orientierungslos

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Perry

Mitglied
orientierungslos

und wieder ist es der horizont über den wir nicht
blicken nur ahnen wie sich das meer dahinter
aufbäumt mit seiner breiten weißgischtigen brust

wir warten hinterm deich ausgedörrtes land das
auf erlösenden regen hofft der neues leben bringt
haben aber auch angst vor der springenden flut

das meer spült gestrandete wale an die durch
zivilisationslärm ihre orientierung verloren haben
wir schieben sie zurück wissen selbst nicht wohin
 

anbas

Mitglied
Hallo Manfred,

das sind starke Bilder, die mir in ihrer Form wirklich gut gefallen - besonders die letzten drei Strophen.

Auch inhaltlich passt alles (nur bei Inhalten dieser Art von "gefallen" zu sprechen, ist etwas schwierig, wie ich finde...).

Allerdings habe ich auf Amrum gerade gelernt, dass die Einheimischen vor den normalen Springfluten keine Angst haben. Springfluten gibt es jeden Monat zwei Mal. Sie sind also für die Küsten- und Inselbewohner*innen etwas ganz Normales, Alltägliches.

Sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße

Andreas
 

Perry

Mitglied
Hallo Andreas,
ja Springfluten bzw. -tiden sind im Normalfall leichte Über- bzw. Unterschreitungen von Ebbe und Flut.
Allerdings kann es bei einer besonderen Mondkonstellation bzw. besonderen Windverhältnissen auch zu einer Sturmflut kommen.
Vielleicht präzisiere ich das noch, wobei sie ja eher symbolisch als Bedrohung gemeint ist.
Freut mich, dass Dir die Bebilderung der Ohnmacht in Sachen Klimakatastrophe gefallen hat.
LG
Manfred
 

anbas

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Hallo Manfred,

wie wäre es mit "stürmenden flut" oder "gewaltigen flut" oder "uns überrollenden flut"?

Sinnbildlich ist "springenden flut" natürlich OK, doch wer sich etwas genauer damit auskennt, wird, denke ich jedenfalls, ein wenig darüber stolpern...

Liebe Grüße

Andreas
 

Hans Dotterich

Mitglied
Ja, das Gedicht ist genial! Die starken Bilder beeindrucken auch mich. Als Plattländer, der 500 km hinter dem nächsten Deich wohnt, hat mich das Bild von der angsteinflößenden springenden Flut schon beeindruckt.

Eine einzige Sache fiel mir auf, der Titel: orientierungslos
Den empfinde ich als gedehnt, als Kopfgeburt. Vielleicht weil ich darin keine ungebrochen aussprechbare Silbenstruktur finde: o-ri-en-tie-rungs-los. Das klemmt.

Grüße

Hans
 

Perry

Mitglied
Hallo Hans,
danke fürs Beschäftigen mit den Wortbildern und dem Titel.
Ich versuche meist vom Schlussbild des Textes einen Bogen zurück zum Titel zu schlagen. Dabei steht die Aussage bei mir über eventuellen formalen Textansprüchen. Vielleicht fällt mir ja noch eine Alternative ein. ;)
LG
Mans
 



 
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