Olórin betritt Dol Guldur zum ersten Mal

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Die Hand durchstreift das satte Grün
Er seufzt. Hält inne schweigt. Begreift:
Bald wird hier nichts mehr blühn
Er weiß ja: Alles kreist
zum Ende hin, das weist
ins Nichts, ins große All
Und zu Eru dem
Einen

Die roten Äpfel fallen leicht
Die überreifen Blüten
Oranges Feuer
südlich steigt
soweit das Auge reicht,
als sei es Licht
des Einen

Das Licht sucht er nicht mehr mit Augen
Längst nicht mehr
Einmal war da ein Lichtermeer
(Unter den beiden Bäumen)
Was ist noch Wachen
Was schon Träumen
Und was bloß Duft
der Blüten

Heut leuchten ihm die Mythen
aus der verschlossenen Brust
Und seine Lust ist voll und schwer:
Der Duft der reifen
Blüten

Er wischt das Dunkel aus der Stirn
in deren Klüften Sterne schlafen
Er jagt sie aus dem sichren Hafen,
dass sie die Dunkelheit verwirren
Die Sterne die im Dunkel schwirren,
an denen Schatten sich verirren:
Das sind der Vardas wahre
Sterne

Das satte Gras ist nass von Tau,
die alte Hand hält inne
Noch sind ihm Hut und Mantel grau,
doch kreist am Rand der Sinne
Schon Weiß (wie Schwärze!) zu dem Herz,
fasst ihn die schwere Minne
Fasst ihn ein Schmerz,
der Schmerz der Welt,
als brennten ihre Sinne
in dem orangen Feuerblick:
der Starrer aus dem Süden

Ach wär es bloßer Zaubertrick,
bloß Feuerwerke Wüten

Da zuckt die Hand im satten Grün
zur Klage wird die Minne
und die Bewegung nur noch Mühn
Als um den Biss der Spinne
Schwärze
fällt
Als würden Sterne sprühen
 
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G

Gelöschtes Mitglied 24675

Gast
Hi DvE,

dieses Gedicht werde ich noch einige Male lesen müssen, um «hineinzukommen», noch wirkt es auf mich wie eine Art Echo auf eine uralte Aztekengesellschaft (zum Beispiel), aber! Es ist ein Geheimnis über allem, das gefangennimmt. Vielleicht irre mich, und es gibt ganz schlichte Erklärungen für das Geheimnisvolle, dann irre ich mich eben. Dennoch denke ich, sechs grüne Sterne sind hier gut angelegt.

Gruß lp
 
hi @lyrikPower

dein Kommentar hat mich sehr gefreut, weil er wunderbar zusammenfasst, was ich versuchte, als Essenz zu transportieren: Hier besonders das Geheimnis und das Echo aus der Tiefe der Zeiten. Dass Du die Szene in einer "uralten" Gesellschaft verortet hast, freut mich ebenfalls. Damit scheint auch die "Essenz des Setting" ordentlich transportiert.

Vordergründig gezeigt wird eine Szene aus Tolkiens Werk "Der herr der Ringe". Wir befinden uns etwa im Jahr 1100 im Dritten Zeitalter ( vgl. Anhang B, Die Aufzählung der Jahre, Das Dritte Zeitalter). Gandalf (dessen "wahrer" Name Olórin lautet), steht vor den Toren Dol Guldurs, das der zweitmächtigste Ringgeist (Nazgul), sein Name ist Khamul, im Auftrag Saurons wieder aufgebaut hat. Gandalf zögert, bevor er Dol Guldur betritt. Ein Gerüchte hatte die Runde gemacht, dass ein mächtiger Nekromant in der Festung auferstanden sei.. Dass es sich hierbei um die Geißel Mittelerdes, um Sauron selber handelt, erahnt Gandalf, als ihn plötzliche Vision überfallen. Dann folgt der Spinnenbiss - gleichsam eine Reminiszenz an Ungolianth, die gemeinsam mit Melkor die beiden Bäume in Valinor zerstört hatte.

Also vordergründig ein bisschen Hommage an meinen wunderbaren "Herrn der Ringe", hintergründig klingen auch für mich hier die bezuglosen, archetypischen Themen des "Weisen" und des "Geheimnis" an.

Merci !

mes compliments

Dio
 

sufnus

Mitglied
Hi Dio!
(High-)Fantasy (insbesondere in Buchform) ist nicht so meins und meine Tolkien-"Kenntnisse" beschränken sich daher auf den eher obberflächlichen Konsum der Jacksonschen Hobbittrilogie und ein paar hängengebliebene Szenen aus seinen Herr-der-Ringe-Filmen. Insofern hat es bei mir beim Stichwort Dol Guldur vage geklingelt und die Anspielungen auf Gandalf den Grauen bzw. Weißen und seine Feuerwerkskünste hab ich so ungefähr herausgelesen.
Da das Fantasygenre nach meinem Eindruck die Rezipienten in Bewunderer und Verächter teilt wie Moses das Rote Meer würde es mich (von einem eigentlich neutral-lauen Indifferenzwert ausgehend) am Ende des Tages wohl sogar eher zu den Verächtern spülen... insofern bin ich für Deine klangschönen Zeilen ein bisschen ein irrlichternder Adressat - aber immerhin, der hochveredelten Wohlklang kommt auch bei mir durchaus an! :)
LG!
S.
 
beschränken sich daher auf den eher obberflächlichen Konsum der Jacksonschen Hobbittrilogie und ein paar hängengebliebene Szenen aus seinen Herr-der-Ringe-Filmen.
Hi sufnus

nun diese Quellenspeisung sättigt in der Tat ähnlich nachhaltig in Bezug auf das echte "Manna" wie die Ableitung der Insel Mallorca aus der Zeichnung einer vierjährigen von einem Urlaub aus der Erinnerung auf der Insel Kreta...

Unabhängig davon ist es wunderbar dass du hier auch etwas für die Vielfältigkeit der Leserschaft stehst oder wie man bei uns in Kölle sagt: jeder Jeck is anders

Und was dein Outing als Kostverächter der hohen Kunst des tolkien Epos betrifft so ist dies nun dokumentiert und kann und wird von einem deiner Biographen (ich vermute von dem mit der mosaischen talion im Ehebett) einmal gegen dich verwendet werden.. oder wie wir sagen würden:.Hänt ming Tant Klötz, wör et minge Onkel

In diesem Sinne mit alttestamentalischen
compliments und nicht gaanz ernst gemeint

Dio
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
Ich mag es und find es sehr stimmungsvoll und - wie immer bei deinen Werken - ist die Gratwanderung am "too much" entlang gelungen. Üppig muss nicht, kann aber - wie hier - auch gut sein. ;)

Bloß die "orangenen" stören mich, weil sprachlich falsch. Es ist "oranges Feuer" und es heißt korrekterweise auch "in dem orangen Feuerblick".
Wenn man ganz pingelig wäre, müsste man "orange" - ebenso wie lila oder rosa - völlig undekliniert verwenden...dann hieße es komplett korrekt "in dem orange Feuerblick".....tut bloß kaum einer und klingt auch gruselig, weil total ungewohnt ;)

Sind rosane T-Shirts und lilane Leggings erlaubt?

Ist aber Meckern auf hohem NIveau, wie gesagt. Sehr gerne gelesen und mich von der wunderbar gewebten Stimmung einfangen lassen!

LG,
fee
 

petrasmiles

Mitglied
Ich glaube, Dio hat ganz gut eingefangen, warum 'Phantasy' immer wieder fasziniert - wenn auch nicht jeden. Wie lyrikPower schrieb - das Geheimnis, das im Alltag verschwunden scheint durch eine immer weiter durchrationalisierte Welt. Dabei wäre das ein Trugschluss, denn Geheimnis ist immer, es war nur 'größer' als die Naturerscheinungen von Göttern kommen mussten, so groß war von Beginn an die Sehnsucht, dass es 'Ursachen' für die Phänomene geben musste.
Wir denken aber nur, dass das Geheimnis in der Vergangenheit zu Hause ist, wir sehen es in unserer Gegenwart nicht, denn den großartigen Zusammenklang, der auf allen Ebenen des Seins sekündlich wie ein Herzschlag diesen Planeten eint, erfassen wir nicht - vielleicht, weil wir dazu 'erzogen' wurden, darauf zu fokussieren, was nicht in Einklang ist - meist vom Menschen selbst verursacht, und weil uns Wissenschaftler, die sich nur um einen winzigen Teilaspekt kümmern, gerne zu eigenem Nutzen die Parole ausgeben, die Geheimnisse seien entschlüsselt.
Das war jetzt nicht unbedingt eine Textkritik - aber irgendwie doch.
Sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße
Petra
 
hi @fee_reloaded

sehr interessanter Artikel. Ich habe es direkt mal korrigiert. Man lernt ja wirklich nie aus - wunderbar !

@petrasmiles nach der Eroberung durch Wilhelm hat England viel seiner ursprünglichen Folklore und Mythologie verloren. Außer dem Beowulf hat da nicht mehr viel existiert. Das große Verdienst Tolkiens war es m.E. gerade, den Engländern eine gewisse Form des Mythos mit dem Silmarillion und der gesamten "zweiten Welt von Mittelerde" zurückzugeben. Es ist auch kein zufall für mich, dass die Werke gerade in den USA so unglaublich erfolgreich waren, wo ebenfalls keine tief verwurzelte Mythologie vorhanden ist. In diesem zusammenhang unbedingt empfehlenswert sind die Werke von Mircea Eliade, der hier ein hervorragender Wegweiser ist.

DAnke für das Beschäftigen mit dem Text !

mes compliments

Dio
 

sufnus

Mitglied
Und was dein Outing als Kostverächter der hohen Kunst des tolkien Epos betrifft so ist dies nun dokumentiert und kann und wird von einem deiner Biographen (ich vermute von dem mit der mosaischen talion im Ehebett) einmal gegen dich verwendet werden.. oder wie wir sagen würden:.Hänt ming Tant Klötz, wör et minge Onkel
Ha!
Ich harre dann also dem Strafgericht meines Biographen. Wird sicher lustig. :cool:
Und von meiner etwas unterkühlten Haltung gegenüber Orksen, Zauberringen, und allerlei wunderlicher Wesen möchte ich übrigens ausrücklich die Hobbits ausnehmen, deren erfreuliche Erweiterung einer tristen Trinität konventioneller Hauptmahlzeiten zur sinnigen Abfolge multipler Gaumenfreuden mir doch einigermaßen einleuchtet.
Aber hier ich bin wohl etwas abschweiflich unterwegs...
LG!
S.
 



 
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