Nur eine Fischplatte in Darenwede

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Hagen

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Ein knappes Jahr nachdem die Gärtnerin Henriette Blütenschön und der Schreiner Hendrik Hobelsam in den heiligen Stand der Ehe getreten waren, kündigte sich Nachwuchs an und man beschloss dieses Ereignis gemeinsam mit dem ersten Jahrestag ihrer Vermählung gebührend zu feiern. Es sollte eine Feier werden, welche man in Darenwede nicht so schnell vergessen sollte.

Gar manchen Abend saßen Henriette und Hendrik traulich bei einem Glas Wein zusammen, kraulten die Katze Klytaimnestra und überlegten, wie sie ihren ersten Jahrestag zu einem unvergesslichen Ereignis machen könnten.

Den Grund, warum man sich dazu entschloss, eine Fischplatte zu servieren, ist ebenso ungeklärt wie die Umstände, die zum Tod von Jimmy Hendrix geführt haben sollen.

Sei es, dass die Fischbrötchen auf dem einige Zeit zurückliegenden Kirmes den beiden gar wohl gemundet hatten, sei es, dass Klytaimnestra bisweilen an dem Dorfteich anzutreffen war, wo sie den Welsen, Barben und Aalen begehrliche Blicke zuwarf, oder ob Henriette sich einiger Fischrezepte erinnerte, von denen ihre selige Großmutter bei besonderen Gelegenheiten Gebrauch zu machen pflegte, oder ob Klytaimnestra die zündende Idee für eine Fischplatte lieferte, weil sie am entscheidenden Abend überraschend aufsprang, das Haus verließ und kurz darauf mit einer kleinen Forelle heimkehrte, welche sie Hendrik zu Füßen legte, liegt noch heute im Dunkel der Darenweder Geschichte.

Wie dem auch sei, man entschloss sich, die Feier am folgenden Wochenende zu begehen, und zwar in Hendriks Werkstatt. Diese stand zwar noch voll der von Hendrik Hobelsam gefertigten Spielgeräte für den Maria Montessori-Spielplatz zu Darenwede, aber bis zum Wochenende würden die Geräte auftragsgemäß installiert sein; - so die Planung der Eheleute Hobelsam.

Alsbald wurden die Einladungen verschickt und die Vorbereitungen für die Feier, die unvergesslich bleiben sollte, in Angriff genommen.

Hendrik installierte die Spielgeräte auf dem Maria Montessori-Spielplatz bis auf die Schaukel, weil ihn ein plötzlich einsetzender Regenguss davon abhielt litt er doch, da er zu vergangenen Zeiten in der unbeheizten Werkstatt gearbeitet hatte, unter mächtigem Rheuma.

Henriette indes trieb die Vorbereitungen voran, sie stellte aus Soja- und Oystersauce, gelber Currypaste, Ingwer und selbstgezogenem Zitronengras einen Sud her. Für die Morchel-Champagner-Soße zog sie die Zwiebeln ab, würfelte und dünste sie in Butter glasig. Des Abends, als ihr Mann vom Kindergarten heimkehrte, gab sie die Morcheln dazu, füllte das Ganze mit Sahne auf und ließ es eindicken. Nach dem Geschmack ihres Mannes gab sie Champagner dazu, und der wünschte es nicht zu knapp. Da man gerade dabei war, leerte man noch eine kleine Flasche Champagner und ging schlafen.

Am nächsten Morgen suchte Hendrik den Großmarkt in der Stadt auf und kaufte die Fische. Viele Fische. Aale, Makrelen, Forellen, Lachs, Butterfisch, Schillerlocken, Saiblingfilet sowie Garnelen und Krabben der mannigfaltigsten Art wanderten in die Einkaufskörbe und Hendrik fuhr heiteren Gemütes heimwärts.

Am Morgen des Tages, an dem die Feier stattfinden sollte, tauchte Henriette die Garnelen in die vorbereitete Morchel-Champagner-Soße, wälzte sie in Kokosflocken und briet sie derart, dass ihrem Manne bereits beim bloßen Anblick das Wasser Munde zusammenlief.

Die Fische wurden noch hübsch und ansehnlich auf einer Platte aus Delfter Porzellan mit selbstgezogener Petersilie, Tomaten und mancherlei Gemüse aus dem Gärtchen Henriettes drapiert und im Wohnzimmer bereit gestellt.

Als Henriette noch dabei war, eine Cocktailsauce aus Mayonnaise, Tomatenmark, Ahornsirup, Tabasco und Cognac herzustellen, erschienen bereits die ersten Gäste:

Der Klempnermeister Darenwedes Rolf Röhricht nebst damaliger Gattin Luise.

Rolf Röhricht, er war zu dem Zeitpunkt noch Pianist der Jazzband ‘Darenweder Roof Orchesters‘, schlug ganz spontan vor, das Piano Forte, ein Erbstück von Henriettes seliger Großmutter, aus dem Wohnzimmer in die Werkstatt, in der die Feier absolviert werden sollte, zu verbringen, da seine Gattin zur kulturellen Bereicherung der Festivität einige Chansons eingeübt hatte, welche Klavierbegleitung benötigten.

Der Vorschlag wurde mit Begeisterung aufgenommen und die Herren transportierten das Piano Forte in die Werkstatt, begleitet von Frau Luise Röhricht, die gute Ratschläge gab. Henriette indes füllte die Cocktailsauce in mehrere kleine Schälchen und trug sie ins Wohnzimmer.

Dort wurde sie Klytaimnestras ansichtig, die auf der Fischplatte saß und sich an den Makrelen, Forellen, Lachsen und Butterfischen gütlich tat.

Während Henriette Hobelsam das Raubtier raus schmiss, fällte sie die folgenschwere Entscheidung, den Kollateralschaden auf der Fischplatte sorgsam mit Garnitur zu kaschieren und das von ihr kreierte Arrangement aus Edelfischen mit stolzem Lächeln zu kredenzen.

Also geschah es während die anderen Gäste fröhlichen Gemütes eintrafen.

Nach dem Aperitif machte man sich über die Fischplatte her und des Klempners Gattin brachte aus dem Forellenquintett von Franz Schubert ‘Die launische Forelle‘ zu Gehör. Da sie gerade dabei war, intonierte sie noch ‘Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da‘, was zur Folge hatte, dass für sie nur noch einige Garnelen in Morchel-Champagner-Soße auf der Platte verblieben, die sie mit Genuss zu sich nahm, während Doktor Jodstein bereits mit der Gattin des Bürgermeisters Jitterbug tanzte.

Nachdem der Applaus verklungen war, eskalierte die Feier dahingehend, dass die Schaukel, die für den Maria Montessori-Spielplatz vorgesehen war, in den Garten gebracht und dort von Luise und Rolf Röhricht einer praxisgerechten Prüfung unterzogen wurde, während der Bürgermeister Darenwedes höchstpersönlich ‘Komm auf die Schaukel Luise‘ intonierte.

Ein weiterer kultureller Höhepunkt dieser Feier war ein klassischer Schleiertanz, dargeboten von der Jogalehrerin Adele Irmingard Abendschön.

Bevor man sich zum Csárdás aufstellte, traten einige der anwesenden Herren mit Cognacschwenkern in den Händen vor die Tür des Hauses um eine Zigarre zu rauchen und sich gegenseitig zu versichern, dass es sich bei dieser um eine äußerst gelungene Feier handelt.

Als diese Herren in behaglicher Gemütslage den Cognac im Schwenker kreisen ließen, wurden sie einer toten Katze ansichtig, die vor den Haus lag.

Die tote Katze wurde als Leichnam Klytaimnestras identifiziert, und die Aufregung war groß, zumal Henriette Hobelsam ein umfassendes Geständnis darüber ablegte, dass Klytaimnestra kurz vor Eintreffen der Gäste von der Fischplatte genascht hatte.

Adele Irmingard Abendschön vermutete, dass die Fischplatte vergiftet worden war und drohte an, in Ohnmacht oder Schlimmeres zu fallen, sollten nicht sofort umfangreiche Rettungsmaßnamen eingeleitet werden. Dieser Ansicht schlossen sich die übrigen Gäste an, man alarmierte das Darenweder Krankenhaus und der Rettungswagen sowie der örtliche Taxifahrer Bertram Bleifuss hatten gut zu fahren, um die ganze Gesellschaft zum Magenauspumpen ins Hospital zu bringen.

Sehr zur Freude von Bertram Bleifuss konnte die ganze Gesellschaft nach einigen Stunden blutdruckstabil und beschwerdefrei wieder nach Hause geschickt werden.

Wie der Kapitän das sinkende Schiff zuletzt verlässt, kehrten auch die Eheleute Hobelsam als Letzte in etwas gedämpfter Gemütslage zu ihrer Behausung zurück, wo der Leichnam Klytaimnestras noch immer vor der Tür lag. Erst jetzt bemerkten sie den Zettel unter der Katze, welcher in der Aufregung übersehen worden war:

Tut mir leid. Ich hab Ihre Katze überfahren, als sie über die Straße gegangen ist! stand dort geschrieben. Die Unterschrift war jedoch unleserlich.

Um dieser Geschichte doch noch etwas positives abzugewinnen, sei erwähnt, dass das Rheuma Hendrik Hobelsams nach eigener Formulierung ‘wie aus dem Fenster geschmissen ist‘, seit er das Fell Klytaimnestras um den Leib geschnallt trägt.

Zu Denken gibt indes, dass Adele Irmingard Abendschön nach jener denkwürdigen Feier ein starker Damenbart wuchs, was sie auf den Verzehr der Garnelen in Morchel-Champagner-Soße zurückführte.
 



 
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