Obstbaum im Winter

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hermannknehr

Mitglied
Den matten Glanz von Silberspiegeln
hat diese Landschaft, dieser Baum,
und wie aus alten Farbentiegeln
zurückgelassen ist das Braun,

der Äste, die ins Ungewisse
sich weit verzweigen und verlieren,
den Himmel wie durch feine Risse
fast ornamentenhaft verzieren.

So steht er, hat den Nachmittag
für sich, arglos wie alle Dinge
und sorgt sich nicht um den Ertrag

den er im Herbst an Früchten bringe.
Gelassen und unendlich weit
steht er und übersteht die Zeit.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
vgl. Im Wald (mondnein, 29.2.2014)

Dieses schöne Sonett hat einige Gemeinsamkeiten mit den letzten beiden Strophen des (vierstrophigen) Lieds "Im Wald", das ich am 29.2.2014 in der Leselupe eingebracht habe:
Dort von der Buche spiegeldunklen Häuten
Von austernrauhen Eichen und Robinien
Siehst du der Mutter perlmuttweiche Linien
In die planetenreifen Tropfen gleiten

Ihr Brunnenlied im Grabesschoß der Erde
Erfüllt die arabesken Himmelsrisse
Aromisch mit dem Trunk der Finsternisse
In Knospenmündern quillt es still Es-werde
Deshalb berührt es mich wie ein alter Freund.

Warum bekommt es nur sieben Punkte von den strengen Lesern?
(Wenn ich jetzt mitwerte, gehts leider noch tiefer runter, da meine Zehen inzwischen als Sechser - doch nicht im Lotto - zählen. Außerdem kommt es mir fast schon wie Inzucht vor.)
 
Hallo hermannknehr,
kein Komma hinter Braun, dafür aber Kommas hinter Dinge und Ertrag.
Das "arglos" würde ich an den Anfang der Zeile verschieben - "arglos für sich wie alle Dinge" (dann hier keine Kommas). Im Zeileninnern gefällt mir der verschobene Ton (arglós) nicht so gut.
Für mich würde auch gehen "verliern" und "verziern", weil die Abwechslung von männlichem und weiblichem Reim (wie schon in der ersten Strophe und in der 9.-12. Zeile, die im Grunde eine Strophe bilden) guttäte.
Du hast am Abfang das schöne Bild von den Silberspiegeln - das ließe sich am Ende wieder aufnehmen: "steht er und spiegelt Ewigkeit".
Mit Gruß
E. L.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Mondnein,
vielen Dank für Deine lieben Worte. Das mit der Bewertung ist so eine Sache. Ich mache mir nichts daraus und habe mir auch angewöhnt, keine Bewertung mehr zu vergeben. Wenn mir etwas besonders gefällt oder missfällt, so schreibe ich das dem Autor direkt. Die Benotungen in der Leselupe werden nach meinen bisherigen Erfahrungen allzu sehr von Sympathie und Antipathie bestimmt.
LG
Hermann
 

hermannknehr

Mitglied
Den matten Glanz von Silberspiegeln
hat diese Landschaft, dieser Baum,
und wie aus alten Farbentiegeln
zurückgelassen ist das Braun

der Äste, die ins Ungewisse
sich weit verzweigen und verlieren,
den Himmel wie durch feine Risse
fast ornamentenhaft verzieren.

So steht er, hat den Nachmittag
für sich, arglos wie alle Dinge,
und sorgt sich nicht um den Ertrag,

den er im Herbst an Früchten bringe.
Gelassen und unendlich weit
steht er und übersteht die Zeit.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Eike Leikart,
was würde ich nur tun, wenn es nicht einen wie Dich gäbe, der mich auf meine Syntax-Fehler aufmerksam machte. Ich wäre verloren bzw. blamiert. Also vielen Dank, die fehlenden Kommata sind gesetzt, bzw. die überzähligen weggelassen.
Mit Deinen stilistischen Vorschlägen (auch dafür vielen Dank) kann ich mich nicht so recht anfreunden. "Verliern" und verziern" gefällt mir nicht, männlicher und weiblicher Reim hin oder her. "Arglos" finde ich nicht verschroben und steht auch in der Mitte der Zeile gut. "Steht er und spiegelt Ewigkeit" wäre jetzt für mich etwas zu schwülstig. Nein, der Baum steht einfach da, gelassen, ohne die Hektik des Menschen und übersteht die Zeit (vor allem den Winter).
Gruß
Hermann
 

Herr H.

Mitglied
Lieber Hermann,
wie ein Gemälde führst du hier ein Winterbild vor Augen, tief empfunden und in Rilke-Stil gedichtet - ich bin beeindruckt. Kleine Anmerkung: Ein wenig holpert der Rhythmus nach meinem Eindruck in der fünftletzten Zeile. Wie wäre es mit: "für sich, so arglos wie die Dinge"?

LG Arnd
 

hermannknehr

Mitglied
Den matten Glanz von Silberspiegeln
hat diese Landschaft, dieser Baum,
und wie aus alten Farbentiegeln
zurückgelassen ist das Braun

der Äste, die ins Ungewisse
sich weit verzweigen und verlieren,
den Himmel wie durch feine Risse
fast ornamentenhaft verzieren.

So steht er, hat den Nachmittag
für sich, so arglos wie die Dinge,
und sorgt sich nicht um den Ertrag,

den er im Herbst an Früchten bringe.
Gelassen und unendlich weit
steht er und übersteht die Zeit.
 

hermannknehr

Mitglied
Lieber Arnd,
vielen Dank, dass Dir mein Gedicht gefällt. Deinen Vorschlag habe ich übernommen. Ich betone ja gerne einzelnen Wörter in einem Gedicht gerne "falsch", um das ganze etwas aufzulockern und vom Leiern wegzukommen. Aber in diesem Falle hast Du wohl recht. Vielen Dank nochmal.
Liebe Grüße
Hermann
 
Hallo Hermannknehr, ich merke schon, ich fange an, Dich zu nerven. Aber gerade, weil Du gute Texte schreibst, sehe ich nicht ein, dass sie Kommafehler enthalten. Und zur Glättung des arglos hast Du Dich nun doch durchgerungen. Na also! Die Wiederaufnahme des Spiegels wird Dir vielleicht auch irgendwann noch einleuchten!
Gruß
E. L.
 



 
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