Poetologie

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Scal

Mitglied
Gewichtige Begriffe, ganz gewiss, man forscht und
klärt sich auf am Parkplatz zirkuliert
die Meinung, ja, sie sei das wahre Maß.

Ich schlendere durchs Gras
und höre zu
wie's lacht
und lacht
und lacht
das schlimme Kind

und mittendrin der Wind
und nebenan der zwitschernde Baum.

Ich weiß nicht -
was soll das bedeuten.

Ich geh jetzt zum Parkplatz zurück
und hör zu.
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey Scal!
Ein sehr schönes Naturgedicht unter dem Deckmantel eine poetologischen Metadiskussion. :)
Da hat das lyrische Ich offenkundig eine schönen vorfrühlingshaften Spaziergang im Wald hinter sich und unter dem Eindruck der allenthalben sich suchenden und findenen gefiederten Nestbauer in spe ("zwischernde Bäume") formte sich auf dem Waldparkplatz dieses schöne Gedicht. Und wo der deutsche Wald so vernehmbar Laut gibt, ist es nicht weit bis zur Romantik und schon schlendert auch Freund Heine um die Ecke.
Nur beim schlimmen Kind steh ich grad auf dem Schlauch - aber das stört mich nicht weiter. :)
Komischerweise hat mich beim Lesen aber dann gerade der Parkplatz ein bisschen aus dem Flow gerissen. Wie obig-spekulativem (und wahrscheinlich höchst Danebenem) zu entnehmen, halte ich ja gerade den Parkplatz für mit der Entstehung des Gedichts gewissermaßen "biographisch" verknüpft, aber irgendwie klemmt der für mich dennoch ein bissel... So grundsätzlich als einen zivilisatorischen Gegen-Pol zum Naturrauschen (oder meinethalben -zwitschern) find ich den ja eigentlich gar nicht verkehrt, aber vielleicht ist er am Ende des Tages für mich persönlich fast schon zu "direkt" und plakativ.
Andererseits bin ich grad auch leicht übermüdet und wahrscheinlich fasele ich die ganze Zeit schon ohne Sinn & Verstand vor mich her.... morgen schäm ich mich dann... also... schau ich doch morgen nochmal rein.... ;)
LG!
S.
 

Scal

Mitglied
Dear Sufnus,

nun hebe ich an oder ab:

„Unartig“ tollt sein Enkelkind – wie aber sollte der Leser dies erahnen!
Und der Parkplatz, nun ja, in die Biographie hineinasphaltiert, ist ein eckiges Gebilde, gewissermaßen ein horizontales Plakat, eine Örtlichkeit, der zu entschlürfen der Winddursthabende sich veranlasst sieht, sah.
Vielleicht schlürfte er zu schlendrianisch, nachdem er las: „Versteht ihr? Ich kann alle Diskurse.
Aber wenn der Wind weht, so bin ich nimmer da, und meine Stätte kenne ich nicht“ (Dirk von Petersdorff)
. Ja!
Er kann nicht alle Diskurse. Aber manchmal – er will's hoffen, weil er gerne hofft – weht der Wind. Und das genügt (ihm, mir).
Du faselst nicht, du siehst auch bei leichter Übermüdung gut, stehst mit einem Bein auf dem Parkplatz, mit dem anderen auf Gras.

Danke!

Lieben Gruß
Scal

@lietzensee
Dankeschön!
 
hi Scal

diese Lektionen in Demut tun jedem gut, der sich in zu dünne Luft verstiegen hat. In einem "Ich weiß es nicht, was soll es bedeuten" wirkt so manches Gedicht viel nachhaltiger, als auf der Bühne des rationalen Reduktionismus zur Unbedeutsamkeit seziert. Natürlich sollte man den Rapport in diese Welt nicht gänzlich abbrechen, aber dafür wirbt dein LI ja auch nicht. Endlich geht es ja zum Parkplatz zurück und hört zu.

Ganz besonders gut gefällt mir das "schlendern durchs Gras". Das nachlässliche, gemächlich, entspannte deutet auf eine genügsame Einordnung in die Entfaltung der Welt, gleich den Lilien auf dem Feld.

mes compliments

Dionysos
 

sufnus

Mitglied
Hi Scal,
danke für das wohlwollende Urteil über den stattgehabten Faselfaktor und meine halbgrasige Standbeinverortung. :)
Jetzt - mit wachem Verstand (?) - gefällt mir auch der Parkplatz! :)
LG!
S.
 

Scal

Mitglied
Vielen Dank, Dionysos,

für dein feinsinniges Bedenken!

Ja, es herrscht – vor allem im lyrischen Bereich - eine gewisse Ambivalenz (auch meinerseits) im Verhältnis zur Bühne des rationalen Reduktionismus.

Da ist ein Glimmern, Glühen, flammts. Ein Gedicht entsteht.
Sobald sich aber seine Gestalt erhebt, und - weil sie gesehen, ja, beachtet werden will - auf den Parkplatz tritt, folgt die Wasserprobe, wird sie abgekühlt, wird mit augenden Händen durchfühlt. Bist du gemeinschaftsfähig? Wir rücken dich und schmücken dich gegebenenfalls zeitgerecht zurecht.
Unverzichtbar wichtig ist das!

Doch manche dieser Hände – so bilde ich mir ein – sind in der Trockenkühleatmosphäre der Parkplatzmitte allzu ausgekühlt. Und so schreckt der oder die oder das Betastete - mag sein - bei deren Zugriff erschrocken auf und lauscht ins Gras zurück, sucht nach jenem Ruf, nach jenem Bild, aus dem das erste Glimmern hervorsprang, weil's ihm die Stätte gewesen, wo seine Lyra zu klingen begann.

Lieben Gruß
Scal

@sufnus
Danke dir, mir ist wie nach einer Spaziergangrunde über Gras und Asphalt.
 



 
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