Papa Piepenbrink

anemone

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Papa Piepenbrink hatte mal wieder seine Frau hereingelegt und er war stolz darauf, das geschafft zu haben, denn es war nicht so einfach. Das heißt einfach wäre es schon gewesen, wenn er das Wörtchen „nein“ in seinem Wortschatz gehabt hätte, aber leider kannte er dieses Wort nicht. Nicht bei Berta, nicht bei seiner Frau und überhaupt eigentlich mochte er dieses Wort nicht. Schon von frühester Jugend an, war ihm das Wörtchen „Ja“ geläufiger.

Berta war nicht weiter schlimm, aber sie war einfach immer anwesend. Nie ging sie aus, nie hatte sie etwas vor und überhaupt äußerte sie nie den Wunsch mal etwas zu erleben. Das war eine böse Sache für Papa Piepenbrink denn er war ein unternehmungslustiger Mensch. Doch was tat man nicht alles für ein wenig Freiheit? Papa Piepenbrink war es die kleine Trickserei wert, die er mit seiner Tochter veranstaltete, um seine Frau wenigstens einmal für ein paar Stunden los zu werden.

„Du wolltest doch mit Mutti einkaufen gehen!“ sein Anruf von heute morgen. „Ja, das war gestern, aber ich habe schon eingekauft!“ so die Antwort seiner Tochter, die ihm ganz und gar nicht behagte. Doch sie wolle ihretwegen gerne noch mal fahren, fuhr sie im Gespräch fort und die Sache war geritzt.

Wo blieb sie nur so lange? Nervös schaute Papa Piepenbrink auf seine Armbanduhr. Warum kommt sie nicht? Gerade wollte er wieder an den Apparat eilen, um seine Tochter zu erinnern, da kam sie endlich an. Wurde aber auch mal Zeit! Jetzt war seine Freizeit auf ein Minimum beschränkt und böse sah er seine Tochter an, dabei flitzte er hinter ihnen her um ihnen die Tür zu öffnen den Schirm zu tragen und sonstige kleine Frondienste zu leisten. Seine Lieblingsbeschäftigung dabei war es: Hinter ihnen die Tür zuzuschließen, noch kurz zu warten, bis der Wagen sich entfernte, denn es hätte ja noch ein Teil vergessen sein können und dann aber nichts wie ab in den Garten oder auf das Fahrrad, um Änne zu besuchen.

Nun war es bei weitem nicht so, was wir hierbei jetzt vermuten könnten, dass Papa Piepenbrink mit dieser Dame ein Stelldichein hatte. Nein, diese Vermutung wäre total falsch.
Doch allein das Gefühl von Freiheit zu haben, wenn er den Besuch bei Änne verschwieg und seine kleinen Geheimnisse für sich behalten konnte: Es war ein wunderbares Gefühl. Dabei hatte Änne nichts von seinen Besuchen, denn er kam, trank den Kaffee, den sie ihm anbot, redete irgendetwas nichtssagendes daher (vermutlich wusste er selbst nicht so recht, was er gerade redete), wartete selten eine Antwort ab und verschwand so hektisch, wie er gekommen war, denn die Zeit saß ihm ja im Nacken. Er wollte auf gar keinen Fall auffallen und rechtzeitig wieder zurück sein, wenn die beiden Damen mit ihren Einkäufen vor der Türe schellten. Sein Gesicht strahlte dann zum ersten mal an diesem Tag Ruhe aus, denn bis dahin hatte er sich nur abgehetzt und Spuren beseitigt: Das Fahrrad versteck, mit welchem er noch kurz zuvor durch den Ort fuhr, die alte Hose angezogen, die er bei der Gartenarbeit zu tragen pflegte und ständig auf die Klingel gelauscht. Außerdem hatte er bereits das Essen zubereitet, damit Berta sich nur noch an den gedeckten Tisch setzen musste.
Obwohl Berta von ihrem Mann nur verwöhnt wurde war das Verhältnis zu ihm aber nicht das Beste, denn Berta durchschaute oft seine Tricks oder ihr fielen Ungereimtheiten auf oder sie erwische ihn beim Verplappern, denn Papa Piepenbrink kam so in das Alter, wo er mit der Vergesslichkeit zu kämpfen hatte. Es war jedenfalls für ihn immer eine willkommene Abwechslung, wenn er täglich einen Grund fand seine Tochter Karla zu besuchen. Die Besuche fanden natürlich im Eiltempo statt, denn sie waren ja nur der Grund für ihn aus seinem Gefängnis (sprich zu Hause) auszubrechen und die Zeit für viele andere Besuche zu nutzen. Karla versuchte es schon lange nicht mehr ihm Neuigkeiten zu erzählen, denn jedesmal winkte er ab. „Erzähle es Mutter, wenn du kommst, ich habe es bis dahin wieder vergessen.“ Natürlich vergaß er auch sehr schnell die anderen Wege, die er gegangen oder gefahren war, vermutlich ebenso schnell, wie die Leute, mit denen er auf dem Weg gesprochen hatte das Gespräch mit ihm vergaßen, denn es waren Worte, die er in der Hektik der Zeit schnell dahinsprach. Es konnte allerding dabei passieren, dass ihn Nachbarn oder sonstige Leute um einen Gefallen baten. Da er sich als Fachmann für Rosen ausgab, konnte es durchaus sein, dass sie auf seine Hilfe beim Rosenschneiden zurückgreifen wollten. Den Gefallen wollte er ihnen gerne tun, doch es gab ein Problem dabei: Wie bringe ich es meiner Frau bei, dass ich bei Rudi die Rosen schneiden soll, wo sein Haus doch gar nicht auf dem Weg zu Karla liegt, sondern an ganz anderer Stelle? Na, zugesagt hatte er jedenfalls, doch jetzt fing das Problem für ihn erst an.

Beiläufig erwähnte er in einem für ihn günstig erscheinenden Augenblick, dass er Rudi traf, der ihm vom Wagen aus bat, die Rosen zu schneiden. Berta grummelte sofort, dass er das mal besser zu Hause machen sollte und damit war für sie das Thema erledigt. Nicht aber so für Papa Piepenbrink. Natürlich hatte er mit so einer Antwort gerechnet und in seinem Kopf arbeitete es: Wie stelle ich es an, dass ich zum Rosenschneiden wegkomme, ohne das Berta wieder meckert? – Besser ich erwähne es vorläufig nicht mehr! – beschloss er bei sich.

Am nächsten Tag war das Wetter herrlich und es zog ihn hinaus zu seiner Tochter. Gerne hätte er die Rosenschere eingesteckt, doch ihm fiel ein, dass seine Tochter auch eine Rosenschere hatte, er beschloss bei sich, ihr die Rosen zu schneiden.
 



 
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