odysseus beiszt in die frucht vom baum der erkenntnis

mondnein

Mitglied
odysseus beiszt in die frucht vom baum der erkenntnis


ist es das blanke nichts das ich verlange
sind götter nichts als nichts die pure lüge
nur wunsch der sich erfüllt im lustgefüge
des selbstgezeugten selbst der nackten schlange?

sirenen saugen mich in ihre stimmen
so unbeschreiblich fein wie nichts das nicht ist
und ihr hört nichts wenn nichts so dicht wie licht ist
substanz von schlaf die trance darin wir schwimmen

nein sterben sterben wirst du nicht noch leben
du bist längst tot du hörst die nixen-götter
die masturbierten selbstdurchdrungnen spötter

ich häng im netz ich zuck in den geweben
der flüster-flüche die die spinnen schmettern
ach rettet mich vor feinden freunden rettern
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein fein durchkonstruiertes Sonett, mit scharfen Zeichnungen der Sprossen, wenn man es mit Bildern vergleicht. Inhaltlich gut auf den Punkt gebracht. Sicher gibt es etwas zu verbessern, aber das ist nicht das Wesentliche. Das Wesentliche sind Klang und Folgerichtigkeit.
 

mondnein

Mitglied
Ganz besonders herzlichen Dank Dir, Bernd!

Der Folgerichtigkeit immanent scheint mir
das Oxymoron von den Flüster-Flüche schmetternden Spinnen
wie auch die Paradoxie von "Rettern", vor denen sich das Lyri retten will.

Eine in sich schneidend-zwiespältige "Folgerichtigkeit" gewissermaßen.

grusz, hansz
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist Denklyrik, keine Fühllyrik. Analytisch-historische Metaphern, statt Küchenlyrik. (Die aber auch gut ist, wenn sie gekonnt ist.)
 

mondnein

Mitglied
Das gibt mir zu denken, könnte ich jetzt kalauern, aber in der Tat:
Ausgangspunkt im "realen Leben" war ein Freund, der mir in einem Gespräch Bewunderung für den Odysseus am Mast gezeigt hat. Er vergleich es mit einem Bewußtseinsforscher, der gewissermaßen unter die Bewußtseins-Schwelle hinabsteigen will, um die Gesänge der Sirenen (eine traumhafte Metapher, aber eine sinnlichgesättigte) zu "hören", deren Schönheit die Hörer in die Lust des Verderbens treibt. Er lobte die Klugheit des Odysseus, sich fest an den Mast binden zu lassen und die Ohren seiner Gefährten mit Wachs verstopfen zu lassen.

Diese Faszination für den Bewußtseinsforscher Odysseus hat wiederum mich fasziniert.
Gefühle über diese Faszination hinaus sind das Grauen, in das die todbringenden Sirenen den Hörer hineinziehen, bzw. das die Leser der Odysseus-Erzählung durchmachen, und natürlich auch die Lust des Hörers am süßen Gesang der Verführer.

grusz, hansz
 

mondnein

Mitglied
Ja. jetzt fällt mirs wieder ein:

Der Grundgedanke meines Freundes,
und dann auch meine Idee,
war:

dem Odysseus sei es nicht um die Schönheit des Sirenengesangs gegangen,
den bloßen Genuß,
sondern um eine Erkenntnis, die er hätte festhalten, vielleicht sogar mitteilen können.

Die Lust am betörenden Gesang
wäre eine sinnlichsatte Metapher
für eine Ent-"Törung", ein Aufwachen, eine augenöffnende Erkenntnis,

zumindest aber paradoxes Bild für eine gefährlich bezaubernde persönliche Erfahrung.

Deshalb die Integration in die Geschichte von der Frucht des Baumes der Erkenntnis,
des Selbstbewußtseins, der Selbsterkenntnis,
zu deren Genuß der Baum den neugierigen Erfahrungs-"Gefährten" verlockt.

grusz, hansz
 



 
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