Pauschal gereist

Das oberflächlich saubere Flugzeuggrau wird nur von den viel zu bunten Dreiecken der fleckigen Stoffbezüge unterbrochen und tut ihr in den Augen weh.
Noch bevor sie ihren Platz einnehmen, muss sie sich bereits mehrmals für den Mann schämen, der dem grellpinken Lippenstift allzu ölig entgegenlächelt, weil ihm von diesem beim Einsteigen eine allzu glatte Zeitschrift angeboten wird.
Über das schmierige Öl, das dem Mann dabei aus dem Mund mit den nicht mehr ganz eigenen Zähnen trieft, wäre sie ja noch anstandslos hinweggestiegen, hätte er nicht auch noch derart metallisch gespreizte Worte zwischen den haltgebenden Klammern hervorgepresst, dass sie buchstäblich darüber stolpern MUSSTE.

Nun sitzen sie endlich, und sie fragt sich, wie das Gesamtleben des pinken Lippenstifts wohl aussehen mag, derweil dieser gerade wenig motiviert die Funktion einer Schwimmweste demonstriert.
Als er andeutungsweise in die Aufblasventile prustet, werden herb enttäuschte Fältchen sichtbar, die sich wohl bald nicht mehr überschminken lassen.
Sie denkt vor allem daran, dass auch dieser Job mittlerweile zu den beschissenen zählt, dessen kosmopolitischer Glanz schneller verloren gegangen war als jener der pauschal verkackten Zukunft.
Sie stellt sich vor, wie sich der pinke Lippenstift im kalten Licht einer Hotelnasszelle abwäscht, um die Kanalisationen diverser Kontinente einzufärben.
Sie findet das mindestens so traurig wie die einsame Stubenfliege, die den Passagieren um die reisefiebrigen Köpfe fliegt.

Der Gedanke der fliegenden Fliege im Flieger fasziniert sie.
Sie überlegt, ob das Tierchen nun irgendwo, weit weg von Familie und Freunden, neu anfangen würde.
Sie denkt gern lachhafte Gedanken und hatte wohl zu viele Filme gesehen.
Indes nimmt sie manierlich den trinkbaren Ketchup vom pinken Lippenstift entgegen und reicht den pampig gefüllten Pappbecher an den Mann weiter.
Die Sonne malt von unten ein abstraktes Muster auf den ausklappbaren mittelgrauen Tisch, auf dem sie ihre unruhigen Hände ausruht.
Es sind schöne, schlanke Hände und leicht gebräunt. Immerhin war bereits Sommer gewesen.
Ein bleicher, blasser Ring hatte sich genau da nicht eingebrannt, wo das edle Metall es zu verhindern gewusst hatte.
Neben ihr: der Mann.
Er garniert das Sonnenmuster auf seinem grauen Plastik mit schwarzen Pfefferpunkten.
Es bleibt nicht aus, dass er deretwegen einen feinen Sprühregen aus seinen Nasenhöhlen bläst, welcher im Gegenlicht der Fensterluke gut zu erkennen ist.
Sie reicht ihm scheinbar mitfühlend ein sehr weißes Taschentuch, das er scheinbar dankbar entgegennimmt und schließlich ausgiebig hineinrotzt.
Er blickt ihr dabei weder ins Gesicht noch auf die hinreichende Hand, und die Müdigkeit, die sie befällt, ist plötzlich grauer und schwerer und bauchiger als jedes beschissene Flugzeug.
Noch nicht mal am Ende dieser elend langen Woche wird er es bemerkt haben, dass der bleiche, blasse Ring sich derart verdunkelt haben wird, dass kein Mensch auf die Idee käme, es wäre jemals anders gewesen.
 



 
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