Personen im Gleis

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Ein wenig stehen wir noch unter Schock ...

Auf der Rückfahrt von Köln nach Düsseldorf wurde unsere S-Bahn heute kurz vor Erreichen des Langenfelder Bahnhofs abrupt gestoppt. Kurz vor dem Halt der S-Bahn vernahmen wir ein kurzes Hupsignal der Lok.

Es dauerte eine ganze Weile bis wir über den Grund dieses Stopps informiert wurden: \"Wegen Personen im Gleis\". Sollten hier mal wieder ein paar Kinder auf die Gleisanlagen gelaufen sein? Die zusätzliche Information: \"In ca. 5 Minuten können die Fahrgäste aus dem ersten Wagen den Zug verlassen\" schien unsere Vermutung zu bestätigen.

Doch es kam anders. Draußen beobachteten wir das Eintreffen diverser Blaulichtfahrzeuge und wenige Minuten später sahen wir verschiedene Einsatzkräfte, die um den Zug herum liefen und das Gleisbett genauer untersuchten.

Schließlich bestiegen Einsatzkräfte den Zug und baten nun sämtliche Mitfahrer, den Zug über die vordere Tür im ersten Wagen zu verlassen. Gleichzeitig wurde an alle die Frage gerichtet, ob es uns \"gut ginge\".

Alles ein wenig komisch. Der Bahnsteig füllte sich schnell mit zahlreichen Mitfahrern, die auf weiteres Nachfragen bei den Einsatzkräften nur den Kommentar hörten: \"Das muss die Bahn entscheiden. Bitte haben Sie ein wenig Geduld.\"

Auf dem Bahnsteig fragte ich einen jungen Mann, der nicht bei uns im Zug war, was denn nun wirklich geschehen sei.

\"Eine Person ist kurz vor Einfahren des Zuges ganz vorne am Bahnsteig auf das Gleis gesprungen und hat sich dort hingelegt. Der Zug konnte trotz sofortiger Bremsung nicht mehr halten ... so ist sie von den Rädern ... schneller kann man nicht sterben.\"

Bei der Weiterfahrt im Bus konnten wir an der anderen Wagenseite eine große weiße Plastikplane sehen, die offenbar den Leichnam verbarg. Wir schauten uns sprachlos über Minuten an ...

\"Wie kann ein Mensch, in welcher Situation auch immer er stecken mag, einen solchen Willen und Mut besitzen, das Einfahren eines Zuges geduldig abzuwarten, dann auf die Gleise zu springen, sich dort hinzulegen, nur mit der Absicht, seinem Leben ein schnelles Ende zu bereiten ????\"

Wir wissen nichts von den Beweggründen der Person, sollen ... dürfen wir sie Opfer nennen? Aber irgendwie verspüren wir Respekt, wie entschieden dieser Mensch seinem Leben ein Ende bereitet hat.



Auf der Heimfahrt im Bus nach Düsseldorf berichtete uns ein Mitfahrer, dass dies bereits der dritte Selbstmord innerhalb der letzten 3 Monate auf diesem Streckenabschnitt gewesen sei ...
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Randylgabriel,
ich kann das gut nachvollziehen, es ist gut geschrieben. Ich hatte vir vielen Jahren in Bukarest ein ähnliches Erlebnis.
Mit einem Freund zusammen war ich ca. 1974 in Bulgarien, wobei wir jeweils in der CSSR und in Ungarn und Rumänien einen Zwischenaufenthalt hatten, wie waren noch Studenten in dieser Zeit.
Immer hatte jeder der Züge eine Stunde Vespätung, Bei der Heimfahrt in Bukarest fuhren wir pünktlich ab, plötzlich kreischten die Bremsen, eine Person war unter den Zug geraten, ein Wagen vor unserem.
Es war ziemliche Aufregung, Miliz, Zugpersonal und Reisende standen draußen. Ich habe nicht viel gesehen und auch nicht länger nach draußen geguckt. Es war jedenfalls alles schlimm. Nach ungefähr einer Stunde fuhr der Zug aber dann ab.

Viele Grüße von Bernd
 

Gabriele

Mitglied
Hallo randylgabriel!

Aber irgendwie verspüren wir Respekt, wie entschieden dieser Mensch seinem Leben ein Ende bereitet hat.
Interessant wären für mich weniger die Beweggründe dieser Tat als vielmehr die Antwort auf folgende Fragen:
Wie lange vorher hatte dieser Mensch seinen Suizid geplant? Hatte er/sie im Geiste vielleicht zuerst verschiedene Möglichkeiten, sich das Leben zu nehmen, durchgespielt und sich dann - nicht zuletzt durch seine/ihre "VorgängerInnen" angeregt - für diese sehr schnelle und sichere Methode entschieden? Und wurde die Tat dann ganz bewusst und im Detail geplant ausgeführt, oder war es letzten Endes doch eher ein spontaner Akt der momentanen Verzweiflung?

Grundsätzlich denke ich, eine solche Handlung verdient weder Respekt noch Verachtung. Auch wenn ich nicht religiös bin, so glaube ich doch, dass jeder Mensch einen ihm (vom sogenannten "Schicksal"?) vorgezeichneten Weg zu gehen hat. Der eine erlebt einen Schicksalsschlag nach dem anderen, hängt durch diese Erfahrungen aber umso mehr an seinem Leben. Für den nächsten wiederum genügt schon eine längere Phase der Monotonie, ein Mangel an Hochs und Tiefs, um ihm die Lebensfreude zu nehmen, sodass er in letzter Konsequenz nicht aus Kummer den Freitod wählt, sondern weil er sich einfach nichts mehr von seinem Leben erwartet.

Dein Text ist jedenfalls sehr gut geschrieben, finde ich.
 



 
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