Hallo Hermannknehr,
leider ist Robert Gernhardt schon seit acht Jahren tot und kann sich dazu nicht mehr äußern. Da ich ihn und seine Werke gut kenne, nehme ich an, dass er dein Werk ablegen würde in seiner Sammlung von über 20 Briefen empörter Leser, die ihn nach der Veröffentlichung seiner »Materialien« im ›ZEIT-Magazin‹ anno 1979 erreichten. Im Anhang zu seiner Gesamtausgabe zitiert Gernhardt unter
Anmerkungen des Autors einen besonders erbosten Leserbriefschreiber aus Hamburg:
»Goethe ist tot! Schiller ist tot! Klopstock ist tot! Robert Gernhardt lebt! Wozu? Was soll das ‹Gedicht?› Wem dient dies? Glauben Sie mir, ich bin nicht prüde, ich bin mein ganzes Leben lang im Hamburger Hafen tätig gewesen. Aber von meinen Hafenarbeitern habe ich so eine Sammlung von zotigen Worten noch nicht gehört.«
Die Vielzahl der Leserbeschwerden bewog Gernhardt zu einer Aufklärung der Leser in der Zeit:
Nicht Verscheißerung des Sonetts, Verarschung der kurrenten Szenensprache sei das Anliegen seines Sonetts gewesen, was aber den Hamburger Kontrahenten erneut zur Feder greifen ließ. Er könne Gernhardts Entschuldigung nicht gelten lassen, denn der »Leser der Zeit ist machtlos dem Sonett ausgeliefert und merkt erst beim Lesen, was er liest«. ›Womit‹, fährt Gernhardt in seinen Anmerkungen fort, der Leserbriefschreiber an das Geheimnis aller Literatur gerührt haben dürfte: Solange das so bleibe, sollte einem um die Zukunft dieser Kunst nicht bange sein.
Recht hat er. Und seinen Platz im Himmel der Humorliteratur hat Gernhardt längst, nicht zuletzt durch sein vordergründig betrachtet so grausliges Sonett. Keines seiner Gedichte ist so häufig in Anthologien aufgenommen worden; und auch im Schulunterricht fand es schon Verwendung. Inzwischen kursieren im Netz Gedichtsanalysen, die es erleichtern, das Gedicht als das zu erfassen, was es ist: eine Parodie.
Dort heißt z.B.:
Das lyrische Ich des Gedichtes ordnet sich durch seine Ausdrucksweise und Wortwahl in eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe ein. Parodiert wird dieser Ton der Spätsiebziger und Frühachtziger, in dem Altachtundsechziger als Mittdreißiger klassenbewusste Elitefeindschaft, psychoanalytischen Betroffenheitsjargon und dumpfe Laberlust vermengten.
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Im Gegensatz zu Gernhardts Gedicht, der sein Werk in formvollendete fünfhebige Jamben kleidet, ist dein Gedicht keineswegs von Mängeln frei:
S1Z4 hat nicht fünf, sondern sechs Hebungen,
S2Z2 enthält einen Rechtschreibfehler (nichts cooleres statt richtig „Cooleres“),
S3Z3 hat bei
Poems durch die falsche Betonung auf
Po eine fast schon komisch wirkende Tonbeugung. Außerdem lautet der Plural von
Poem nicht
Poems, sondern
Poeme.
ein jeder dichtet eben wie er kann,
Kein Widerspruch, du beweist es.
Übrigens: Wenn du dich mit Gernhardts Werk beschäftigst, wirst du feststellen, dass er Sonette durchaus nicht im Geheimen verfasst hat. Er hat sie veröffentlicht, darunter sogar eines aus seiner Schulzeit.
LG LL Friedhelm