paul auf dem areopag (iambische trimeter)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]paul auf dem areopag


natur ist nicht gemacht kein industrieprodukt
naturgesetzlich durchgerechnet flieszband strom
vom stecker in die lampe deines schädel raums
gefüllt mit irgendwas vom welt phos phor phan tom

symmetren elektronen energiezustand
auf niedrigstem niveau ganz locker um den kern
der sauer wasser kohlen stoff protonen neu
tronal neutral im luna knoten frühlings stern

nicht hast du sie gemacht gestanzt die grund substanz
mit schrift reliefs kreuz über quer wie siegel lack
von einem ring gesiegelt der dein testament
verschlieszt mit zocker zinken zeichen zück um zack

nichts ist gemacht gewollt gezielt geplant gewusst
es rollt auch nicht mechanisch ab maschinenfest
es lebt und wächst – wacht auf und träumt den schlaf zum tag
darin du blühst und welkst zur nacht – vergisst den rest
 

Willibald

Mitglied
Hansz auf dem Forum

Wow, das scheint mir belebend und außergewöhnlich gut.

18. Einige von den epikureischen und stoischen Philosophen diskutierten mit ihm und manche sagten: Was will denn dieser Schwätzer? Andere aber: Es scheint ein Verkünder fremder Gottheiten zu sein. Er verkündete nämlich das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung.
19. Sie nahmen ihn mit, führten ihn zum Areopag und fragten: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du vorträgst?
20. Du bringst uns recht befremdliche Dinge zu Gehör. Wir wüssten gern, worum es sich handelt.
Ein Allusionsspiel mit der Pauluspredigt und gleichzeitig in der Verkündigung durch hansz selbstreferentiell eine kleine Poetologie des vorliegenden Gedichtes mit und mittels seiner musikalisch-tonalen Fließ-Art.

Keines der Sprachspiele, das durch allzugroße Abweichung vom Sprachstandard den Leser im völlig Ungewissen lässt und oftmals zu frustrieren vermag.

http://www.uni-passau.de/visitgod/informative-beitraege-zum-thema/die-areopagrede/
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]paul auf dem areopag


natur ist nicht gemacht kein industrieprodukt
naturgesetzlich durchgerechnet flieszband strom
vom stecker in die lampe deines schädel raums
gefüllt mit irgendwas vom welt phos phor phan tom

symmetren elektronen energiezustand
auf niedrigstem niveau ganz locker um den kern
der sauer wasser kohlen stoff protonen neu
tronal neutral im luna knoten frühlings stern

nicht hast du sie gemacht gestanzt die grund substanz
mit schrift reliefs kreuz über quer wie siegel lack
von einem ring gesiegelt der dein testament
verschlieszt mit zocker zinken zeichen zück um zack

nichts ist gemacht gewollt gezielt geplant gewusst
es rollt auch nicht mechanisch ab maschinenfest
es lebt und wächst – wacht auf und träumt den schlaf zum tag
darin du blühst und welkst zur nacht – vergisst den rest


[ 4][ 4] http://12koerbe.de/arche/aratos.htm
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke, Willibald,

den Aratos habe ich zur Hälfte selbst übersetzt, und die Areopagrede des Paulus auch, das findet sich in den 12 Körben.

Ich hoffe doch, ich schreibe nicht immer das Gleiche. Es ist allerdings so, daß auch Philosophie nicht jedermanns Interesse findet, vor allem dann nicht, wenn sie theologisch oder überhaupt metaphysisch daherkommt, und dann noch im antiken Versmaß der Dramen. Und, um Gottes willen, dann auch noch gereimt.

Was mich besonders befremdet, ist, daß gerade die Theologen beider Konfessionen einen weiten weiten Bogen um meine zwölf Körbe machen. Das kommt gewiß daher, daß sie selbst so gemieden sind von den Nichttheologen. Angeschossene, blutende Tiere.

Und in der Tat: fromme Dichtung klingt meistens banal, scheußlich, kitschig, unweise, antiphilosophisch und antinoetisch. Auch hier in der domus luporum. Ich liebe Philosophie, heißt: die Diskussion. Die das Gegenteil des "Eigenen" denkt, selbstwiderlegend, bevor sie die Selbstwiderlegung immanent widerlegt, wie Thomas vor seinem fünffachen Gottesbeweis zu erst einmal unwiderleglich kurz und klar beweist, daß es Gott gar nicht geben kann. Ja, unwiderleglich!

grusz, hansz
 

Veil

Mitglied
Lieber mondnein,

so langsam gewöhne ich mich an deine eigene Art Worte zu (be)nutzen.
In obigem Text finde ich sogar viele meiner eigenen Gedanken wieder.
Ein sehr schöner Text, wie ich finde und melodisch ohnehin.
Manchmal trennst du zu strikt, ja, vielleicht, weil die Gedanken und Bedeutungen es hergeben. Wenn du weniger trennst und Bedeutungsmöglichkeiten loslässt zugunsten einer wichtigen, dann finde ichs besser. Aber ich bin ja kein Nonplusultra.
Wie gesagt: ein lesenswerter Text!
Mir sagt er sehr zu.

:)

Gruß
Veil
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke, Willibald,
das war nicht schlecht, dieses "stoned". Fast schon getwittert (habe ich aus den Nachrichten gelernt). Und da ich weder bei Twitter noch bei Facebook bin, bleibts hier in der Wölflinge-Familie.

Und Danke auch Dir, Lotta.

Dieses Lied ist, meine ich, gar nicht so weit von den melodischen Sprachspielen zwischen Dada und Surrealitée entfernt, trotz der klassischen Form, denn es zielt auf die Bewußtseinsschwelle, projeziert in den Dämmerhorizont zwischen wissenschaftlicher Weltanalyse und Erlebens-Subjektivität. Die Form - weniger die iambischen Trimeter und die Reimstrophen als vielmehr die Kleinschreibung und die Nivellierung der Bedeutungsgewichte durch das Auflösen der Komposita - setzt den Text in eine Art Telegrammsprache. So, wie wenn John Lennon nach dem Vorbild von Bob Dylan alles auf einen Ton sang und die Syntax zur tiefenlosen Oberfläche glättete, so daß es gleichzeitig ein großes Dvandva (Aufzähl-Kompositum) wie ein prädikatloser Nichtsatz zu sein schien.

no short haired yellow bellied son of tricky dicky 's gonna mother hubbard soft soap me with such a pocket of hope
Ursprünglicher ist natürlich Dylan, mit schräg eiernden Proto-Rap-Haufenreimen, aber das sind nur Beispiele des Stils, - ich schreibe immer spontan und wiederhole keine alten Muster. Ich sehe erst nach dem Schreiben, welche Form es hat. Würde übrigens auch nicht auf einem Dauerbordun krähen wollen, sondern eine avantgardistische Vertonung in der Art von Lutowslawski vorziehen. Haha, nein, ich bin genügsam und zufrieden mit der dem Text immanenten inneren Melodik der Verse. Das ist das Höchste, geht schon über alle Erwartung, und jeder Wunsch darüber hinaus wäre vermessen.

grusz, hansz
 



 
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