Osterspaziergang, Neuzeit, Anleitung

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Ein guter Spazierweg ist gar nicht so leicht zu finden.
Rundherum muss hauptsächlich eine Natur sein, also Wiesen, Büsche, Bäume, aber gangbar soll er sein, der Weg. Nicht unbedingt asphaltiert, aber auch nicht von einer Beschaffenheit, die sich beim ersten Regen vollsaugt und zu einer Gatschpartie ausartet. Kies ist ideal.

Ratsam ist es, den Spaziergang bei Tageslicht zu unternehmen, wohlgleich auch der Nachtspaziergang seine Reize hat.

Zu viele Menschen sollten nicht unterwegs sein, das nimmt dem Spaziergang den maßgeblichen Charakter eines individuellen Streifzugs.
Hin und wieder auf einen Gleichgesinnten zu treffen wiederum ist nett, dann kann man sich wissend zunicken, wie man die einfachen Freuden zu schätzen weiß.
Ganz schlecht spaziert es sich dort, wo niemand sonst spaziert, aber neugierige Augen den Flanierenden begaffen, etwa aus Wohn- oder Bürohäusern heraus. Ebenfalls ungeeignet sind Örtlichkeiten, an denen der Spaziergänger mit seinem gemächlichen Schritt einer gehetzten Masse nur im Weg ist.

Der Spaziergänger hat keine Eile und kein bestimmtes Ziel.
Er nimmt mal diese, mal jene Weggabelung, wie es ihm gefällt.
Ein guter Spazierweg erlaubt das und bietet genügend Abzweigungen, um den Spaziergang je nach Laune zu variieren.

Das Gehen selbst darf nicht zu anstrengend sein, damit man in Abgrenzung zum Wandern, Marsch oder Laufen noch von einem Spaziergang sprechen kann.
Das konstante Fuß-vor-Fuß geht automatisiert und barrierefrei vonstatten, sodass keine besondere Aufmerksamkeit darauf verwendet werden muss.
Der Kopf ist frei genug, um Eindrücke zu sammeln, die gleichförmige Vorwärtsbewegung setzt Ideen und Gedanken in Gang.
Hier die ersten Forsythien strahlend in Gelb.
Auf der Wiese im Park treiben büschelweise Narzissen aus, dass es fast so aussieht, als hätte jemand blumengefüllte Vasen ins Grün gestellt.
Vielleicht hat es gerade geregnet und die Baumstämme glänzen nass und dunkel, wovon sich die tausendfachen Blüten in Rosa oder Weiß besonders gut abheben. Jede für sich eine einmalige Schönheit, der großzügige Überschwang der Natur macht atemlos.
Wie bunte Feuerwerke sind sämtliche Baumkronen explodiert.
Der Magnolienbaum trägt an seinen Ästen große, schwere Kerzen zur Schau.
Im Wald haben sich Buschwindröschen zwischen den Bäumen zu Teppichen drapiert…
All sowas kann man sich gut im Inneren speichern und später als Erinnerung wieder abrufen.

Kein Verkehrslärm oder Baustellengeräusche dringen dem Spaziergänger ans Ohr, aber Vögel suchen melodisch singend nach Sexualpartnern, Fortpflanzung ist angesagt.
Alles pflanzt sich fort, ist in junger, zarter Anschwellung begriffen.
Wohin der Blick auch schweift, es ist nur wenig menschgemacht. Kein Haus, kein Bau, keine Straße drängt sich in den Fokus.
Vielleicht schon eine Hummel, ein schöner Schmetterling flattert und brummelt dahin, tut das Eigene zum aufgehenden Leben dazu.
Es duftet nach keimendem Grün und nach erstem süßem Blütensaft. Ein Wohlgeruch, der sich kurz nach einem Regenschauer nochmal intensiviert.
Die Luft kann frisch und belebend sein oder auch warm und schmeichelnd.
Durchgängig blauer Himmel wird überschätzt. Spannender ist es, wenn sich eine Wolkenfront partiell vor die Sonne schiebt und Muster zeichnet, das Licht streut.

Es empfiehlt sich eine Kapuze, mit Niederschlag ist jederzeit zu rechnen.
Auch unterm Schirm spaziert es sich schön. Der muss zwar extra getragen werden, aber nochmal ein bisschen mehr befindet man sich damit ein seiner eigenen Sphäre, eben abge-schirmt von allem und ganz für sich.
Das Schuhwerk des Spaziergängers ist natürlich ebenfalls regenfest, flach und bequem. Am besten Sneakers. Nur nicht zu weiß und neu; ein Spaziergang kann Schuhe schließlich immer auch beschmutzen.

Eine gewisse Strecke sollte schon zurückgelegt werden.
Und nein, es zählt nicht wirklich als Spaziergang, wenn immer nur im kleinstmöglichen Kreis rotiert wird. Ein bestimmter Radius ist Pflicht. Schon sollte man sich ein paar Kilometer vom Ausgangspunkt wegbewegen.
Üblicherweise sind Start- und Zielpunkt beim Spazierengehen ident.
Je nach Verfassung dauert der Spaziergang an, aber eine Stunde Minimum muss es dann schon sein, um als Spaziergang zu zählen.

Wenn man von einem erfolgreichen Spaziergang zurückkommt, ist man ruhig und entspannt, eine leichte Müdigkeit darf sein, aber auch frisch belebt und beseelt fühlt man sich.
Schon freut man sich auf die nächste Gelegenheit, da wieder spaziert werden kann.
 

Bo-ehd

Mitglied
Lieber D.E.,
bei mir hat sich während des Lesens eine Frage eingeschlichen: Was treibt einen Autor, der hier schon wirklich Gutes eingestellt hat, zu so einem Sammelsurium an Banalitäten? Oder begreife ich da irgendetwas nicht?
Gruß bo-ehd
 
Hallo Bo-ehd!

Vielleicht solltest du den Text nicht ganz so bierernst lesen, sondern mit einem leisen Augenzwinkern.

Liebe Grüße,


Erdling
 



 
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