Plötzlich weg

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Bellador

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Plötzlich weg

„Hallo Annika, hier ist Nicole. Mein Bruder ist letzten Freitag gestorben und gestern hat eine kleine Messe zu seiner Erinnerung stattgefunden. Ich weiß, dass zwischen euch etwas Besonderes war, deswegen wollte ich dich darüber informieren. Es tut mir leid, auch für deinen Verlust.“

Annika fehlten die Worte. Marco war erst 55 Jahre alt, immer gut gelaunt und hilfsbereit, einfach nur liebenswert. Er trat plötzlich in ihr Leben, verbrachte Stunden mit ihr im Chat und urplötzlich war er weg, verschwunden.

Gerade auf dem Weg zurück vom Urlaub erreichte Annika diese Nachricht. Sie konnte es nicht glauben. Tausend Fragen gingen ihr durch den Kopf. Ist Marco krank gewesen?
Sie fing an den Chat mit Marco durch zu scrollen. Vor zwei Jahren sagte er etwas wegen einer Lungenentzündung, danach erzählte er aber fröhlich über seine Freundin und ihre Kinder. Kein Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Warum hatte er ihr nichts erzählt? Nicole hatte mich nie gemocht. Und jetzt schrieb sie mir, dachte Annika. Eine virtuelle Umarmung von mir würde sie bestimmt als unangenehm empfinden… Aufgeregt sah Annika zu ihrem Freund rüber. Sie war froh, dass er noch nichts bemerkt hatte, so konzentriert wie er das Auto fuhr. Darum schrieb sie zurück.

„Danke fürs Bescheid sagen. Was ist passiert?“

Lange Zeit kam keine Antwort. Sie ist traurig und bestimmt bombardieren sie sie in dieser Sekunde alle mit Fragen. Und nun auch noch ich, wie blöd von mir, dachte Annika und machte sich selbst schwere Vorwürfe. Als sie sich entschuldigen wollte, sah sie im Chat, dass jemand zu schreiben anfing.

„Ich bin jetzt zu traurig um dir zu sagen, was passiert ist. Vielleicht ein anderes Mal.“

Ja, das kann ich verstehen, natürlich. Annika versuchte an etwas anderes zu denken. Wie war es nochmal? Morgen Tanzkurs und Mittwoch Zahnarzttermin? Wenn das Wetter schön ist, können wir am Sonntag eine Fahrradtour an den See machen.

„Ich sage es dir doch lieber jetzt. Er war schwer krank. Davon wusste ich nichts. Ich habe mich verzweifelt gefragt, warum er mir nichts gesagt hat aber es war seine Entscheidung...Ich liebte ihn so sehr.“

Annika versuchte sich zu erinnern, was sie vor einer Woche, an genau diesem Tag, gemacht hatte. Sie hatte zwar oft an ihn gedacht, aber an diesem Tag? Plötzlich war er weg. Und soviel blieb ungesagt. Dann schaute sie wieder zu ihrem Freund. „Mein Schatz, ich liebe dich.“, sagte sie.
Er schaute zurück, sah die Tränen in ihren Augen und sagte „Ich liebe dich auch.“, ohne etwas zu fragen. Das mochte sie so sehr an ihm. Das und so vieles mehr.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Bellador,

schön, dass du zu uns in die Leselupe gefunden hast. Wir freuen uns auf einen konstruktiven Austausch und auf weitere Texte von dir.
Herzlich willkommen!

Liebe Grüße
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Bellador,

das ist ein sehr eindringlicher Text.
Durch einen plötzlichen Verlust wird einem bewusst, was man selbst besitzt und es ist schön, wenn man dies noch fühlen kann.
Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße
Manfred
 



 
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