Anmerkungen zur Metaphorik
Hallo Mirko,
verzeih, dass ich erst jetzt antworte, ich war krank. Natürlich hast Du Recht, daß ein Gedicht nicht nur inhaltlicher Betrachtung unterworfen werden sollte. Die form ist ja von entscheidender Bedeutung.
Ich habe kein festes Versmaß, keine Reime gewählt, also geht es in erster Linie um die verwendeten Metaphern bzw. um Kritik an der Wortwahl.
"Kulissen": Kulissen geben etwas vor, das real nicht exisitert, sie gaukeln z.B. ein Schloss vor, wo nur eine bemalte Theaterwand vorhanden ist. Meine Zeilen wollen vermitteln, dass die bisherige Realität eines Schwerstkranken, das, worauf er sich zeitlebens gestützt hat, (z.B. "ich kann meine Probleme selbst lösen") zerbricht. Seine jetzige Realität ist so dramatisch verändert, daß sie zur zerbrochenen Kulisse geworden ist.
Was bietet sich dem Blick nun an, der immer gleich ist, weil der Kranke den Körper nicht mehr selbst anders podsitionieren kann? Ein Blick durchs Fenster in eine "Realität", die auch unerreichbar und nutzlos geworden ist. Selbst wenn der Fensterblick sich auf Wiesen öffenen würde, wäre der kranke Mensch umgeben von den existentiellen Begrenzungen seines Zustands: eine traumatisierende Einsamkeit und Hilflosigkeit.
"Haben" ist der zentrale, verpflichtende, und letztlich zerstörerische Begriff der Konsumgesellschaft (vgl. Erich Fromm: Haben oder Sein), "Können" der Zentralbegriff der Leistungsgesellschaft. Beide Begriffe, lebensprägend früher, sind für den Kranken nicht nur absurd geworden, sondern es erweist sich, dass sie zum Hohn werden, wenn er jetzt auf sie setzen will, er muss etwas an ihre Stelle setzen, doch was?
Wenn ich für "Witzwort" oder "Märchentraum" etwas Besseres fände, würde ich sie durchaus ersetzen. Aber so wollte ich gerade durch die ungewohnte und auch nicht logische Dopplung der Gegriffe eine Wirkung erzielen.
Kann man ein Leben, das unter dem Trauma des totalen Autonomieverlustes steht, einüben? In der akuten Phase kann man das sicherlich nicht. Darum schreibe ich, es ist dann (fast) zu spät! Es geht mir darum, beim Leser u.a. zu erreichen, daß er nachdenkt über eine rechtzeitige Einübung von alternativen, lebensstiftenden Verhaltensmustern (Vertrauen, in der Stille sich zurechtfinden, etc.).
Danke für Deine anmerkungen. Sie haben mich angeregt, über den gesamten Text noch einmal nachzudenken.