Obstvernichter

Sandra Z.

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Während ich schon von klein auf täglich die von der WHO empfohlene Vitamindosis zu mir nehme, wehrt sich mein Mann seit fast 40 Jahren erfolgreich gegen meine Versuche, eine gesunde Ernährungsweise in seinem Leben zu etablieren. Der Verzehr von Obst scheint wohl so ein „Frauending“ zu sein, anders kann ich mir seine Abneigung nicht erklären. Da ist zum einen die eher weiche Konsistenz vieler Obstsorten. „Wenn ich in einen Pfirsich beiße, seh´ ich ja gleich aus wie d´Sau!“, ist eins seiner Hauptargumente. Auch der Verzehr eines Apfels birgt große Gefahren. Man könnte zum Beispiel einen von diesen blöden Aufklebern erwischen und elendig daran ersticken.

Erst viel später, auf einer Asienreise entdeckte mein Mann viele exotische Obstsorten, die nicht nur hübsch anzuschauen waren, sondern auch ganz anders schmeckten als unsere heimischen Früchte. Anfangs war sein Interesse nur botanischer Natur. Mein Mann hat nämlich einen grünen Daumen und sammelt im Urlaub immer irgendwelche Blumensamen und schmuggelt auch mal Baumsetzlinge im Handgepäck, um diese dann in unserem Garten zu kultivieren.
Eine Frucht hatte es ihm besonders angetan: die chinesische Honigpomelo. Morgens im Hotel fanden wir die Pomelo bereits geschält und in mundgerechte Häppchen zerteilt am Frühstücksbuffet. Mein Mann schob sich ganz spontan ein Stück in den Mund, ohne sich zu bekleckern, und war schockverliebt!
Erst einige Jahre später war die Honigpomelo auch in deutschen Supermärkten zu finden und sie war nicht gerade preiswert, aber das Strahlen in den Augen meines Mannes war einfach unbezahlbar! In der Hoffnung, dass seine Pomelo-Verliebtheit irgendwann in eine allumfassende Vorliebe für Obst umschlagen würde, brachte ich ihm ab und zu ein Exemplar mit. Daheim lag die Pomelo dann erst einmal eine Woche lang im Kühlschrank – nur nichts überstürzen!

Am Sonntagabend, der Tatort ist schon in vollem Gange, springt mein Mann plötzlich auf und ruft: „Jetzt hab ich Lust auf meine Pomelo!“ Wenig später kommt er mit einem großen Tablett aus der Küche zurück - darauf die chinesische Honigpomelo und ein scharfes Messer. Mein Mann nimmt wieder auf dem Sofa Platz und nimmt die exotische Frucht in Angriff. Dazu muss man wissen, dass das Schälen der Pomelo recht mühsam ist und äußerste Konzentration erfordert. Der Tatort neigt sich bereits dem Ende zu, als endlich das erste Stück Fruchtfleisch zum Vorschein kommt. Feierlich arrangiert mein Mann ein paar mundgerechte Stücke auf seiner Handfläche und bieten sie mir wie eine Opfergabe dar: „Da, probier mal, schmeckt super!“ In andächtiger Schweigsamkeit vertilgen wir dann gemeinsam die erste Hälfte der Frucht. Die andere Hälfte wickelt mein Mann sorgfältig in Alufolie und legt sie mit den Worten „die esse ich dann morgen“ zurück in den Kühlschrank. Da liegt sie dann, die chinesische Honigpomelo, bis zur totalen Dehydrierung, bis ich sie in hohem Bogen in den Mülleimer werfe.
 

DocSchneider

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Hallo Sandra Z.,

das ist schön geschrieben und gut zu lesen.

Wenn auch etwas vorhersehbar und ohne die rechte Portion Würze.

Bei Tatort und Melone könnte zeitgleich das Messer angesetzt werden, das wäre eine Idee.

Ich vermute, dass sich das Ganze wie beschrieben zugetragen hat, aber das heißt ja nicht, dass es so erzählt werden muss!

Gruß DS
 

Sandra Z.

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Vielen Dank, DocSchneider! Du meinst also, ich könnte die beiden "Tatorte" in unserem Wohnzimmer miteinander verknüpfen? Gute Idee :)
 

Sandra Z.

Mitglied
Hallo DocSchneider! Hier ist meine Ergänzung:

Während das Tatortopfer sich noch verzweifelt gegen den Angreifer wehrt, hat sich die Pomelo längst ihrem Schicksal ergeben. Mit unbewegter Miene und der Präzision eines Herzchirurgen setzt der Obstvernichter den ersten Schnitt. Die Pomelo bleibt stumm, leistet keinen Widerstand. Während der Tatortkommissar mühsam nach dem Täter sucht, schnitzt der Pomelo-Mörder weiter an der unschuldigen Frucht herum. Stück für Stück zieht er ihr die Haut vom prallen Fruchtfleisch. Schon bald hat der Tatortkommissar den Mörder zur Strecke gebracht und seiner gerechten Strafe zugeführt. Der Pomelo-Mörder kommt ungeschoren davon.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
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So:

Am Sonntagabend, der Tatort ist schon in vollem Gange, springt mein Mann plötzlich auf und ruft: „Jetzt hab ich Lust auf meine Pomelo!“ Wenig später kommt er mit einem großen Tablett aus der Küche zurück - darauf die chinesische Honigpomelo und ein scharfes Messer. Mein Mann nimmt wieder auf dem Sofa Platz und nimmt die exotische Frucht in Angriff. Und während auf dem Bildschirm der vermummte Mörder das Messer an die Kehle des zuvor wehrlos gemachten Opfers setzt, setzt mein Mann zeitgleich den ersten Schnitt in die Schale der Pomelo. Im Fernsehen spritzt Blut, auf unserem Sofa Fruchtsaft. Ungläubig sehe ich, wie mein Mann ungerührt die Pomelo bearbeitet, während im Film das arme Opfer ausblutet. Wer ist hier eigentlich der Täter? Und warum schmeckt mir das angebotene Stück Obst nicht, von dem mein Mann die Haut abgezogen hat? Es ist doch pralles Fruchtfleisch.

Das Fleisch des Toten im Tatort dagegen verliert zusehends an Fülle.

:)
 

Sandra Z.

Mitglied
Nee, DocSchneider, das passt ja gar nicht :confused: Ich glaub, du hast meine Geschichte nicht richtig verstanden. Die "echten Dramen" spielen sich meiner Meinung nach eher in unserem Unterbewusstsein ab :cool:
 



 
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