Ode an das Filmentwickeln mit Teenol

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
In die Lösung muss Tee, gibt dem Entwickler Kraft,
denn latent ist das Bild; auf dem Film gut versteckt,
von der Sonne erschaffen,
ist das Bild erst mal unsichtbar.

Doch jetzt kommt in das Glas Vitamin C hinein,
15 Gramm Waschsoda pur, dazu ein Löffel Salz,
der Entwickler ist fertig;
Lösung kreist um den Film im Bad.

Wenn das Bild dann erscheint, negativ auf dem Film,
ist es noch nicht stabil, also schnell noch fixiert
und ins Wässerungsbad.
Platons Höhle, die Schattenwand.
 
G

Gelöschtes Mitglied 16600

Gast
Guten Tag Bernd,

warum Ode? Du beschreibst, wie ein Film entwickelt wird und ein Bild entsteht. Ode vielleicht, weil das Handwerkliche kaum noch jemand so ausübt in unserer digitalen Welt? Vielleicht dann besser eine Hommage? Und "Ode" in Klammern hinter den Titel?

Im letzten Vers hebst du das Ganze in Platons Höhlengleichnis und erhöhst das handwerklich geschaffene Bild auf eine imaginäre Ebene. In dem Gleichnis verstecken sich die drei Grundfragen der Philosophie Platons:

Wie ist die Wirklichkeit, das Sein beschaffen? Eine Ontologische Fragestellung.
Welche Möglichkeiten, etwas zu erkennen, haben wir? Eine erkenntnistheoretische Fragestellung.
Welche pädagogischen Gesichtspunkte, unter ethischem Aspekt ergeben sich daraus.

Einfach ausgedrückt: Es gibt eine sichtbare, wahrnehmbare Welt und eine Welt der Ideen, die wir nur gedanklich erfassen können.

Auch wenn ich deinen Gedankenbogen zwischen dieser Philosophie und der Entstehung eines Bildes, in Kopf und Entwicklerlösung, nachvollziehen kann, lenkt mich die Detailbesessenheit der Verse, vor allem in S2 eher ab.

Wie auch immer, es ist jetzt, wo ich schreibe, meine Idee, subjektiv, vor meiner Höhlenwand entstanden mit dem subjektivierenden Blick von Paul Watzlawick.

Nun zum Formalen.

Die Ode, bereits im alten Griechenland als musikalisch untermalte Lyrik entstanden, hat natürlich zunächst keinen Bezug zu Platon. Sie mit einem philosophischen Hintergrund auszustatten, war eigentlich der Zeit der Aufklärung vorbehalten. Dennoch finde ich es spannend, dass du auf diese Art eine Verbindung herstellst, wenngleich mir das feierlich Erhabene schon fehlt.

Der fehlende Reim passt und der unregelmäßige Rhythmus auch.

Sprachlich bleibe ich aber hier und da hängen. Z.B. am "erst mal" in S1V4. Hier hätte mir Z.B.

von der Sonne erschaffen,
ist das Bild gleichwohl unsichtbar.

besser gefallen.

Da ich jedoch ein strikter Anhänger der subjektiven Wahrnehmung bin, so sieh auch diesen Kommentar als solchen an.

Hab mich gern damit beschäftigt.
lg manehans
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke für den Kommentar. Warum die Form der Ode? Ich habe hier das Erhabene mit dem Profanen mischen wollen. Filme mit Tee zu entwickeln ist ja durchaus nicht alltäglich, es gibt dem Prozess etwas Erhabenes, zugleich wird dies wieder negiert.
Das Höhlengleichnis war wahrscheinlich in der Antike kein Stoff für eine Ode.
Für mich hat das Filmentwickeln etwas davon. Nie sind bei mir die Ergebnisse gleich. Es gibt immer Überraschungen.

In die Art der Odendichtung über alltägliche Dinge führte mich Nerudas Ode an die Zwiebel, sowie Ode an die Seeaalsuppe.

Ich habe hier eine spezielle Odenform gewählt, ich hätte auch eine freie Form wählen können.

Das Sein ist im Abbild des Seins enthalten, durch Entwicklung wird das latente Bild, der Schatten, sichtbar gemacht.

Das ist immer wieder faszinierend.

Heute ist Filmentwickeln fast schon archaisch, es wird weitgehend verschwinden.

Es besteht eine Beziehung zur Zeit.
 



 
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