste blinkte im Operateur-Action-Rhythmus.

Wir hatten die schmutzig-schwarzen Schiffe der Stoorks angegriffen und vernichtet, wie hatten die tall kings der Cygner besiegt, diese gewaltigen Triangelschiffe, für die man mindestens drei Drohnes brauchte, wir waren jedes Mal schulmäßig mit einem halben Spin nach dem Schuss abgedreht - und manchmal hatten wir uns volllaufen lassen, anschließend, um uns zu betäuben, um die Gedanken an die Raumfahrer der anderen Rasse in die Gedärme zu spülen…

„Na, wird‘s bald?" Esthers Stimme klang ruhig wie die Stimme eines Menschen, der sich nichts vorstellen kann, der kritiklos jedem Befehl folgt, ohne sich eigene Gedanken zu machen, der mit rennt, wenn irgendjemand meint, die Höhe '19' nehmen zu müssen…

„Ist sonst noch ein Objekt im Erfassungsbereich?" Ich stellte die Frage um Zeit zu gewinnen, dem weißen Schiff eine letzte Chance, ich wusste, das Esther 'nein' sagen würde, auch wenn der Weltraum unter uns voller Feinde wäre, die nur darauf warteten, dass wir den Schirm öffneten.

„Nein", sagte Esther, „mach` schon! Anschließend abdrehen!“

Die seltsamen Klänge schwollen erneut an, und in mir machte sich Angst breit. Mit Meuterern ging man auch in unserem Zeitalter gnadenlos um: Sauerstoff für vierundzwanzig Stunden, und ab durch die Schleuse.

Dorsys und meine restliche Dienstzeit betrug noch dreiundneunzig Tage, und wir hatten nach der Entlassung aus der Spaceforce noch viel vor.

Die beiden Gis fingerten nervös an den Bedienelementen der Flächenlaser herum, schalteten die Bereiche der Sichtgerate fortwährend um, und die beiden Lesben standen seltsam emotionslos an Bordrechner und Tiefenradar.

Die vier hatten den Vorteil, das wunderschöne weiße Schiff nicht direkt sehen zu können, während Dorsy und ich das Gefühl hatten, einem guten Freund mit der Pistole in der Hand gegenüber zu treten, um ihm tränenden Auges die Hirnschale wegzuschießen.

Ich konnte mir nicht vorstellen, wo der Sinn lag.

Der Steg zwischen Heldentum und langsamem Tod im Weltraum war zu schmal, mein Finger wurde schwer, die blinkende Taste war gut handwarm, der Drohne verließ den Launcher.

Der Schutzschirm öffnete sich automatisch für die kurze Zeit, die der Torpedo brauchte, um in den Weltraum zu gelangen.

Wir spürten alle das leichte Zittern, welches das Schiff durchlief, als sich der Drohne von unserem Schiff löste.

In Wirklichkeit war natürlich keine Vibration messbar, aber wir spürten es alle.

Ein Raumkreuzer bebt beim Abschuss seiner tödlichen Last. Manchmal vernahm ich auch stöhnende, klagende Laute, als bedauere das Schiff den Zweck seines Daseins.

Als der Spacetorpedo vor uns auftauchte, hüllte sein Ausstoß uns einen winzigen Moment in gleißende Helligkeit bis die Sichtfenster abdunkelten.

Dorsy hätte jetzt eigentlich mit einer halben Drehung aus dem Kurs gehen müssen, schulmäßig, um dem Schiff vor uns präventiv die laserreflektierende Unterseite zu zeigen, aber sie hielt Kurs, sie blieb an dem weißen Objekt der E-Klasse, sie glitt langsam näher, und wir konnten sehen, wie der Drohne in der Öffnung des Haupttriebwerkes verschwand.

Wir konnten es alle sehen, direkt oder über irgendwelche Sichtschirme. Dorsy und ich, Esther und Frieda, Giovanni und Giuliano, aber nur Dorsy und ich spürten, wie die seltsamen Klänge aus dem weißen Schiff verstummten, erstarben und in der Unendlichkeit verrannen…

Das weiße Schiff blähte sich hinten auf, bekam Risse wie ein in Zeitlupe zerplatzender Ballon. Eine gleißende Helligkeit durchtoste das Schiff von innen und drängte zuerst Sichtfenster und Kuppeln ins Weltall. Das gesamte Schiff schien von hinten nach vorne transparent zu werden und sich langsam, ständig Teile und Baugruppen verlierend, aufzulösen.

Früher hatte ich in dieser Phase immer 'fliegenden Schrott' gemeldet, das Signal für Dorsy aus dem Kurs zu gehen, aber diesmal schaffte ich die flapsige Ausdrucksweise einfach nicht, und auch das sonst übliche, wilde Siegesgefühl wollte sich nicht einstellen.

Ich atmete nur ganz flach das Wort "Ausweichen" ins Helmmikrophon, Dorsy drückte den Sidestick etwas.

Die innere Helligkeit des Schiffes vor uns nahm ab, es wurde dunkler, das ehemals schneeweiße Raumschiff mit den golden abgesetzten Konturen erkaltete zu einem schmutzig-grauschwarzen Skelett.

Das Schiff vor uns war tot, es begann schwerelos erkaltend durch das Weltall zu taumeln – klanglos.

Ich hatte es getötet, und die Raumfahrer in ihm auch.

Im Launcher rückte ein neuer Drohne nach, ich schloss die Sicherungsklappe über der Taste.

„Auftrag ausgeführt", sagte Esther, „das ging aber schnell.“ Ihre Stimme klang wie immer emotionslos. Sie wurde die Vernichtung eines Objektes der E-Klasse in das Bordbuch eintragen, ohne auch nur einen Gedanken an die Raumfahrer darin zu verschwenden.

Frieda begann den neuen Kurs auszurechnen, die beiden Gis meldeten sich ab, Dorsy ließ unser Schiff langsam in die Richtung des toten Skeletts treiben. Ich zündete mir auch eine Zigarette an.

„Was soll das?" Esther sah Dorsy an, ihre Stimme klang hart und metallisch, „der neue Kurs wird sofort vorliegen!"

„Wir müssen Außenschäden feststellen", sagte ich langsam, „wir sind eine ganze Weile durch dieses goldene Zeugs geflogen. Wissen sie, was das ist?"

„Nein, aber das ist doch uninteressant!"

„Ist es nicht! Was ist, wenn dieses goldene Zeugs die Einläufe für den Wasserstoff verstopft hat?"

„Dann hätten die Messgeräte das anzeigen müssen! – Ihre Messgeräte Herr Bordingenieur!"

„Wie sie sicher wissen, misstraue ich jeder Technik. Wir hatten schon mal solch einen Fall: Obwohl die Freund – Feindkennung in Ordnung war, hat sie uns einen irdischen carrier als Tall King der Feinde ausgewiesen."

„Gut, aber machen sie schnell, wir haben nicht ewig Zeit."

„Right", sagte ich knapp. „kommst du mit, Dorsy?"

„Selbstverständlich!"

Dorsy dockte unser Schiff auf Entfernung an das tote Raumschiff, der Abstand der beiden Schiffe würde gleich bleiben bis der Befehl wieder aufgehoben wurde.

„Wollen sie etwa auch mit raus?" Esthers Stimme klang entsetzt.

„Natürlich! Bei Outbacking sind zwei Mann Vorschrift! Sie wollen doch nicht gegen die Vorschrift verstoßen, Commander, das wollen sie doch nicht?"

„Gut, aber beeilen sie sich!"

Dorsy klebte ihren Kaugummi an den Sidestick und stand auf. Sie kam zu mir und legte ihre Hand auf das Helmmikrophon.

„Da ist einer von denen rausgekommen!", sagte sie leise und deutete mit den Augen kurz in die Richtung des toten Schiffes.

Ich kniff meine Augen zusammen. Wirklich, zwischen einigen Trümmern schwebte eine winzige, menschliche Gestalt. Ich vermeinte sogar, eine leichte, goldene Corona um die Gestalt auszumachen.

„Wir nehmen das Moped“, sagte Dorsy.

Das Moped ist ein kleiner, offener Raumgleiter für zwei Personen mit einigen Steuerdüsen und einem Rechner, der dafür sorgt, dass unten immer da ist, wo sich das Schiff aufhält.

Ein feines Gerät, das Moped, wir glitten wenig später mit ihm aus der Schleuse und ein paar Mal um unseren Raumkreuzer, an ihm war alles in Ordnung.

Dorsy nahm Kurs auf das tote Schiff.

„Was soll das?", löste sich Esthers Stimme grob digitalisiert aus unseren Helmlautsprechern.

„Dreiundneunzig", murmelte ich, verursachte einige knackende Laute mit der Zunge und schaltete das Funkgerät ab. Dorsy und ich waren nun über Draht abhörsicher miteinander verbunden. Das Funkgerät wollte ich später mit einem Softfail, einem zeitweisen Aussetzer, in die Wartung nehmen.

Langsam glitten wir auf das tote Schiff zu. Eine Feder floss an uns vorbei, eine schneeweiße Feder mit goldenem Rand.

Dorsy zündete die vorderen Schubdüsen und stoppte das Moped, damit neben dem Raumfahrer aus dem ehemals weißen Raumschiff.

Es war eine Frau, und die Frau trug ein langes, wallendes, weißes Gewand. Eine goldene Corona hüllte sie ein. Es musste eine Frau sein, die vor uns sterbend im Weltraum trieb, doch ihre Gesichtszüge waren friedlich.


Als wir neben ihr hielten, öffnete sie ihre Augen und bewegte die Lippen. Wir konnten nicht direkt hören was sie sagte, aber sie sprach durch unsere Seelen zu uns: "...vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!"


Sie schloss die Augen wieder, und die Corona um sie begann sich aufzulösen.


Mit matten Bewegungen schlug sie ein Kreuz, und ihr Arm blieb in der Bewegung stehen.


Ihr Körper begann zu taumeln, drehte sich langsam in der Schwerelosigkeit des Weltalls.


Erst jetzt sahen wir die Flügel auf ihrem Rücken, Flügel aus weißen Federn mit goldenem Rand.


„Mein Gott", flüsterte Dorsy, „wir haben Engel getötet! Jetzt weiß ich auch, weshalb wir keinen Kontakt aufnehmen durften!“
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Die Psychologen hatten sich ausgedacht, dass bei drei Paaren am wenigsten Spannungen während der langen interstellaren Flüge auftreten; - aber ich war mir nicht sicher, ob sie sich das so vorgestellt hatten.
Das verstehe ich nicht: Wie "so"?
 

Hagen

Mitglied
Liebe Jon,
bei langen interstellaren Flügen kann, laut NASA Langeweile auftreten. Laut NASA-Psychologen sind 3 'normale' Paare am Günstigsten, da bei 3 'normalen' Paaren am Wenigsten 'gebaggert' wird. Dass allerdings Schwule und Lesben in Raumschiffen mitfliegen, haben die Psychologen nicht bedacht; - aber in dem Ding scheint es ja zu funktionieren.
Fröhliche Weihnachten!
Wir lesen uns.
Yours Hagen
 

jon

Mitglied
Teammitglied
So in der Richtung hatte ich das schon vernutet, aber: Ich verstehe das "Problem" noch immer nicht. Meinst du, dass bei dieser Konstellation doch viel gebaggert wird? Im Gegenteil doch wohl - niemand findet ein außerpartnerschaftliches Bagger-Ziel. Ginge es (nur) darum, wäre diese Konstellation hier die ideale.
 

Hagen

Mitglied
Finde ich auch, nur war der Protagonist anderer Meinung.
Lassen wir ihn.
In der Geschichte geht es um Anderes!
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Sorry, aber wenn ich als Leser darüber stolpere, ist "der Protagonist ist anderer Meinung" oder "geht es um Anderes" kein überzeugendes Argument. Ich würde an deiner Stelle diese Passage (vor dem dem Weiterverwenden des Textes) wirklich noch ändern. Auch Fehler müssten dann noch behoben werden. (Soll ich sie rauspuhlen?)
Was generell noch fehlt, ist die Erlärung für den letzten Satz. Es ist ein Hammer, dass es Engel sind, bis dahin gehe ich mit. Aber was genau versteht der Protagonist in diesem Moment? Wer hat was gegen die Engel? Wenn sich bei dieser Antwort auch ein Warum andeutet, wäre es schön. Ich bin nicht mal sicher, ob hier ein Krieg herrscht, es um (angeblichen) Terrorschutz oder sowas geht oder die Generäle der Space Force einfach nur Wetten abschließen, wann wo wie viele E-Schiffe abgeschossen werden.
Ich hatte den Eindruck, dass der Prota zum ersten Mal mit so einem E-Schiff zu tun hat, die andern sahen anders aus und haben nicht "gesungen". Dann waren in den anderen Schiffe, die er abschoss wohl auch keine Engel. Also hat das mit den "kein Kontakt!" eigentlich nicht mit den Engeln zu tun. Wenn ich irre, wären Angaben zu diesem Thema vielleicht hilfreich.
Warum sagt der Pota eigentlich die verbleibende Dienstzeit an? (Muss nicht im Text beantwortet werden, denke ich, es gefiele mir aber besser.)

Ein paar Details noch:

Der Kalender über dem Tisch behauptete, es sei der 24.Dezember, und die Uhr darunter meinte, es sei 21:33. Uhr. Jemand hatte einen künstlichen Tannenzweig dran geklebt.
Woran – an Kalender oder Uhr?

Objekte der E-Klasse waren unverzüglich zu vernichten, keine Überlebenden durften aufgenommen werden und es durfte kein Kontakt zu den feindlichen Besatzungsmitgliedern hergestellt werden, weder per Funk noch visuell. Absolut keiner.

„Welches Arsch hat sich das bloß ausgedacht?", sagte ich zu Dorsy. Esther und Frieda zuckten zusammen, sie mussten zusammenzucken, sie waren die Kommandanten dieses Raumkreuzers der Prien-Klasse im Cygnusnebel.
Niemand spricht, dann sagt der Prota "Welcher Arsch …" - deshalb zucken die beiden, weil sie über das plötzliche "Geräusch" erschrecken. Was hat das mit dem Kommandant-Sein zu tun? Wenn sie über die Despektierlichkeit "erschrecken": Woher wissen die, was der Prota meint? Vorher hat niemand was gesagt, auf das die Kommandanten die Äußerung beziehen könnten.

Es musste eine Frau sein, die vor uns sterbend im Weltraum trieb, doch ihre Gesichtszüge waren friedlich.
Wieso "doch"? Haben Frauen normalerweise keine friedllichen Gesichtszüge? (Nein, grammatisch bezieht sich das nicht auf den Einschub "sterbend".)
 
Zuletzt bearbeitet:

Hagen

Mitglied
Für mich schon!
Der Protagonist und der Schreiber sind stets zu unterscheiden, selbst wenn der Schreiber in der ersten Person schreibt!

Eine strenge und unumstößliche Regel, was man lesen sollte und was nicht, ist albern. Man sollte alles lesen. Mehr als die Hälfte unserer heutigen Bildung verdanken wir dem, was wir nicht lesen sollten.
(Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, 1854-1900)
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Für mich schon!
Der Protagonist und der Schreiber sind stets zu unterscheiden, selbst wenn der Schreiber in der ersten Person schreibt!

Eine strenge und unumstößliche Regel, was man lesen sollte und was nicht, ist albern. Man sollte alles lesen. Mehr als die Hälfte unserer heutigen Bildung verdanken wir dem, was wir nicht lesen sollten.
(Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, 1854-1900)
Erstens: Ist es nicht sinnvoller, dass der Leser den Protagonisten versteht? Du hast so viele Erklärpassagen im Text, warum muss ausgerechnet diese fehlen? (Wobei es ja auch noch die Alternative gibt, den Teil "; - aber ich war mir nicht sicher, ob sie sich das so vorgestellt hatten." einfach zu streichen, wenn dir nicht einfällt, was der Prota damit wohl gemeint haben könnte.)

Zweitens: Die Trennung Autor - Figur betrifft Meinungen, die nicht deckungsgleich sein müssen, sie enthebt den Autor nicht der Pflicht, dem Leser plausibel zu machen, was denn eigentlich die Meinung der Figur ist.

Drittens: Mit dem Argument, der Protagonist denke das nun mal so, kann man sich aus jedem Quatsch rausreden (na zumindest, es versuchen).

Das Zitat ist hübsch, hat jedoch mit den genannten Problemen nichts, aber auch gar nichts zu tun.
 

Hagen

Mitglied
Liebe Jon,
ich möchte mich ganz herzlich für die Mühe, die Du mit mir gibst, bedanken.
Kaum jemand aus der Leselupe macht so was.
Ich weiß das zu schätzen, ehrlich.
Aber meine Herzensdame und Testleserin fand den Text in Ordnung.
Einiges, so sprach sie, muss man auch der Phantasie des Lesers überlassen, überfrachte den Text nicht mit Erklärungen!
Aus diesem Grunde möchte ich den Text so lassen wie er ist.
Ich hoffe, wir lesen uns weiterhin.
Herzlichst
yours Hagen

_______________________
„Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht.
Man kann sie finden, man kann sie leben, man kann von ihr getragen werden, man kann mit ihr Wunder tun, aber sagen und lehren kann man sie nicht.“
(Siddhartha)
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Einiges, so sprach sie, muss man auch der Phantasie des Lesers überlassen, überfrachte den Text nicht mit Erklärungen!
Stimmt: Überfrachtung ist nie gut. Aber wenn für die Geschichte wichtige Infos fehlen, dann funktioniertdei Geschichte nicht.
Wenn es z. B. darum ginge, dass der Erzähler etwas "Verstörendes" über Kollegen erfährt (die Kommandanten sind in Wirklichkeit gar nicht zwei Frauen, sondern Frau und geschlechtsloser Android), dann wäre es (wahrscheinlich) egal, warum die Crew eigentlich hier ist und Schiffe abschießt.
Wenn es aber darum geht, dass der Auftraggeber Kontaktaufnahme verboten hat und dem Prota dann klar wird, warum, muss man schon erfahren, wer der Auftraggeber ist und/oder was die Mission ist (sie wird wohl nicht mit "Schiffe abschießen" "vermarktet" werden). So ist es zwar nett, dass der Protagonist versteht, der Leser es aber im Dunkeln. Es ist nämlich ein himmelweiter Unterschied,
  • ob die Engel tatsächlich böse sind und bei Kontaktaufnahme dem Gegner (z. B.) das Hirn aufweichen (oder anderswie manipulieren),
  • ob sie gute Engel sind und der böse (menschliche) Auftraggeber sie einfach "nur" ausrotten möchte und
    • ob das aus Antipathie oder aus Furcht vor Machtverlust geschieht,
  • ob die Engel Planeten bewohnen, die der Auftraggeber gern hätte (oder eine andere wirtschaftliche Konstellation),
  • ob der Auftraggeber die Existenz von Engeln verheimlichen will (und warum)
  • ob (wenn wir von offenbar halbwegs echten Engeln reden) Gott/"Gott" hinter der Schießaktion steht oder der Teufel/"Teufel" etc. pp.
All das bestimmt, worum es in der Geschichte geht.
Auch ist es kontrapoduktiv, den Leser zum Rätseln über etwas für die Geschichte eher Unerhebliches zu veranlassen und damit für praktisch nichts aus der Geschichte rauszureißen, wie bei dem Beispiel mit der "3 Paare"-Regel.
Und: Familie und Freunde sind nicht die zuverlässigsten Testleser - sie sind in mehrfacher Hinsicht zu nah dran.

Frage: Wenn du ohnehin nichts ändern willst (die Fehler willst du aber schon noch ausbessern, oder?), warum stellst du die Geschichte dann auf eine Textarbeitsplattform?
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Hagen,

das normal für Heteros solltest Du unbedingt überdenken. Selbst in Anführungsstrichen ist es diskriminierend.
Die Geschichte ist mir insgesamt zu sehr auf Weihnachten gebürstet. SF-technisch bleibt da nix übrig.

cu
lap
 

Hagen

Mitglied
Hallo ihr Beiden,
„Allen Menschen recht gethan, ist eine Kunst, die niemand kann.“
„So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.“

Ich werde das leidige Ding nun löschen und wünsche Euch fröhliche Weihnachten.
Hagen
 



 
Oben Unten