Pharma-Odyssee

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RoToll

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Damit der Seele die Dämonen fernbleiben, gibt es zum Frühstück Duloxetin. Zusammen zugeführt mit viel schwarzem Tee und Pantoprazol, so dass der Magen stets bleibt stabil.

Die Pollen fliegen von Frühjahr bis Herbst durch die Luft umher; ach Quatsch, eigentlich schwirren sie das ganze Jahr über. Sie verursachen Jucken in Augen und Nase. Cetirizin hilft dagegen sehr zusammen mit einem Schuss Beclometasondipropionat und Formoterolfumarat-Dihydrat aus der praktischen Sprayvorrichtung stetig genau dosiert.

Immer mal wieder drohen Attacken von Kopfschmerzen. Metamizol-Natrium wirkt präventiv und erstickt deren Angriffspläne bereits im Keime.

Hier und da ein paar Topfen aus der Flasche Iberogast sind von Nöten, um zu dafür zu sorgen, dass es im Verdauungstrakt weiterhin geordnet hergeht. Verstärkungen bekommen sie bei Bedarf durch Dimenhydrinat. Manchmal erscheint als Folge ein Lächeln auf dem Gesicht.

Nach dem kleinen Marsch hin zu und zurück vom Supermarkt drückt und zieht es in diesem verdammten rechten Knie. Diclofenac eilt ein Form einer Kapsel herbei zur Rettung und sorgt als Zusatz für angenehme Wärme im Inneren.

Des nachts zum Mirtazapin gegriffen, da es ebenfalls die schon besagten Dämonen von der Seele fernhält. Außerdem schläft man gut davon. Doch allein das Mirtazapin erreicht längst keine ausreichende Müdigkeit mehr. Mit Doxylaminsuccinat geht eine wundervolle Fusion einher, welche führt zum gewünschten Ergebnis; Schlaf. Bitte aber nicht, es ist der Abschluss eines jeden Tages, ohne erneutes Pantoprazol. Der Magen benötigt Schonung, wie bereits geschrieben.

Der Geruch des Schweißes, welcher aus allen meinen Poren dringt, lässt sich mich vor mir selbst erschaudern und Ekel empfinden. Menschlich bin ich lediglich noch eine funktionierende Hülle ohne die großen Emotionen. Schwer gedämpft sind sowohl Freude als auch Leid. Ich drehe mich um mich selbst, tanze mit Lethargie und Gleichgültigkeit. Beziehungen, Freundschaften; sie alle sind vergangen. Manchmal sehne ich mich nach dem glücklichen Kind, das es einmal gab. Manchmal will ich wieder Mensch sein.

Doch Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr kann ich mich dem nicht enthalten, mich immer weiter zu vergiften. Die Pharma-Odyssee hält an.
 

petrasmiles

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Hallo RoToll,

was als interessante Satire anfängt - so im Stil von Werbebotschaften -, bekommt leider etwas Moralinsaures ... wenn Du den Ton durchgehalten hättest, so noch obendrauf 'nun gut, ich rieche ein bisschen streng, und wann ich das letzte Mal wirklich ergriffen war von etwas, weiß ich auch nicht mehr so genau, aber im Grunde geht es mir endlich wirklich gut' würde der Leser wissen 'armes Opfer', aber so bleibt als Fazit: blödes Opfer. Oder bin ich zu streng?

Liebe Grüße
Petra
 

RoToll

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Hallo Petra,

nein, Du bist wahrlich nicht zu streng. Den Ansatz, welchen Du aufzeigst, um diese Geschichte anders zu verfassen, finde ich sogar ziemlich, ziemlich gut. Nur wäre er mir nicht aufs Erste in den Sinn gekommen. Ich wollte eigentlich nur die Perspektive eines Junkies auf ärztliches Rezept und frei verkäuflichen Medikamenten zeichnen, der, genau wie Du es schreibst, ein "blödes Opfer" ist, da er nun mal nichts daran zu ändern versucht, obgleich er das Elend genau erkennt. Stattdessen schwelgt er gerne mal im Selbstmitleid.

Ein herzliches Dankeschön für diese sachliche, offene Kritik, die ich gerne annehme. Denn nur so lernt der Schreibende.

Beste Grüße und einen schönen Abend

Robert
 

rubber sole

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High RoToll,
falls tatsächlich jemand gegen all die von dir beschriebenen Befindlichkeitsstörungen mit einem bunten Mix aus pharmazeutischen Mitteln oder 'Mittelchen' angehen will, sollte er den Unfug eines solchen Cocktails sein lassen. Einmal gründlich chemisch mi Alprazolam, Diazepam o. ä. entspannen und dann ausschleichen. Danach zurück zur Natur: Ethanol in schmackhafter Darreichungsform und individuell angepasster Dosierung hilft gut in solchen Fällen. Und anschließend, nicht nur für den Bio-Genießer, Cannabis bleibt bei all den o. gen. Indikationen Mittel der ersten Wahl.
Gruß von rubber sole
 

RoToll

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Hallo rubber sole (steht der Name in Zusammenhang mit dem fast gleich geschriebenen Beatles Album, welches etwas besser ist als Pet Sounds der Beach Boys?),

denselben pharmazeutischen Weg, welchen Du in Deinem sehr netten Kommentar beschreibst, habe ich notgedrungen hinter mir. Das Problem bei dieser Geschichte ist nur, dass es für Kassenpatienten kaum einen Arzt gibt, welcher Dir dauerhaft die von Dir erwähnten Medikamente verschreibt (ich kenne jedenfalls keinen :)), da sie immer wieder, auch das hast Du erwähnt, das Thema Ausschleichen in den Vordergrund stellen. Daher habe ich diese Arzneien auch nicht in der Geschichte erwähnt. Am besten ist es jedoch so oder so, und wieder gebe ich Dir Recht, es endlich bei einem Weizen von Paulaner und / oder einer Tüte selbstgezüchteten Grases zur Nacht zu belassen. Mehr braucht der Mensch wahrlich nicht. Jedenfalls nicht mehr in meinem Alter. Aber der Typ in der Erzählung ist eben, wie Petra richtig erkannt hat, ein "blödes Opfer"...

Endlich danke ich Dir für Deine Worte und freue mich auf Deine nächste Erzählung.

Ich wünsche Dir eine gute Nacht und sende beste Grüße

Robert
 
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petrasmiles

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Lieber Robert,

das nenne ich mal gesegnete Einfalt - ich habe keine Ahnung von diesen Medikamenten und so entging mir wohl der Zuschnitt auf eine abhängige Person. Als Typus bin ich da nicht geeignet, weil ich mich am liebsten nüchtern erlebe; aber bevor man mich auf das hohe Ross setzt - meine Drogen sind Nikotin und Zucker, also sitzen wir wohl doch irgendwie alle im selben Boot, manchmal, ohne es zu bemerken. Eben nur anders blöd.
Aber ich verstehe nun, warum die Botschaft Vorrang hatte vor der Geschichte.

Liebe Grüße
Petra
 

rubber sole

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Hallo Robert,
die Vermutung, das Pseudonym 'rubber sole' stünde in Verbindung zum Titel eines Albums der Beatles, ist richtig. Diese haben den trivialen Begriff 'Gummisohle' (rubber sole) in den Begriff 'Gummiseele' (rubber soul' ) poetisch hochstilisiert - finde ich genial; ich habe diesen einfach 're-verballhornt', eine nähere Erklärung hierzu wäre zu privat.
Der von dir angedeutete Weg durch die Irrungen und Wirrungen des Verordnungsverhaltens von niedergelassenen Kassenärzten ist leider typisch, muss aber nicht zwingend obligatorisch sein; denn es gibt Ärzte die können einen Patienten durch solche Krisen führen, man muss sie natürlich erst einmal ausfindig machen. In meinem Kommentar ist der unernste Grundton vermutlich zu schwach rübergekommen und ich habe auch keine eigenen Erfahrungen in einer solchen Langzeitbehandlung. Als naher Beobachter in der Situation eines 'Fast-Co-Patienten' kenne ich mich allerdings ein wenig mit solchen Situationen aus.
Neue Geschichten? Da geht hoffentlich noch was.
Gruß von rubbersole
 
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