offen bar (II)

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Tula

Mitglied
offen bar (II)


Dein Lächeln damals war ganz sicherlich
nur Takt. Man stellt sich vor, sagt allerlei ...
Seit jenem Tag, läufst du an mir vorbei,
denk' ich – Magnolienblüte - nur für mich.

Aus meinen Versen strömt ihr Duft. Nur dich
erfinden meine Lieder ... Narretei!
Das Irren durch die Schatten macht mich frei
von jeglicher Vernunft, die mir entwich.

Ich weiß, dass irgendwann der Sommerwind
die Blüte mit sich nimmt. Das Leben schreibt
nicht für den Dichter, der in Träume flieht.

Kommt dieser Tag, wünsch' ich dir Glück, mein Kind,
und werde auch nicht traurig sein. - Es bleibt
Erinnerung, ein Duft … und dieses Lied.
 
T

Trainee

Gast
Für mich sehr gelungen, Tula,
(bis auf das "offen bar"-Mätzchen ;) ),

weil dein Sonett leichtfüßig und unbemüht einhertänzelt - seinem Thema angemessen. Wir haben uns ja schon öfter über diese Form unterhalten, die heutzutage durchaus eine diffizile Angelegenheit ist. - Für mich kann es nicht Schlimmeres als etwas Hingeklopptes, Trampelndes und dem Reim Geschuldetes geben.
Dies ist hier, den Göttern sei's gedankt, nicht der Fall.
Vielmehr birgt das bezaubernde Liebesgedicht im Versteckten einen leicht ironischen Beiklang, ein Wissen um die Vergänglichkeit aller Schönheit, um das Welken jeder Blüte.
Und um deren Auferstehung im nächsten Frühjahr. :)


Trainee
 

Tula

Mitglied
Hallo Trainee

Vielen Dank! - ja, der Titel war zuerst einfach nur 'Liebesbrief', wie einer, der nie auf die Reise geht. Die Idee kam in der Tat beim Kommi-schreiben zur ungereimten Version. Ich fragte mich, warum ich unverwüstlicher Romantiker das Thema nicht als Sonett anging. Der Versuchung erlag ich dann am Ende.

Hier geht es vorrangig nicht allein um die "nicht-gelesene" Liebe, sondern auch um die unmögliche, nicht erreichbare, weil aus verschiedenen Gründen eine Annäherung nicht stattfinden kann. Der Sommerwind (die Angehimmelte hat diese Jahreszeit noch vor sich) wie auch das 'mein Kind' sollen z.B. auf einen erheblichen Altersunterschied hinweisen.
Wie realistisch solche Begebenheiten sind, überlasse ich der Phantasie des Lesers :)

LG
Tula
 
S

shoshin

Gast
Lieber Tula,

Du hast hier die Gratwanderung zwischen Romantik und Kitsch wirklich gut gemeistert: einfach und geradelinig und sehr gefühlvoll oder besser gesagt feinfühlig ist ... und mutig, den Romantik ist nicht gerade forenzeitgeistig (siehe auch mein Prodestsonett ;))

Mir gefällt auch wie du diese Liebe mit Düften verbindest, die sich ja sehr stark in der Erinnerung einprägen, und dass es etwas Unschuldiges hat. Das muss einem (Mann) bei diesem Thema "älterer Mann verehrt junge Frau" in #me too-Zeiten erst einmal gelingen. Sogar das "mein Kind" wirkt hier nicht sexistisch und herablassend.

Die durchgehend männlichen Kadenzen sind vielleicht etwas hart, aber durch die Enjambements fließt es trotzdem. Auch sonst habe ich am Handwerk nix zu meckern.

Und meine Lieblingstelle muss ich auch noch unbedingt nennen:):

Das Leben schreibt
nicht für den Dichter, der in Träume flieht.


Gerne gelesen

LG
albaa
 

Tula

Mitglied
Liebe shoshin

Freut mich sehr, dass es auch dir gefallen hat. In der Tat muss man beim Thema Liebe ja inmer aufpassen, dass man nicht ins Sentimentale abgleitet. Die Gefahr einer sexistischen Interpretation sah ich Unschuldiger gar nicht, aber gut dass du darauf hinweist, der Dichter ahnt manchmal gar nicht, wie schmal der Grad eigentlich ist.

Karnevalsgrüße
Tula
 



 
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