osterhasi wettet 1 : 1,618 ... infin

G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
osterhasi wettet 1 : 1,618 … infin


der setzte alles auf eine karte: der leichtfusz machte den stich
indem er in einer unendlich fernen stelle im goldenen schnitt
die gegenspieler überbot die ihm die reelle zahl
verspielten mit chaotisch unvorhersehbaren meló

diös verzackten gipfelsprüngen da waltete kein gesetz
und war doch unverrückbar unveränderlich ohne en
de in dem n hoch n irgend eines zahlen stellen systems
ich meine so was zum beispiel wie binär oder undezimal

und meinetwegen in siebnerpotenzen gegliederte ziffern fol
gen so dass hinterm komma der super cluster zugleich aller tas
ten tönt im akkord ein gewaltig feines unhörbar weiszes rau
schen – still identisch ist das tiefste baung mit dem höchsten ping

mit dem identisch überbot er den unwahr scheinlichen schein
des absoluten nichts schlug sieben siebner mit elf mal der elf
und um sich identisch zu beweisen mit lotto to toto freund hein
liesz neu nu neunzig nullen leere eier in reihen er drehn
 

revilo

Mitglied
....für mich vollkommen unverständlich, mit viel Chichi und Lametta geschmückt, wirkt aber aber mich farblos und zudem gestelzt.....musste mich regelrecht durchquälen...neee, absolut nicht meins...aber de gustibus est non disputandum........
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Über Geschmack, lieber revilo,

läßt sich trefflich streiten. Jedenfalls unter Köchen, Essern, Gastgebern und Gästen.
Aber dazu muß man was draufhaben: Zunge, Zähne, Neugier und Appetit.

Ich sehe bei Dir ein Problem: Du gibst zu schnell auf und schiebst dann immer die gleiche Phrase von "Schischi und Lametta" vor. Das ist bei anderen eigentlich der Vorwurf, das mit diesem Etikett etikettierte Objekt sei mit künstlichen Reizmitteln überladen.

Nein, Du gebrauchtst diese Phrase falsch, klebst das Etikett auf ein Gedicht, das nicht den Mangel hat, überladen zu sein, sondern den: ein Gedicht über die unendliche Zahlenfolge hinter dem Komma bei einer reellen Zahl zu sein.

Im Grunde beweist Dein Nichtverstehen die Originalität des Objekts, nicht dessen Überladenheit.

Es gab, um mal ein Beispiel aus einer anderen Mißachtungsnische zu nehmen, den Vorwurf, es fehlten Gedichte über Sport. Ist Quatsch, denn es gibt die Dinger von Ringelnatz, und in der literarischen Tradition die Ringerwettkämpfe in der Aeneis, die Turniere in den mittelalterlichen Epen, und, wenn man von den erzählerisch "unlyrisch" weit ausholenden Epen Abstand nimmt, die wunderbaren Chorgesänge Pindars.

Mag sein, es fehlen die Gedichte, und darüber hinaus: die großen Romane über die entfremdete Arbeitswelt des 19. und 20. Jahrhunderts. Nun ja, Technik mag selten sein, aber z.B. die Szene in der Handwerkerwerkstatt des Daidalos bei Ovid in den Metamorphosen ist nicht nur konzentriertest dicht, mit dem Federgepuste des kleinen Ikaros kontrapunktiert (der in leichtsinniger Vorwegnahme mit seinem Tod spielt), ist so genau und konkret, daß die Flügel des Apparates die Krümmung aufweisen, durch die so ein Fluggerät allein funktioniert. Aber die Altphilologen, diese gottverdammten Blödköppe, haben gar nicht bemerkt, daß dies Krümmung des Flügels der entscheidende physikalische Trick ist, womit die von vorne auftreffende Luft oben einen Unterdruck und unten eine Kraft, die nach oben wirkt, schafft, wie wir seit Otto Lilienthal wissen. Und das war Ovid, - wurde einfach zweitausend Jahre lang überlesen. Und wird heute noch überlesen, weil die Lateinlehrer, diese Vollpfosten, keine Ahnung von Physik haben und die Sensation der Flügelkrümmung bei Ovid nicht wahrnehmen.

Es ist schlimm, wenn Neugier durch Phrasen getilgt wird. Wie zum Beispiel die ewige Phrase von der Erde als Scheibe im Mittelalter, obwohl die Tradition von Pythagoras über Platons Timaios, der im Mittelalter als einziger Platondialog (weil er ins Lateinische übersetzt war) gelesen, vielfach abgeschrieben und genutzt wurde, und das allseits bekannte Somnium Scipions von Cicero, wo nicht nur die Erde als Globus sondern sogar die Sterne der Milchstraße als große Sonnenkugeln beschrieben wurden, - obwohl (so hat dieser Nebensatz angefangen) diese Tradition bis zu den Ptolemaeus-Weltkarten des späten Mittelalters fortgeführt worden ist. Mit Gradnetz, "Kegelprojektion".

Dieses Osterhasenlied zielt auf die Frage, ob in der unendlichen Zahlenfolge hinter dem Komma bei der reellen Zahl, die den "goldenen Schnitt" dezimalisiert oder binär faßt oder im Siebener- oder Elfer- oder sonst einem System, so etwas auftauchen kann wie 99 Nullen hintereinander, - oder ob dessen Unwahrscheinlichkeit absolut ist, d.h. widerlegbar.

Die acht Zahlen in der Reihenfolge meines Geburtsdatums z.B. kommen unendlich oft in dieser unendlichen Folge vor. Wie nun, zum Vergleich, ist es mit elf Elfern in der Darstellung dieser rellen Zahl innerhalb des Zwölfersystems, wo die Elf eine einsame Ziffer ist, wie im Zehnersystem die Neun (als größte einstellige unterhalb der 10)? Und der Osterhasi will Ostereier sehen, wahrscheinlich zum Ostermontag, wo die Pfarrer auf den Kanzeln traditionell ihre Witze reißen. Das ist vieleicht ovidisches Federgepuste, aber das ist nicht Schischi, nicht Lametta. Oder was ist hier "zuviel"? Die ziemlich strenge Form des Triambus? Strenger Stil als "Schischi"? Na!!

Sondern die Nische, die dichtungsfremde Konstanz der unendlichen Zahlenreihe hinter dem Komma, ist es, was Dir Angst macht. Dein Name ist Hase, und Du weißt von nichts.

grusz, hansz
 

revilo

Mitglied
Im Grunde beweist Dein Nichtverstehen die Originalität des Objekts, nicht dessen Überladenheit.
nö, definitiv nicht. Mag sein, dass meine Herangehensweise an ein Gedicht in deinen Augen naiv ist. Ich muss auch nicht unbedingt verstehen, was der Autor da schreibt. Aber bei diesem Gedicht verstehe ich mit Verlaub gesagt nur Bahnhof. Mit dem ChiChi meinte ich diese in meinen Augen unsäglichen Silbentrennungen. Gute Lyrik braucht das nicht; aber das ist sicherlich Geschmackssache. Auch deine Ausführungen verstehe ich nicht und deine Intention des Gedichtes erst recht nicht. Mag sein, dass dir das sonnenklar ist. Der gewöhnliche Leser – und dazu zähle ich mich – versteht das einfach nicht. Entweder packt mich ein Gedicht, oder es packt mich nicht. Mit diesem mir kann ich absolut nichts anfangen. Schönen Sonntag wünscht Oliver
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Mit dem ChiChi meinte ich diese in meinen Augen unsäglichen Silbentrennungen.
ach so. Die vier Binnenwort-Enjembements - nicht gerade viel, da sie sich über 16 Verszeilen verteilen.

Sie sind der Metrik untergeordnet. Alle Zeilen enden "männlich", wie man das in den genderungerechten Jahrhunderten genannt hat, oder schlicht und einfach: Alle Zeilen enden mit einer Betonung.
Es ist eben keine Flatterrandprosa, wie das im Unreimen (zum Beispiel in Deinen Lyrikversuchen) üblich ist, sondern die Zeilen sind metrisch gegliederte Verse: Alle haben sieben Hebungen (deshalb ist meine Klassifikation als "iambische Trimeter" falsch), alle beginnen unbetont (iambisch) und enden (gleichfalls iambisch) auf betonten Silben.

Diese Form erleichtert das metrische Lesen, und das bedeutet wiederum: die Melodik springt "ins Auge", fließt durchs Ohr.

Die Schlußklausel setzt voraus, daß die Leserinnen und -außen sich in diese Siebenerrhythmik eingeschwungen haben, so daß die analytische Dekomposition den Blick in die Wortsynthesen der Silben eröffnet:

und um sich identisch zu beweisen mit lotto to toto freund hein
liesz neu nu neunzig nullen leere eier in reihen er drehn
"Freund Hein" ist ein alter deutscher Ausdruck für den Tod.
"lotto und toto" ist hier iterativ verstottert zu "lotto to toto" und bereitet die Nullen des letzten Verses vor.
"neu nu neunzig nullen" sind unaufgelöst die 99 Nullen in sehr sehr weiter Ferne irgendwo hinter dem Komma der unabänderlichen Ziffernfolge der reelllen Zahl des goldenen Schnitts, hier aber so aufgelöst, daß "synthetisch" neue Wörter auftauchen: "neu" und "nu(n)", zugleich - entsprechend dem iterativen Gestotter des Glückszufalls-Spiels (lotto to toto) - mit einer weicheren Alliteration ausgepolstert, passend zum Stoffhasen und seinen "Schischi"-Ostereiern.
 



 
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