Obstfliegen

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ackermann

Mitglied
Neulich war ich wieder mal beim Friseur. Bei meinem neuen Friseur.Von meinem alten Friseur hatte ich mich schon vor Jahren getrennt. Er hatte das gesetzliche Rentenalter längst überschritten, seine Hände zitterten und ich fürchtete um meine Gesundheit.

Ich hatte damals wirklich ein schlechtes Gewissen.

Wenn ich Ihm dann in der Stadt begegnete, ging ich auf die andere Straßenseite um seinem vorwurfsvollen Blick zu entgehen. Und wenn dann noch seine Frau dabei war, war es besonders schlimm. Die Blicke, meine ich.

Vielleicht hätte ich eine Abschiedsparty schmeißen sollen.
Alle Bekannte und Verwandte einladen. Zum Haare schneiden. Bei Ihm. Dem alten Friseur.

Mein neuer Friseur wurde dann eine Friseurkette.
Im Kaufland. In der Shopping-Mall. Da, wo die anderen Läden auch sind. Von außen kann man die Frisösen bei der Arbeit beobachten. Waschen, schneiden, legen. Sehr spannend. Doch, wirklich.

Keine Wartezeiten. Angeblich. Und keine Voranmeldung. Das stimmte. Das mit der Wartezeit nicht. Aber es gibt Zeitungen. Und ein Getränk. Mineralwasser oder Kaffee. Einmal machte ich den Fehler und sagte: "Ja, bitte Kaffee." Nach dem ersten Schluck hätte ich aufstehen und gehen sollen. Aber ich blieb. Wegen der Frisörinnen. Alle sind sie gleich gekleidet. Was aber nicht bei Allen gleich gut aussieht.

Nebenbei bemerkt: Mir ist dort noch keine Friseuse begegnet, die wirklich eine gute Frisur gehabt hätte. Ist natürlich alles subjektives Empfinden, klar. Aber irgendwo gibt es eine Grenze. Auch bei einer Friseuse.

Wenn ich aus dem Laden rauskomme, sehe ich jedes Mal anders aus. Manchmal erkenne ich mich selbst nicht wieder.
Gehe ich dann an einem Spiegel vorbei, sage ich zu mir selber: "Hallo, dich kenn' ich doch. Hast auch schon mal besser ausgesehen."

Ja, so ist das.

Diesmal hieß meine Friseuse Sabrina.
Woher ich das weiß? Die haben alle Namensschilder am Busen oder wo's halt grad passt.

Ich erschrak. Sabrina sah schlecht aus.
Die aschblond gefärbten Haare umrahmten ein blasses Gesicht. Die Augenpartie war tiefschwarz gefärbt. Die schwarzen Lippen 3-fach gepierct. Klar, Nasenring!
An den Ohren das übliche Altmetall-Sortiment.
Und um die Hüften trug sie einen Revolvergürtel. Nein, natürlich nicht. Aber so etwas ähnliches.
Hinter all diesem Aufwand entdeckte ich dann doch ein zartes kleines Mädchen. Wahrscheinlich war sie ganz hübsch. Aber sie durfte nicht hübsch sein. Wegen der Mode. Naja, egal.

"Wie wollen wir's denn schneiden?"

Ja, wie wollen wir's denn schneiden. Beim Alten hätte ich gesagt: "Wie immer." Aber bei Sabrina ging das nicht. Weil Sabrina hatte ich noch nie.

Ich erklärte es ihr dann ...

"Sie können ruhig kräftig zu langen."
"Von der Länge hinten bitte nur einen Zentimeter."
"Die Ohren sollen noch leicht bedeckt sein."
"Soll halt gut aussehen."

Danach hatte ich eine trockene Kehle und verlangte nach einem Schluck Wasser.
...

Vor 2 oder 3 Jahren hatte ich Jasmin.
Was für ein Name. Wenn ich Jasmin höre, denke ich immer an Flieder. Warum weiß ich nicht.
Ach Jasmin. Ihr Hintern hatte Jennifer Lopez-Qualität und auch sonst war alles okay.
Aber dann machte Sie den Mund auf.

"Wie wollen wir's denn schneiden".

Ich habe nichts gegen Dialekt. Wirklich nicht. Auch ich bin Dialektiker. Aber es gibt eine Grenze. Auch beim Dialekt.
Ich dachte dann nicht mehr an Flieder.

Wir kamen ins Gespräch ...
Sie hatte ein Auto. Vom Erbfeind gebaut. Und das war ständig kaputt. Na klar, dachte ich, wer kauft schon ein Auto vom Erbfeind. Erst neulich wieder - kaputt. Und jedes Mal teuer.
Und dann der Kundendienst. Oh Gott, oh Gott.
Und neue Reifen brauchte sie auch. Obwohl sie ja nicht viel fährt.

Sie tat mir leid.
Ich beschloß ein Spendenkonto einzurichten. Für Flieder, äh, Jasmin.

Irgendwie kamen wir dann auf Obstfliegen zu sprechen.
Ja, es gab viele Obstfliegen in diesem Sommer.
Es war ein heißer Sommer. Ich erzählte von meinem Obst und den Obstfliegen. Schwärme von Obstfliegen.
Und auch Jasmin hatte Obstfliegen. Ganz furchtbar.
Und obwohl sie nur einen kleinen Haushalt hat - "Wir sind nur zu zweit" - hatte sie Obstfliegen. Die Küche voll mit Obstfliegen. Und das, obwohl sie nur ganz wenig Obst kauft: 2 Birnen, 2 Äpfel, 2 Bananen. Eine Gurke.
Ja, dachte ich, wie gemein. Aber so eine Obstfliege macht eben keinen Unterschied.

Die arme Jasmin ... war nur auf reichlich Trinkgeld aus.
Fast wäre ich drauf reingefallen. Fast hätte Sie mich um den Finger gewickelt. Aber nur fast.
An der Kasse gab ich dann das "übliche" Trinkgeld. Sie warf mir einen seeehr merkmürdigen Blick zu und ich suchte das Weite.
 
E

eisblume

Gast
Hallo ackermann,

ich mag den flapsig-lässigen Erzählton deiner Geschichte.
Ich hab nur das Gefühl, als würde ich zwei Geschichten in einer lesen. Mir fehlt der Bezug von Sabrina zu Jasmin. Warum der Rückblick auf den Friseurbesuch vor 2, 3 Jahren? Auch erschließen sich mir die Obstfliegen nicht (aber gut, das kann jetzt wirklich nur an mir liegen).
Ich meine, es wäre wirkungsvoller, wenn du dich nur auf einen Friseurbesuch beschränken oder aber halt einen motivierten Bezug zwischen den beiden herstellen würdest. Wobei mir persönlich der Sabrina-Teil völlig reichen würde. Da sind hübsche Stellen dabei.
So etwas gefällt mir dabei besonders:
Waschen, schneiden, legen. Sehr spannend. Doch, wirklich.
Nebenbei bemerkt: Mir ist dort noch keine Friseuse begegnet, die wirklich eine gute Frisur gehabt hätte. Ist natürlich alles subjektives Empfinden, klar. Aber irgendwo gibt es eine Grenze. Auch bei einer Friseuse.
Wenn ich aus dem Laden rauskomme, sehe ich jedes Mal anders aus.
Ein paar Fehlerchen haben sich noch eingeschlichen, auch stimmt die Zeitenfolge nicht immer. Da müsstest du nochmals ran. Ist aber nicht, was sich nicht ausmerzen ließe. Ich meine, mit ein wenig Überarbeitung könnte das noch richtig gut werden.

Lieben Gruß
eisblume
 
Hallo Ackermann,

auf Jasmin würde ich auch verzichten, aber das Auto vom Erbfeind, das Trinkgeld und natürlich die Obstfliegen würde ich Sabrina zuschreiben.
Zur Überschrift:
Zu einer Satire passt das durchaus. Die Zeitungen sind voll von Artikeln, bei denen der Inhalt nur äußerst spärlich oder fast gar nicht von der Überschrift abgedeckt wird. Diese Überschriften sind nur auf Leserfang aus. Aber dieses Recht billige ich Dir voll und ganz zu. Das meine ich ganz ehrlich! Mich hast Du jedenfalls wie eine Obstfliege angelockt.
Ich möchte Deinen Beitrag mit mindestens 7 bewerten, aber dafür musst Du noch ein bisschen was tun.
LG Eberhard
 



 
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