Pinschers Vermutungen

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sufnus

Mitglied
Pinschers Vermutungen

........."Da hört bei mir der Dichter auf,
................und es fängt der ganz kleine Pinscher an ... "
......................(Ludwig Erhard)


Bestimmt waren sie wieder hauteng
und ihr Gegenteil von Parkas
verlangte nach Erklärungen also
diesen Mondansammlungen
ihr Schwestern der Nacht

Ach ihr enthaltener Countdown
war sicher nur eine vollständige Art
ich zähle bis drei zu rufen
und natürlich war ich dabei

(völlig abwesend) und liebte
und hasste
______________mit der Anzahl
tausend untergeganger Sonnen

Bedenke Pinscher dass unser Nachtlicht
auf jeder Wellenfunktion des Ozeans
oben schwamm und so sehr
wir uns auch bemühten

letztlich brannten wir lichterloh wie Beton
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 28334

Gast
Salvete, philosophus Sufnus!

"Pinscher" lässt mich vorerst ratlos zurück. Entweder fehlt mir das Wissen, oder es handelt sich um die sehr intelligente und aufmerksame Hunderasse, die sich in eine cogitatio profunda begibt. Die Ambiguität des Titels, sei es referierend auf die kluge und perspicax – die durchdringende – Canis-Art oder auf eine segregierte Ebene des lyrischen Ichs, eröffnet ein reichhaltiges Spektrum an Deutungsmöglichkeiten.

Die gesamte Composita des Gedichtes scheint sich in einem Ludus – hier aber weniger scherzhaft, mehr verspielt – mit Paradoxa zu suhlen, während das Werk gleichzeitig von einer reichen Anwendung von Metaphern aus der ordinären Naturbetrachtung lebt. Der Vers "verlangte nach Erklärungen" fungiert möglicherweise als eine Inquisitio, eine Suche nach Verständnis in einer Welt, in der die Dichotomie von "hauteng" und "Parkas" die Differenzierbarkeit und Exegese des Sichtbaren und Fühlbaren hervorhebt und versucht, mit Relationen des Verstehens zu brechen, respektive sie zu durchdringen.

Die nächtlichen Wesenheiten – Stille, Somnium, Astrae, Luna, Crepusculum, stellaris Lumen, Universum, Infinitas, Aurora - werden in "Mondansammlungen" und "ihr Schwestern der Nacht" in ein Netz aus Beziehungen vergewoben. Jedoch wird das im Werk nicht näher beschrieben. Es scheint sich distanzieren zu wollen, ob des Unerklärlichseins des Universums...

Strophe zwei scheint ein Impatiens zu sein: Die Ungeduld, in Strophe eins wieder abzutauchen und sich im immergleichen Prozess verlieren zu wollen. Strophe drei scheint diese Vermutung weiter zu untermauern, aber auch mit dem Gefüge der Zeit in Konflikt zu stehen. Zeile vier bricht mit dem Stil, der bisher inflationäre Metaphern vermieden hat, geht es in dieser Zeile scharf in das Inflationäre. Ich weiß nicht, ob mir das gefallen will.
Es wirkt fast wie eine Beschädigung. Was sind deine Gedanken dazu?

Strophe vier ruft auf: Wir werden, ob aller Schönheit und Betrachtung, die Tiefe nie verstehen; eine memento mori verborgen, eine Erinnerung an die Grenzen unseres Verstehens. Der letzte Vers, eine Apotheose der Ironie und des Paradoxon, stellt Beton, kalt, hart und leblos, in eine zärtliche, aber trotzdem zurückhaltende Amikalität zum lyrischen Ich, nahezu ein Oxymoron, das mit der schieren Komplexität der menschlichen Existenz und Wahrnehmung würfelt.
Die letzte Zeile ist grandios!
Grundsätzlich ist das Verhältnis zwischen Zugang, Impressionismus und Hermeneutik fast perfekt ausgewogen. Der Text gibt genügend Details preis, legt aber Hürden, die zum Nachdenken anregen und einladen.

Es weiß nur der Hund... Warum es hier noch keinen Kommentar dazu gab.
Das Gedicht wäre für mich eine klare Leseempfehlung.

Logi
 

sufnus

Mitglied
Hey Logi!

Vielen lieben Dank für diese Ausgrabungsarbeit am sperrigen Objekt!!! :)

Dass hier keine Kommentare kamen, ist allein die Schuld des Autors... schon der Titel ist eine einzige Nebelmaschine.
Um daher wenigstens eine kleine Abholbrücke zum Titel zu bauen, habe ich mich gerade entschlossen, dem Haupttext noch eine Pinscher-Schleife voranzustellen. Und wo ich grad dabei war, hab ich noch einen etwas unmotivierten Zeitformsprung angeglichen (oben schwimmt => oben schwamm).

Wobei ich betonen möchte, dass es in diesem Text nicht um eine raffiniert verschlüsselte Botschaft geht, die man per Kenntnis der Anspielungen stückweise decodieren kann. Es ist schon ein Hochseiltanz zwischen Nonsens und Geistlockerungsübung per Paradoxieoverload. Die Idee war, das Ganze so zu "bauen", dass man immer wieder einen privaten Deutungs-Anknüpfungspunkt herauslesen kann, aber ohne, dass hier eine "absolute Wahrheit" verkündet wird.

Bin mir übrigens nicht sicher, logi, welche Stelle Du mit "Beschädigung" meinst, meinst Du Zeile 4 der 3. Strophe? Mir kommen die "1000 untergegangenen Sonnen" gar nicht so viel stärker metaphernlastig vor als der ganze Rest. Wobei in S3 jetzt ausnahmsweise (!) mal wirklich dekodierbare Anspielungen vorliegen, nämlich auf Catull und auf die Atombombe (was natürlich wieder eine ganz schön plemplemige Kombi darstellt).

LG!

S.
 
G

Gelöschtes Mitglied 28334

Gast
Hey suf,

uhhh! War das Zitat von Erhard nicht eine kleine Reflektion über sein Reagieren/Verhalten gegenüber erhaltener Kritik?
Das Zitat rückt das Werk tatsächlich in ein anderes Licht.

"1000 untergegangenen Sonnen"
Ja, genau, das Bild meinte ich. Findet man ja sehr oft: 1000 Meere, 1000 Flammen, 1000 Herzen etc.
Das brach für mich die vorangegangene Sprache. Das stach für mich regelrecht heraus. Andere Leser sehen das mit Sicherheit wieder anders.

Warum schreibt man eigentlich nicht zehnhundertete Sonnen?

Catull las ich nicht heraus; das aber liegt weniger am Autor, viel mehr am Bildungsunterschied Leser-Autor, aber auch an der Fähigkeit derartige Details herauslesen zu können. Da trumpfe ich noch mit Inkompetenz auf. Dir eine schöne Woche, suf.


Logi
 



 
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