Ordnung muss sein

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Tinka

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ORDNUNG MUSS SEIN


Noch ist mein Urlaub nicht zu Ende und ich finde leider keine glaubhafte Ausrede mehr mich vor dem Aufräumen zu drücken. Nachdenklich betrachte ich das kreative Chaos um mich herum.

Eigentlich - mich stört es nicht so sehr - aber ....! Ich beschließe, mit dem kleinen Regal in der Ecke anzufangen.

Nein! Zunächst gehe ich in die Küche und lasse erst einmal, um mich für die bevorstehende Aufgabe zu wappnen, die Kaffeemaschine für mich arbeiten.

Gemeinsam mit meinen Kaffeebecher gehe ich zurück ins Wohnzimmer, fest entschlossen mich nun umgehend an die Arbeit zu machen.

Halt! Zuerst muss ich noch das Radio anschalten. Nach ausgiebigem Suchen finde ich endlich die Musik, die meinem geplanten Tun den nötigen Schwung verleihen wird. Jetzt kann es also losgehen!

Von den Vorbereitungen schon leicht erschöpft, betrachte ich nachdenklich das als Opfer meiner hausfraulichen Pflichterfüllung auserwählte Regal. Aber jede Arbeit sollte in der Planungsphase gut durchdacht werden – also nur nichts überstürzen. Nach einigen Minuten steht mein Entschluss fest: mit dem untersten Regalbrett werde ich anfangen, hier ist das Chaos vergleichsweise gering! Ich gehe, den Rücken schonend, in die Hocke und – da klappt draußen eine Autotür. Das könnte der Paketbote sein. Eigentlich erwarte ich kein Paket, laufe aber vorsichtshalber doch zum Fenster und schaue hinaus.

Nein, es ist nur Frau Mayer-Rundbeck von nebenan, die ihre Beute aus dem Supermarkt in zwei dickbauchigen, mit großen blauen Lettern versehenen Plastiktüten ins Haus schleppt.

Einkaufen müsste ich eigentlich auch noch, schießt es mir durch den Kopf. Begeistert von dieser Idee überlege ich, ob ich nicht vielleicht erst einmal – natürlich nur getrieben vom Pflichtbewusstsein meiner Familie gegenüber - einkaufen fahren sollte und dann ...

Nein! Ich habe mir doch fest vorgenommen heute aufzuräumen! Ich nehme einen Schluck aus der Kaffeetasse. Lauwarm, stelle ich fest! Frischer Kaffee würde meinen Tatendrang sicherlich beleben. Ich nehme die Tasse und mache mich auf den Weg zur Küche.

Mein Blick fällt auf die Küchenuhr: Es ist bereits halb 11! Seit einer geschlagenen Stunde bin ich nun schon mit Aufräumen beschäftigt! Dauert länger als ich dachte! Aber für frischen Kaffee ist nun keine Zeit mehr! Zu allem entschlossen gehe ich zum Tatort zurück, stelle den halbwarmen Kaffee samt Tasse auf den Schreibtisch und räume – mein Ziel fest im Auge – das untere Regalbrett leer.

Nach fünf Minuten zieren ein Stapel Bücher, eine Mappe mit Kinderzeichnungen, eine angebrochene Packung Papiertaschentücher, zwei Becher vom Weihnachtsmarkt 1998, eine zerbrochene Muschel, eine Holzschale mit Büroklammern, Steinen, Geldstücken und anderen Kleinigkeiten, ein noch lebenstüchtiger Schlüssel – wozu mag er nur gehören –, eine Stoffente und die dazugehörigen, schon in die Jahre gekommenen und sehr anhänglichen Staubflocken den Boden vor dem Regal.

Aufräumen erzeugt eindeutig Chaos!

Ich betrachte es nachdenklich und zunächst greife nach der Stoffente. Ziemlich abgeliebt sieht sie aus. Versonnen streichle ich ihr ehemals weißes Fell, das nun grau und etwas spärlich ist. „Hallo, du“, begrüße ich sie, in der Gewissheit, dass kein Mitglied meiner Familie mutig genug sein wird, sich mir auf weniger als 20 Meter zu nähren, wenn ich gerade dabei bin, hausfrauliche Heldentaten wie Aufräumen oder Putzen zu vollbringen. Es wird mich also niemand hören. „Dich habe ich doch damals . . .“ “Quaaak – quaak,“ antwortet es aus der Entenbauchwattefüllung. Ich hatte völlig vergessen, dass sie so etwas kann!

Aus dem Radio ertönt statt fröhlicher Musik plötzlich eine tiefe Männerstimme: ‚Sie hören die Nachrichten. Berlin: Wie aus unterrichteten Kreisen verlautete, . . .’

Die Worte des Sprechers dämpfen meinen Arbeitseifer erheblich!

Trotzdem lege ich das Stofftier zur Seite und widme mich – schließlich wollte ich doch heute aufräumen - nun interessiert dem Inhalt der Holzschale. Die Münzen erinnern mich an unseren Urlaub in Portugal vor fünf Jahren, die Steine hat mir Jens mal von einer Klassenfahrt mitgebracht und . . .

„Schluss jetzt!“, rufe ich mich selbst zur Ordnung, puste den Staub aus der Schale und lege alle Schätze sorgfältig wieder hinein. Der Schlüssel kommt als neuer Bewohner dazu – vielleicht braucht man ihn ja doch noch mal. Ich beginne in der Mappe mit den Kinderzeichnungen zu blättern: Kopffüßler, Haus-Baum-Sonne-Bilder, Muttertagsherzen, ...

‚Sie hörten die Nachrichten. Es ist jetzt 11 Uhr und 35 Minuten. Und nun wieder Musik.’, tönt es aus dem Radio.

Wie schnell doch die Zeit vergeht, wenn man sich so intensiv mit Aufräumen beschäftigt! Aber ich habe ja schon viel geschafft und bin eigentlich ja auch schon fast fertig! Entschlossen wische ich mit dem Staubtuch über das Regalbrett, stelle das Entchen zurück auf seinen angestammten Platz, daneben den Stapel Bücher, die Mappe mit den Kinderzeichnungen, die Muschel, die Holzschale und die beiden Weihnachtsbecher.

Das Paket Papiertaschentücher bekommt seinen Platz auf meinem dichtbesiedelten Schreibtisch. Geschafft!

Stolz betrachte ich mein Werk! Die Staubflocken vor dem Regal stören das Bild ein wenig, aber für heute war ich fleißig genug!

Staub saugen werde ich morgen – ganz bestimmt – das habe ich mir fest vorgenommen!
 
Zu vorhersehbar

Nach dem ersten Absatz glaubt man bereits zu wissen, wie es ausgehen wird. Wie gross die Enttäuschung, als es tatsächlich so endet wie vermutet und es keine überraschende Drehung in der Handlung gibt.

Ein Witz ist ein Kurzschluss zweier entgegengesetzter Gedanken, soll Sigmund Freud einmal gesagt haben.

Eine vergleichbare Geschichte, die Du Dir als Beispiel nehmen könntest, stammt von Goscinny im gerade neu auf Deutsch erschienen Buch Neues vom kleinen Nick (aus der Reihe von Der kleine Nick, wo der kleine Bub zuhause aufzuräumen beginnt , als die Eltern nicht ausgegangen sind. Der Widerspruch seiner Handlung zu seinen Gedanken und Absichten machen den ganzen Reiz und Humor dort aus.

Humor also lebt von dem Unerwarteten, Absurden. Hier passiert nix dergleichen. Damit bleibt es ein nettes, braves Geschichterl und ist leider nicht humorvoll.

Marius
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ich

schließe mich den worten meines vorredners an. als ich einmal das unterste regalfach leerräumte, stürzte es um, weil da unten die schwersten bücher lagen. ohne den dadurch gewährten halt . . .aber lustig fand ich das auch nicht gerade.
lg
 

Tinka

Mitglied
Lieber Marius, liebe Old Icke,
danke für eure Kritik und dafür, dass ihr das "Geschichtel" trotz seiner Schwäche bis zum Ende gelesen habt. Marius, deinen Hinweis auf "Der kleine Nick" werde ich befolgen und dort einmal "in die Schule gehen".
Dein Witz-Zitat fand ich in diesem Zusammenhang aber nicht ganz passend, denn es sollte kein Witz sein und zwischen Witz und Humor sehe ich doch einen Unterschied!
Eure Kritik werde ich im Herzen bewegen *g* und versuchen, es beim nächsten Text besser zu machen!!!!
Gruß Tinka
 
Definiere Humor!

Ich sehe da technisch gesehen nicht so einen grossen Unterschied. Klar: bei einem Witz kommt die Pointe erst zum Schluss, aber die Technik ist dieselbe, wie bei "Humor": Der Gegensatz durch die Verwendung von im Zusammenhang völlig deplazierten Worten, die Drehung durch unerwartete Ereignisse oder Meinungen, langsame Steigerung der Erwartung und Kulmination,...

Diese Elemente wirken sowohl beim Witz als auch bei einem humoristischen Text in gleicher Weise. Natürlich gibt es auch jede Menge Elemente, die ich bei Witzen eher weniger einsetze, da sie zu lange sind (aber ich kenne da auch jede Menge Ausnahmen), wie die "Regel der 3", aber sonst ist die Technik dieselbe.

Deshalb: verachte Witze nicht, Du kannst aus ihnen für humoristische Geschichten ziemlich viel lernen.

Marius
 



 
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