Friedrichshainerin
Mitglied
Das war´s dann.
Überall gehen die Lichter aus. Nichts regt sich mehr. Was ist los? Antwort: Die Atombombe ist abgeworfen worden.
Eigentlich muss man ja bei den Jägern und Sammlern anfangen. Die Schlausten haben sich was ausgedacht, was dem Stamm weiterhilft. Die Töpferscheibe zum Beispiel. Oder war das später?
Lange danach – Jahrhunderte oder eher Jahrtausende - studierten sie Physik und dachten sich was Anderes aus, was dem Stamm absolut nicht weiterhalf. Im Gegenteil. Es vernichtete ihn. Ein Name: Oppenheimer.
Früher, in der Schule, habe ich solche wie ihn immer bewundert. Sie gaben die Mathearbeit nach 10 Minuten ab und konnten den Klassenraum verlassen, während wir Anderen noch über den Zahlen brüteten. Kann man natürlich vom IQ nicht mit ihm vergleichen. Da spielte er in einer ganz anderen Liga.
So einer ist mir nie über den Weg gelaufen. Vielleicht machen wir Normalsterblichen den Fehler, so einen wie ihn zu sehr zu bewundern. Dazu regen die ewigen Schulen, in denen wir rumgesessen haben, die ewigen Matheaufgaben, die wir gelöst haben, ja geradezu an.
Ich habe die Biografie gelesen und den Film gesehen.
Wie konnte aus so einer naturwissenschaftlichen Begabung so etwas werden. Da interessiert es mich auch nicht, dass er großzügig war und seine Studenten nach dem Seminar immer zum Essen eingeladen hat.
Mich interessiert bloß, wie sehr er darauf drang, dass die Atombombe gezündet wurde, und dass sie möglichst viele Menschen vernichtete. Irgendwie hatte ich mir früher immer eingebildet, dass die Wissenschaftler, die die Bombe bauten, sich gar nicht so richtig bewusst waren, was sie da eigentlich taten. Was natürlich Quatsch war.
Er war nicht der Einzige, der beteiligt war. Niels Bohr, Richard Feynman sind bekannte Namen. Aber Oppenheimer war der Motor hinter dem Ganzen. Er, der Langschläfer war, war in Los Alamos schon frühmorgens auf den Beinen.
Was ist in ihn gefahren? Er, der aus sehr reichem Hause stammte, hätte vielleicht Physik Physik sein lassen sollen, die Beine hochlegen und ein Playboyleben mit Drugs, Sex und Rock´n Roll führen sollen.
Stattdessen hat er studiert und studiert, war überall der Beste, bloß um uns schlussendlich die Scheißbombe auf den Kopf zu werfen. Was haben ihm die armen Mandelaugen getan mit ihren Kirschbäumen und dem grünen Tee? Außer den Hunderttausenden, die entweder gleich oder in den nächsten Tagen in Hiroshima und Nagasaki umkamen, starben von Ende des zweiten Weltkrieges bis heute wohl bestimmt noch genauso viele an den Spätfolgen.
Immer noch werden in Japan behinderte Kinder geboren. Von vielen Menschen blieb nach der Abwurf der Bombe bloß ein Schatten im Asphalt. Wie geht das eigentlich? Kann ich mir nicht erklären. Physikerin wird aus mir eher keine.
Vielleicht ist der Asphalt so heiß geworden, dass die Körper zerschmolzen sind und dann, als die Hitze nachließ, nach dem Wiedererstarren der Straßendecke, blieb ein Abdruck von ihnen auf ihm.
Das Schlimmste war der unsichtbare Tod. Die, die die Explosion überlebt hatten, dachten, sie sind noch einmal davongekommen. Tage später fielen ihnen ihre Haare aus.
Irgendwie fragt man sich, ob die Leute in Hiroshima schon eine Ahnung hatten, dass es mit ihnen zu Ende geht, dass ihre Uhren ablaufen, und man sie im fernen Amerika schon im Visier hatte. Dass sie lebende Untote sind, ihre letzten Stunden angebrochen sind. Manche haben ja das zweite Gesicht und wissen alles vorher.
Sie sind ja brennend in den Fluss gesprungen, was ihnen aber nichts genützt hat, da er auch in Flammen stand. Und dann das Mädchen, dass die tausend Kraniche gefaltet hat, als sie zehn Jahre nach Abwurf an Leukämie erkrankte. Das sollte Glück bringen. Es hat ihr aber nichts genützt.
Ich sehe mich noch in Malchin, wo meine Oma wohnte, in Tränen aufgelöst vor der Kinoleinwand sitzen. Es lief "Moskau glaubt den Tränen nicht". Ein Film über eine japanische Tänzerin, die auch diese Krankheit hat, obwohl sie erst Jahre nach Abwurf der Bombe geboren wurde.
Warum hat er nicht das Geld seiner Eltern verprasst mit Glücksspiel und leichten Mädchen? Was wär der Menschheit erspart geblieben.
Warum werden Leute, die so leben, so verurteilt – die tun wenigstens keinem was - andere dagegen, die in seine Fußtapfen treten, hoch geehrt. Ich hab mal von einem Serienkiller gehört, der 75 Menschen ins Jenseits beförderte. Gegen Oppenheimer war er ja regelrecht ein Menschenfreund.
Den Schaden auf der Welt richten die Fleißigen an. Ständig müssen sie Kriege führen, Land erobern bzw. in Friedenszeiten alles betonieren, Häuser, die von dem Leben der Bewohner künden, die mal in ihren Mauern lebten, niederreißen, um Investitionsobjekte ohne Seele zu errichten. Ihr Traum ist es, die ganze Welt in Autobahnen und Parkplätze verwandeln. Davon, einfach mal die Füße still zu halten, halten sie nichts.
Aber das mit diesen ehrgeizigen Physikern ist ja noch mal ´ne ganz andere Kategorie. Die sind ja brandgefährlich.
Natürlich ist mir klar, dass sein Ehrgeiz auch mit seinem Judentum zusammenhängt. Ein Volk, das ewig gedemütigt wurde. Vielleicht ging es absolut nicht spurlos an ihm vorbei, dass er von den Anderen in einem Feriencamp nachts im Kühlraum eingeschlossen wurde. Sowas macht einen zu einem Menschenfeind.
Später, als Student und Wissenschaftler, wollte er es ihnen allen zeigen. Los Alamos - übrigens, auch die Bevölkerung in New Mexiko kräftig verstrahlt -, wo sie in ihrer Hexenküche hockten, brachte ihm die ersehnte Machtstellung.
Bis zu den Vorwürfen der Kommission für unamerikanisches Verhalten wegen angeblicher Spionage. Mir tat das wenig leid.
Im Grunde ist er danach einfach wieder zu den Studenten in Berkeley zurückgekehrt und hat weiter unterrichtet. Von seinen Opfern blieb dagegen nur ihr Schatten im Asphalt. Ihnen hat keiner mehr die Möglichkeit gegeben, sich noch lange vor einer Kommission zu rechtfertigen, bevor die Bombe über ihren Köpfen explodierte.
Er selber ist nicht an seinem schlechten Gewissen gestorben - vielleicht drang so was in seinen intellektuellen Elfenbeinturm, in dem er saß, gar nicht mehr durch -, sondern durch sein jahrelanges Kettenrauchen.
So einer wir er hätte nicht vor die Kommission für unamerikanisches Verhalten gehört, sondern vor ein Tribunal der Völker. Genauso etwas wie die Nürnberger Prozesse, wo die Nazis vor Gericht standen.
Das Mädchen mit den Papierkranichen verzeihe ich dir nicht.
Überall gehen die Lichter aus. Nichts regt sich mehr. Was ist los? Antwort: Die Atombombe ist abgeworfen worden.
Eigentlich muss man ja bei den Jägern und Sammlern anfangen. Die Schlausten haben sich was ausgedacht, was dem Stamm weiterhilft. Die Töpferscheibe zum Beispiel. Oder war das später?
Lange danach – Jahrhunderte oder eher Jahrtausende - studierten sie Physik und dachten sich was Anderes aus, was dem Stamm absolut nicht weiterhalf. Im Gegenteil. Es vernichtete ihn. Ein Name: Oppenheimer.
Früher, in der Schule, habe ich solche wie ihn immer bewundert. Sie gaben die Mathearbeit nach 10 Minuten ab und konnten den Klassenraum verlassen, während wir Anderen noch über den Zahlen brüteten. Kann man natürlich vom IQ nicht mit ihm vergleichen. Da spielte er in einer ganz anderen Liga.
So einer ist mir nie über den Weg gelaufen. Vielleicht machen wir Normalsterblichen den Fehler, so einen wie ihn zu sehr zu bewundern. Dazu regen die ewigen Schulen, in denen wir rumgesessen haben, die ewigen Matheaufgaben, die wir gelöst haben, ja geradezu an.
Ich habe die Biografie gelesen und den Film gesehen.
Wie konnte aus so einer naturwissenschaftlichen Begabung so etwas werden. Da interessiert es mich auch nicht, dass er großzügig war und seine Studenten nach dem Seminar immer zum Essen eingeladen hat.
Mich interessiert bloß, wie sehr er darauf drang, dass die Atombombe gezündet wurde, und dass sie möglichst viele Menschen vernichtete. Irgendwie hatte ich mir früher immer eingebildet, dass die Wissenschaftler, die die Bombe bauten, sich gar nicht so richtig bewusst waren, was sie da eigentlich taten. Was natürlich Quatsch war.
Er war nicht der Einzige, der beteiligt war. Niels Bohr, Richard Feynman sind bekannte Namen. Aber Oppenheimer war der Motor hinter dem Ganzen. Er, der Langschläfer war, war in Los Alamos schon frühmorgens auf den Beinen.
Was ist in ihn gefahren? Er, der aus sehr reichem Hause stammte, hätte vielleicht Physik Physik sein lassen sollen, die Beine hochlegen und ein Playboyleben mit Drugs, Sex und Rock´n Roll führen sollen.
Stattdessen hat er studiert und studiert, war überall der Beste, bloß um uns schlussendlich die Scheißbombe auf den Kopf zu werfen. Was haben ihm die armen Mandelaugen getan mit ihren Kirschbäumen und dem grünen Tee? Außer den Hunderttausenden, die entweder gleich oder in den nächsten Tagen in Hiroshima und Nagasaki umkamen, starben von Ende des zweiten Weltkrieges bis heute wohl bestimmt noch genauso viele an den Spätfolgen.
Immer noch werden in Japan behinderte Kinder geboren. Von vielen Menschen blieb nach der Abwurf der Bombe bloß ein Schatten im Asphalt. Wie geht das eigentlich? Kann ich mir nicht erklären. Physikerin wird aus mir eher keine.
Vielleicht ist der Asphalt so heiß geworden, dass die Körper zerschmolzen sind und dann, als die Hitze nachließ, nach dem Wiedererstarren der Straßendecke, blieb ein Abdruck von ihnen auf ihm.
Das Schlimmste war der unsichtbare Tod. Die, die die Explosion überlebt hatten, dachten, sie sind noch einmal davongekommen. Tage später fielen ihnen ihre Haare aus.
Irgendwie fragt man sich, ob die Leute in Hiroshima schon eine Ahnung hatten, dass es mit ihnen zu Ende geht, dass ihre Uhren ablaufen, und man sie im fernen Amerika schon im Visier hatte. Dass sie lebende Untote sind, ihre letzten Stunden angebrochen sind. Manche haben ja das zweite Gesicht und wissen alles vorher.
Sie sind ja brennend in den Fluss gesprungen, was ihnen aber nichts genützt hat, da er auch in Flammen stand. Und dann das Mädchen, dass die tausend Kraniche gefaltet hat, als sie zehn Jahre nach Abwurf an Leukämie erkrankte. Das sollte Glück bringen. Es hat ihr aber nichts genützt.
Ich sehe mich noch in Malchin, wo meine Oma wohnte, in Tränen aufgelöst vor der Kinoleinwand sitzen. Es lief "Moskau glaubt den Tränen nicht". Ein Film über eine japanische Tänzerin, die auch diese Krankheit hat, obwohl sie erst Jahre nach Abwurf der Bombe geboren wurde.
Warum hat er nicht das Geld seiner Eltern verprasst mit Glücksspiel und leichten Mädchen? Was wär der Menschheit erspart geblieben.
Warum werden Leute, die so leben, so verurteilt – die tun wenigstens keinem was - andere dagegen, die in seine Fußtapfen treten, hoch geehrt. Ich hab mal von einem Serienkiller gehört, der 75 Menschen ins Jenseits beförderte. Gegen Oppenheimer war er ja regelrecht ein Menschenfreund.
Den Schaden auf der Welt richten die Fleißigen an. Ständig müssen sie Kriege führen, Land erobern bzw. in Friedenszeiten alles betonieren, Häuser, die von dem Leben der Bewohner künden, die mal in ihren Mauern lebten, niederreißen, um Investitionsobjekte ohne Seele zu errichten. Ihr Traum ist es, die ganze Welt in Autobahnen und Parkplätze verwandeln. Davon, einfach mal die Füße still zu halten, halten sie nichts.
Aber das mit diesen ehrgeizigen Physikern ist ja noch mal ´ne ganz andere Kategorie. Die sind ja brandgefährlich.
Natürlich ist mir klar, dass sein Ehrgeiz auch mit seinem Judentum zusammenhängt. Ein Volk, das ewig gedemütigt wurde. Vielleicht ging es absolut nicht spurlos an ihm vorbei, dass er von den Anderen in einem Feriencamp nachts im Kühlraum eingeschlossen wurde. Sowas macht einen zu einem Menschenfeind.
Später, als Student und Wissenschaftler, wollte er es ihnen allen zeigen. Los Alamos - übrigens, auch die Bevölkerung in New Mexiko kräftig verstrahlt -, wo sie in ihrer Hexenküche hockten, brachte ihm die ersehnte Machtstellung.
Bis zu den Vorwürfen der Kommission für unamerikanisches Verhalten wegen angeblicher Spionage. Mir tat das wenig leid.
Im Grunde ist er danach einfach wieder zu den Studenten in Berkeley zurückgekehrt und hat weiter unterrichtet. Von seinen Opfern blieb dagegen nur ihr Schatten im Asphalt. Ihnen hat keiner mehr die Möglichkeit gegeben, sich noch lange vor einer Kommission zu rechtfertigen, bevor die Bombe über ihren Köpfen explodierte.
Er selber ist nicht an seinem schlechten Gewissen gestorben - vielleicht drang so was in seinen intellektuellen Elfenbeinturm, in dem er saß, gar nicht mehr durch -, sondern durch sein jahrelanges Kettenrauchen.
So einer wir er hätte nicht vor die Kommission für unamerikanisches Verhalten gehört, sondern vor ein Tribunal der Völker. Genauso etwas wie die Nürnberger Prozesse, wo die Nazis vor Gericht standen.
Das Mädchen mit den Papierkranichen verzeihe ich dir nicht.
Zuletzt bearbeitet: