Octavian Mihaescu
Mitglied
Ostern 1968 ...
In aller Herrgottsfrühe suchte Tante Roji meine
dürftigen Sachen zusammen, zog mich an, und wir
gingen los, die Straße hinauf, in Richtung
Stadtpark, wo sich gegenüber dem Rathaus die
Kirche befand.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich den ganzen
Weg lang wieder und wieder fragte, was sich wohl
hinter dem Himmel verberge.
Tante Roji, was ist dort hinter dem Himmel, den
wir sehen?
Der Himmel ist der Thron Gottes. Und seine Füße
stellt er auf die Erde. Und hinter diesem Himmel,
ja - da ist Gottes Reich. Und überhaupt - frag
mich doch nicht andauernd aus, ich kann dir ja
doch nicht alles beantworten...
Schließlich waren wir angekommen. Ich staunte über
die Größe der Kirche und über die vielen Menschen
drinnen und draußen. Es war ein richtiges
Menschenmeer, genau so wie bei der Demonstration
zum 23. August.
Besonders die Gemälde an den Wänden beeindruckten
mich tief. Mir war so, als ob ich die Personen
auf den Bildern irgendwie schon kannte, obwohl
ich nicht wusste, wer sie waren, wen oder was sie
darstellten.
Die Priester in ihren prächtigen Gewändern und mit
ihren langen Bärten erschreckten mich zuerst,
ähnelten sie doch jenem grauslichen Väterchen
Frost, und ich bekam Angst, dass sie mich
womöglich fragten, ob ich denn auch brav gewesen
sei.
Glücklicherweise nahm die Tante mich mit hinauf
auf die Galerie. Hier oben war es sehr schön, man
konnte die Menschenmenge, die der Messe beiwohnte,
in aller Ruhe beobachten. Und auch die Priester
waren nun sympathischer, hatten sie mir doch
keine Fragen gestellt. - Nur dass der unangenehm
dumpfe Geruch von Weihrauch, Kerzen und anderem
Räucherwerk, der durch den Raum waberte, eher an
ein Begräbnis als an eine Auferstehung erinnerte.
Mein Blick blieb an einem Bild hängen, das einen
Patriarchen mit weißem Bart darstellte. Er schien
mich direkt anzuschauen. Auch ich blickte ihn
lange an, und schließlich schlief ich ein. Als
Tante Roji mich weckte, waren alle bereits beim
Aufbruch.
Ich weiß noch, wie ich vom Priester Hostie nehmen
musste. Dieses Stückchen geweihten Brotes
schmeckte mir ganz gar nicht und ich würgte es
mit Abscheu herunter - sehr zum Missfallen meiner
Tante und des Priesters. Von dem Rotwein
allerdings hätte ich gern mehr gehabt...
Am nächsten Tag hörte ich ganz früh am Morgen die
Toaca schlagen. Gebannt lauschte ich den hellen
Klängen des Holzes und mir war, als seien sie
nicht irdisch sondern kämen direkt vom Himmel.
Und so war ich traurig, als nach einiger Zeit -
viel zu bald - dieses wunderbare Klopfen
verstummte ....
Ich bekam auch ein Geschenk: ein neues Hemd,
schwarz-weiß kariert. Allerdings durfte ich es
nicht gleich anziehen, sondern es wurde für gut
aufgehoben - und so habe ich es nie getragen. Mit
diesem Hemd war es genau so wie mit dem kleinen
Spielzeugtraktor, den ich zu Weihnachten bekommen
hatte ...
An jenem einzigen von mir als christlich und
feierlich empfundenen Osterfest, sollte ich auch
zum ersten Mal Ostereier klopfen. Ich wusste, die
Tante hatte heimlich mit Farbe hantiert, aber ich
wusste natürlich nicht, was es war. Nachdem sie
mir nun das karierte Hemd gegeben hatte, holte
sie einen Korb voller bunter Eier hervor; einige
davon waren mit wunderschönen Mustern verziert.
Ioani, der Sohn von Tante Roji, nahm sich sogleich
eines, das aus allen anderen hervorstach, wirklich
das Allerschönste. Wir klopften mit ihm, aber wir
verloren alle. Meine Ostereier gingen entzwei,
und wie es Brauch war, nahm er sie mir alle weg.
Sein Ei war nämlich aus Holz - und so war es ganz
normal, dass er immer gewann. Die Tante sah mein
langes Gesicht und rief mich zu sich: Komm her
Kleiner, klopfe mal mit mir!. Begeistert machte
ich mich daran, meine Verluste wieder
auszugleichen.
Mhh..., aber doch nicht so, mein Junge! Schau
mal, wenn du klopfst, dann musst du das Ei mit
der spitzen Seite nach oben halten, und wenn
jemand anderes klopft, musst du es mit der
platten Seite nach oben halten. Und wenn du dran
bist, musst du sagen Christus ist auferstanden!
und ich antworte: Er ist wahrhaftig
auferstanden!
Ich war sehr froh zu erfahren, dass das
Ostereierklopfen noch eine andere Bedeutung hatte
als nur die, dass man die Eier gewann, die man den
anderen zerbrochen hatte. Die Worte, die man beim
Klopfen aussprechen musste, gefielen mir
außerordentlich. Vor allem, weil ich ja nun auch
das Bild des gekreuzigten Mannes vor mir sah,
dessen Anblick mich in der Kirche tief berührt
hatte - wie er da hing, angenagelt, mit gesenktem
Kopf. Ich war erleichtert, dass dieser Mann, den
alle Jesus Christus nannten, nun nicht mehr am
Kreuz leiden musste. Ihn da hängen zu sehen, tat
mir weh, ich wollte ihn von diesem Leiden erlöst
sehen, obwohl ich zu jener Zeit noch nicht viel
verstand. Wohl deshalb gefielen mir jene Worte
mehr als das Eierklopfen selbst.
Schließlich war Ostern vorüber, die Toaca schwieg,
es gab kein Ostereier-Klopfen mehr. Und jedes Mal,
wenn ich an der Kirche vorbei kam und unseren
Erlöser am Kreuz sah, wurde ich traurig. Ich
dachte bei mir, ob ER wohl nur für diese kurze
Zeit auferstanden war? Dieser Gedanke ließ mich
nicht los. Ich hätte am liebsten jeden Tag Eier
geklopft und jene Worte gesprochen, leider sollte
ich jedoch so bald keine Gelegenheit mehr dazu
haben...
In aller Herrgottsfrühe suchte Tante Roji meine
dürftigen Sachen zusammen, zog mich an, und wir
gingen los, die Straße hinauf, in Richtung
Stadtpark, wo sich gegenüber dem Rathaus die
Kirche befand.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich den ganzen
Weg lang wieder und wieder fragte, was sich wohl
hinter dem Himmel verberge.
Tante Roji, was ist dort hinter dem Himmel, den
wir sehen?
Der Himmel ist der Thron Gottes. Und seine Füße
stellt er auf die Erde. Und hinter diesem Himmel,
ja - da ist Gottes Reich. Und überhaupt - frag
mich doch nicht andauernd aus, ich kann dir ja
doch nicht alles beantworten...
Schließlich waren wir angekommen. Ich staunte über
die Größe der Kirche und über die vielen Menschen
drinnen und draußen. Es war ein richtiges
Menschenmeer, genau so wie bei der Demonstration
zum 23. August.
Besonders die Gemälde an den Wänden beeindruckten
mich tief. Mir war so, als ob ich die Personen
auf den Bildern irgendwie schon kannte, obwohl
ich nicht wusste, wer sie waren, wen oder was sie
darstellten.
Die Priester in ihren prächtigen Gewändern und mit
ihren langen Bärten erschreckten mich zuerst,
ähnelten sie doch jenem grauslichen Väterchen
Frost, und ich bekam Angst, dass sie mich
womöglich fragten, ob ich denn auch brav gewesen
sei.
Glücklicherweise nahm die Tante mich mit hinauf
auf die Galerie. Hier oben war es sehr schön, man
konnte die Menschenmenge, die der Messe beiwohnte,
in aller Ruhe beobachten. Und auch die Priester
waren nun sympathischer, hatten sie mir doch
keine Fragen gestellt. - Nur dass der unangenehm
dumpfe Geruch von Weihrauch, Kerzen und anderem
Räucherwerk, der durch den Raum waberte, eher an
ein Begräbnis als an eine Auferstehung erinnerte.
Mein Blick blieb an einem Bild hängen, das einen
Patriarchen mit weißem Bart darstellte. Er schien
mich direkt anzuschauen. Auch ich blickte ihn
lange an, und schließlich schlief ich ein. Als
Tante Roji mich weckte, waren alle bereits beim
Aufbruch.
Ich weiß noch, wie ich vom Priester Hostie nehmen
musste. Dieses Stückchen geweihten Brotes
schmeckte mir ganz gar nicht und ich würgte es
mit Abscheu herunter - sehr zum Missfallen meiner
Tante und des Priesters. Von dem Rotwein
allerdings hätte ich gern mehr gehabt...
Am nächsten Tag hörte ich ganz früh am Morgen die
Toaca schlagen. Gebannt lauschte ich den hellen
Klängen des Holzes und mir war, als seien sie
nicht irdisch sondern kämen direkt vom Himmel.
Und so war ich traurig, als nach einiger Zeit -
viel zu bald - dieses wunderbare Klopfen
verstummte ....
Ich bekam auch ein Geschenk: ein neues Hemd,
schwarz-weiß kariert. Allerdings durfte ich es
nicht gleich anziehen, sondern es wurde für gut
aufgehoben - und so habe ich es nie getragen. Mit
diesem Hemd war es genau so wie mit dem kleinen
Spielzeugtraktor, den ich zu Weihnachten bekommen
hatte ...
An jenem einzigen von mir als christlich und
feierlich empfundenen Osterfest, sollte ich auch
zum ersten Mal Ostereier klopfen. Ich wusste, die
Tante hatte heimlich mit Farbe hantiert, aber ich
wusste natürlich nicht, was es war. Nachdem sie
mir nun das karierte Hemd gegeben hatte, holte
sie einen Korb voller bunter Eier hervor; einige
davon waren mit wunderschönen Mustern verziert.
Ioani, der Sohn von Tante Roji, nahm sich sogleich
eines, das aus allen anderen hervorstach, wirklich
das Allerschönste. Wir klopften mit ihm, aber wir
verloren alle. Meine Ostereier gingen entzwei,
und wie es Brauch war, nahm er sie mir alle weg.
Sein Ei war nämlich aus Holz - und so war es ganz
normal, dass er immer gewann. Die Tante sah mein
langes Gesicht und rief mich zu sich: Komm her
Kleiner, klopfe mal mit mir!. Begeistert machte
ich mich daran, meine Verluste wieder
auszugleichen.
Mhh..., aber doch nicht so, mein Junge! Schau
mal, wenn du klopfst, dann musst du das Ei mit
der spitzen Seite nach oben halten, und wenn
jemand anderes klopft, musst du es mit der
platten Seite nach oben halten. Und wenn du dran
bist, musst du sagen Christus ist auferstanden!
und ich antworte: Er ist wahrhaftig
auferstanden!
Ich war sehr froh zu erfahren, dass das
Ostereierklopfen noch eine andere Bedeutung hatte
als nur die, dass man die Eier gewann, die man den
anderen zerbrochen hatte. Die Worte, die man beim
Klopfen aussprechen musste, gefielen mir
außerordentlich. Vor allem, weil ich ja nun auch
das Bild des gekreuzigten Mannes vor mir sah,
dessen Anblick mich in der Kirche tief berührt
hatte - wie er da hing, angenagelt, mit gesenktem
Kopf. Ich war erleichtert, dass dieser Mann, den
alle Jesus Christus nannten, nun nicht mehr am
Kreuz leiden musste. Ihn da hängen zu sehen, tat
mir weh, ich wollte ihn von diesem Leiden erlöst
sehen, obwohl ich zu jener Zeit noch nicht viel
verstand. Wohl deshalb gefielen mir jene Worte
mehr als das Eierklopfen selbst.
Schließlich war Ostern vorüber, die Toaca schwieg,
es gab kein Ostereier-Klopfen mehr. Und jedes Mal,
wenn ich an der Kirche vorbei kam und unseren
Erlöser am Kreuz sah, wurde ich traurig. Ich
dachte bei mir, ob ER wohl nur für diese kurze
Zeit auferstanden war? Dieser Gedanke ließ mich
nicht los. Ich hätte am liebsten jeden Tag Eier
geklopft und jene Worte gesprochen, leider sollte
ich jedoch so bald keine Gelegenheit mehr dazu
haben...