Vor etwa 2 Jahren haben Scharen von guten Leuten die LL verlassen...
... aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Es gab einen Aderlass, von dem sich die Lupe nicht mehr erholt hat. Ich bin geblieben, veröffentliche, kommentiere und lese nicht mehr. Jetzt im Urlaub habe ich mich wieder eingelesen und war und bin entsetzt über die Qualität. Das gilt auch für die Rubrik "empfohlene Beiträge. Da muss man sich teilweise teilweise schämen, soll diese Rubrik doch das Aushängeschild sein. Da finden sich Texte, die früher in der berühmten Klinik gelandet wären. Aber die Klinik wurde abschafft und jetzt tummeln sich hier die Möchtegernlyriker, die meinen jeder im Umbruch geschriebener Text sei Lyrik. Textarbeit findet hier nicht mehr statt, sondern (fast) nur noch allgemeine Beweihräucherung gepaart mit eingebildetem Germanistengeschwätz. Damit hat hat die LL ihr früheres Alleinstellungsmerkmal verloren. Ich bin seit 2008 dabei und habe insbesondere durch (scharfe) Kritik unheimlich viel gelernt. Meine Kritiken sind stets offen und ehrlich. Für einige waidwunde Poeten offenbar zuviel, aber das juckt mich nicht. Lyrik lebt nicht nur vom Beifall, sondern vom Diskurs, der auch durchaus mal hefig sein kann.
Dich habe ich bewusst provoziert, weil du mir nicht geantwortet hast. Deine jetzige Erklärung ist nachvollziehbar. Ich habe dich falsch eingeschätzt. Entschuldigung. Du bist - im Gegensatz zu manch anderen - eine Bereicherung für die LL. Aber bei diesem Text hast du dich mit der letzten Strophe vergallopiert. Lyrik sollte niemals die Erklärung geben, sondern den Gedanken des Lesers eigenen Raum gewähren. Deswegen fände ich ein offenes Ende ( der wackere Berger hat es nicht so ganz verstanden) oder einen lakonischen Schlusssatz wesentlich besser. Auch wirkt das Gedicht teilweise sehr gedrängt; eine Kürzung täte ihm gut,wobei ich natürlich keine Vorschriften machen will. Falls ich dich in irgendeiner Form verärgert habe, so bitte ich um Entschuldigung. Und die kleine Provokation habe ich hoffentlich nachvollziehbar erklären können. Aber keine Sorge, am Ende der Woche ist mich die LL wieder los und kann dann wieder in ihren behäbigen Modus zurückschalten. Wie gesagt: Ich habe mit einigen Abtrünnigen noch eine Zeit lang in Kontakt gehabt und festgestellt, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine stehe. Zu verantworten hat das die Redaktion, sicherlich nicht alle, aber in der Gesamtheit schon. Ich würde mich freuen, wenn sich die Qualität wieder irgendwann verbesserte, habe aber wenig Hoffnung. Du hast auf jeden Fall zur Steigerung beigetragen, musst dich aber wie jeder Dichter oder jede Dichterin auch Kritik unterwerfen, weil man sich nur dann weiterentwickelt. Ich musste und muss es auch. Meine Sachen werden immer (allerdings an anderen Stellen) auf Herz und Nieren geprüft und das ist auch gut so. Herzliche Grüße von Oliver
Servus,
Oliver!
Ich kann gut nachvollziehen, dass man enttäuscht ist, wenn ein Ort (sprich: ein Forum), an dem man sich lange Zeit heimisch und unter Gleichgesinnten befunden hat, sich verändert und man dadurch diese gefühlte Heimat verliert, weil es für einen dort nicht mehr passt. Ich bin seit 2007 - mit einer sehr langen Pause bis dieses Jahr (aus ähnlichen Gründen) - in Internetforen unterwegs (war auch in etlichen Lyrikforen seinerzeit) und kenne Foren in ihrem Wesen inzwischen gut genug, um zu wissen, dass das einfach so ist.
Das Leben ist im Flow und Foren bilden nun mal das Leben ab - in all seinen Dynamiken (und mit der zusätzlichen Enthemmung, die aus einer gewissen Anonymität entsteht). Da bringen neue Mitglieder Altbewährtes ins Wanken (was ja nicht automatisch schlecht ist - ich denke, da wirst du mir zustimmen), Interessen und Trends verschieben sich, neue Gruppierungen bilden sich heraus und plötzlich ist eine Gemeinschaft quasi neu aufgestellt und die bisherigen Werte und Anschauungen sind nicht mehr alleinig tonangebend. Wenn dann noch der eine oder andere Troll dazukommt, wird es noch schwieriger sachlich zu bleiben und die gewohnte Ordnung, an der man sich so gerne orientiert hat, gerät in Schieflage oder gar ins unaufhaltbare Kippen. Ich fürchte nur, man kann da keine Umkehr erzwingen - bestenfalls versuchen, das, was man so schätzte, für sich selbst so weiterzupraktizieren und auf Gleichgesinnte hoffen.
Trotzdem sollte es doch einen Raum für ein Nebeneinander geben. Ich jedenfalls praktiziere das so und finde das auch wichtig.
Ich bin auch immer vorsichtig darin, zu glauben, meine Ansichten darüber, was wie "gut" und "richtig(er)" wäre - auch in Bezug auf Texte -, hätten für alle und alles Gültigkeit. Egal, für wie belesen oder bewandert ich mich auf einem Gebiet halte. Ich habe Kunstpädagogik studiert und lange Jahre unterrichtet und wenn
ICH etwas dabei gelernt habe, dann, dass die
Begegnung auf Augenhöhe immer das Wichtigste ist. Auch als vermeintlich Lehrender lerne ich unaufhörlich vom Anderen (egal welcher Altersstufe übrigens). Das ist nie gleichbedeutend damit, dass ich deshalb dieselben Werke für gelungen oder ansprechend befinden muss oder dieselben Ansätze als die "richtigen" zu betrachten habe.
Und es ist auch nicht meine Aufgabe als Lehrender oder Rezensent, einem anderen meine Ansichten und die Erfüllung meiner Erwartungshaltungen aufzuzwingen. Wo etwas erschaffen und dieses Erschaffene rezipiert wird, ist immer der eigene Erfahrungshorizont mit dabei, wenn es ums "Verorten" geht - auf beiden Seiten. Dass da eher selten beide dieselben Ziele und Ansichten vertreten, ist wohl logisch (und auch gut so, denn sonst wäre ja alle Kunst ein Einheitsbrei, unindividuell und auf ewig akademisch "festgeschrieben" und es würde sich nichts weiterentwickeln). Um gut oder schlecht geht es dabei eigentlich nicht. Diese Zuordnung kann man in letzer Gültigkeit nur für sich selbst treffen. Und darf sie auch so nach außen vertreten - m.E. aber immer unter dem Gebot der Begegnung auf Augenhöhe, um überhaupt einen Dialog zu ermöglichen.
Ich bin kein Freund
scharfer Kritik und sehe auch nicht, warum ich das werden müsste.
Die Schärfe sollte sich ja - wenn- nicht auf den Tonfall beziehen, sondern auf die Treffsicherheit der Kritik. Ich finde Textkritik aber natürlich wichtig und wertvoll - bevorzuge aber sachliche, respektvolle Kritik, in der ich sehen kann, dass auch die Bereitschaft des Rezensenten da war, im Text sehen und verstehen zu wollen, was offenbar außerhalb seines eigenen Erwartungs- und Erfahrungshorizonts liegt.
Wenn man so will: wenigstens ein bisschen Vertrauensvorschuss in den Text (bzw. den Autor), um sich ein Stück weit einlassen zu wollen, anstatt kategorisch vorverurteilend abzulehnen (was leider aus meiner Sicht das Manko sehr vieler Textkritiken ist).
Was für einen dann immer noch als unrettbar misslungen verortet wird, muss man ja nicht noch zusätzlich in den Schlamm treten. So sehe ich das zumindest. Die Pädagogin in mir lobt eben lieber als abzustrafen. Da sind wir - auch, wenn wir in vielem einer Meinung sind - dann eben doch verschieden.
Text- oder Kunstkritik zu üben - ganz allgemein - ist etwas sehr Schwieriges und immer heikel, denn zu trennen in Kriterien, die vordringlich der eigenen
Erwartungshaltung entspringen und solche, die Allgemeingültigkeit haben, ist ja nicht immer möglich. Was hat heute noch Allgemeingültigkeit? Sogar die Sprache und Grammatik selbst unterliegen stetem Wandel...wo also fängt da das Experiment an, wo der gewollte Bruch, und wo ist etwas tatsächlich misslungen? Letztlich sollte ich mir immer bewusst sein, dass das, was für den einen schön klingt oder spannend (oder erbaulich oder oder...), für den anderen beliebig, langweilig oder eben misslungen rüberkommt. Auch kann ich von einem Autor- außer mir selbst - ja nicht verlangen, dass er meine Wünsche und Erwartungen erfüllt. Ich will das im Umkehrfall ja auch nicht. Und das ist auch nicht Sinn der Sache. Und das ist ja dann auch keine konstruktive Werkkritik.
Deine Kritik hier jedenfalls hat
zielsicher den Finger auf die Störstelle meines Textes gelegt und ich bin dir dafür wirklich dankbar. Man entwickelt ja durchaus ab und zu blinde Flecken, wenn's um die eigenen Texte geht. Oft, weil man eben nicht die ausreichende Distanz dazu eingenommen hat oder sich in so eine Art Schreib-Gewohnheits-Trott fürs eigene Wohlgefühl manövriert hat. Das ist per se ja noch nichts Schlimmes (denn solche Texte kann man ja gelassen ignorieren). Aber da mal so einen aufrüttelnden Stüber zu bekommen, ist schon gut.
Sorry für den langen "Ausschwiff" - jetzt weißt du wenigstens, dass meine für dich immer noch zu langen Texte für mich schon das Ultimum an Verknappung sind. lol
Herzliche Grüße,
Claudia