Pommes frites

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Freitag war immer der beste Tag, da kamen die meisten Leute. Bestellten Burger aller Art und dann die Pommes. Mit der unvergleichlichen Gewürzmischung. Die er erfunden hatte. Viel Salz, diverse Kräuter, Paprika und Knoblauch. Vor allem der. Die Leute standen drauf. Am liebsten bewirtete er die nette Familie. Mann, Frau, kleines Kind. Manchmal kam die Oma mit. Sie stammte aus Deutschland, und sie gab immer viel Trinkgeld, denn sie kapierte das amerikanische System nicht. Das freute ihn. Wirklich.
Seit acht Jahren verkaufte er nun tagein, tagaus das Gleiche. Burger und gewürzte Pommes. Alles funktionierte natürlich nur mit diesem Fett, das überall hineinkroch. So sehr er sich auch später duschte und die Kleidung wechselte, er roch immer nach Fett. Da lohnte es sich nicht, tolle Klamotten zu tragen. Die übliche Uniform - Jogginghose, Shirt, Baseballkappe - war pflegeleicht. Manchmal kam der Chef. Der war piekfein und schleppte trotzdem Riesenbeutel Pommes und andere Grundzutaten herein. Höchstpersönlich.
Doch John gab nicht auf. Niemals würde er das. Und wenn er bis an sein Lebensende Pommes verkaufen müsste. Irgendwann würde es klappen, selbst wenn er dann schon alt wäre. Schließlich waren die Hollywood Hills in Sichtweite. Irgendwann würde einer sein Drehbuch gut finden. Irgendwann. Bis dahin verkaufte er eben Pommes. Mit der speziellen Gewürzmischung.
 
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lietzensee

Mitglied
Hallo DocSchneider,
ein sehr schönes Stück Kurzprosa. Es bleibt konzentriert bei seinem Thema und leuchtet es tief aus. Ich mag auch, wie du dich auf die Beschreibung der Tatsachen konzentrierst. Der Leser darf sich seine eigene Meinung bilden.

Ein paar Details würde ich ändern. Die sind aber Geschmackssache (nicht jeder mag die gleichen Gewürze, haha)

Tatsächlich fehlt mir bei der Gewürzmischung etwas. Sie wird gleich am Anfang und vergleichsweise umfangreich beschrieben. Da würde ich erwarten, dass sie am Ende fester mit der Pointe verknüpft wird.
Wenn die Arbeit nur Mittel zum Zweck ist, finde ich es auch überraschend, dass John die Würzmischung selbst erfunden hat. Das zeigt doch, dass er für diesen Job zusätzlich Zeit investiert und auch Talent dafür hat. Natürlich schließen sich Drehbuchschreiben und Gewürzmischen nicht aus. Aber es schwächt etwas das Leitmotiv ab. Die Mischung könnte doch auch von seinem Chef erfunden worden sein. Das würde den Ehrgeiz des Chefs deutlich machen und wäre ein schöner Kontrast zu Johns eigenem Ehrgeiz.

denn sie kapierte das amerikanische System nicht.
Als naiver Leser hätte ich auch gedacht, dass das amerikanische System reichlich Trinkgeld verlangt. Vielleicht kannst du ihren Fehler noch etwas klarer machen. Aber den folgenden Satz finde ich klasse:
Das freute ihn. Wirklich.
Hier bleibt wunderbar offen, was ihn freut.

Und wenn er bis an sein Lebensende Pommes verkaufen würde. Irgendwann würde es klappen.
Die zwei Sätze beißen sich für mich. Wenn er wirklich bis an sein Lebensende Pommes verkauft, hätte es mit dem Drehbuch doch nicht geklappt, oder?

Viele Grüße
lietzensee
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Lietzensee,

freut mich sehr, dass dir der kleine Text gefällt!

Die Stellen, die du bemerkt hast, lagen mir auch noch etwas im Magen.

Tatsächlich fehlt mir bei der Gewürzmischung etwas. Sie wird gleich am Anfang und vergleichsweise umfangreich beschrieben. Da würde ich erwarten, dass sie am Ende fester mit der Pointe verknüpft wird.
Wenn die Arbeit nur Mittel zum Zweck ist, finde ich es auch überraschend, dass John die Würzmischung selbst erfunden hat. Das zeigt doch, dass er für diesen Job zusätzlich Zeit investiert und auch Talent dafür hat. Natürlich schließen sich Drehbuchschreiben und Gewürzmischen nicht aus. Aber es schwächt etwas das Leitmotiv ab. Die Mischung könnte doch auch von seinem Chef erfunden worden sein. Das würde den Ehrgeiz des Chefs deutlich machen und wäre ein schöner Kontrast zu Johns eigenem Ehrgeiz.
Der letzte Satz ist ja extra der Gewürzmischung gewidmet. John hat sie erfunden, um sich selbst zu beweisen, dass er nicht nur schreiben kann, sondern sich auch im notwendigen Job auskennt. Ich werde noch ein paar Kräuter einfügen, um zu unterstreichen, dass John eben auch in diesem Bereich nicht ganz als Laie agiert. :)

Als naiver Leser hätte ich auch gedacht, dass das amerikanische System reichlich Trinkgeld verlangt. Vielleicht kannst du ihren Fehler noch etwas klarer machen. Aber den folgenden Satz finde ich klasse:
Hier bleibt wunderbar offen, was ihn freut.
Ja, das System verlangt Trinkgeld, da die Löhne niedrig sind. Die Oma übernimmt einfach immer den vorgeschlagenen höchsten Prozentsatz, das ist das Einfachste. Sie könnte ja auch einen niedrigeren nehmen oder selbst etwas eintragen. Aber das versteht sie nicht, und somit profitiert John davon.
Der Satz ist bewusst offen geblieben - oder ist er ironisch gemeint?

Die zwei Sätze beißen sich für mich. Wenn er wirklich bis an sein Lebensende Pommes verkauft, hätte es mit dem Drehbuch doch nicht geklappt, oder?
Der Satz ist widersprüchlich und ich habe länger überlegt, wie ich ihn ändern kann. Aber das wollte ich dann doch nicht, sondern er sollte eher ausdrücken, dass John kein Ende seiner Tätigkeit sieht und wahrscheinlich bis ans Ende seines Daseins Pommes verkaufen muss. Oder wenn es dann doch mit dem Drehbuch klappen sollte, ist er schon alt.

Den Titel erweitere ich um frites.

Gruß DS
 

lietzensee

Mitglied
Hallo DocSchneider,
vielen Dank für die Erklärung.

John hat sie erfunden, um sich selbst zu beweisen, dass er nicht nur schreiben kann, sondern sich auch im notwendigen Job auskennt.
Das ist bei mir als Leser nicht angekommen. Mir war nicht klar, das John auf die Würze stolz ist oder emotionale Bindung an seinen Day Job hat. Darum war auch der letzte Satz für mich ohne etwas fade.

Der Satz ist bewusst offen geblieben - oder ist er ironisch gemeint?
Nein, war nicht ironisch. Durch die Zweideutigkeit zeichnest du in einem Satz ein Facettenreiches Bild von seinem Charakter.

sollte eher ausdrücken, dass John kein Ende seiner Tätigkeit sieht und wahrscheinlich bis ans Ende seines Daseins Pommes verkaufen muss. Oder wenn es dann doch mit dem Drehbuch klappen sollte, ist er schon alt.
Das ist bei mir wieder nicht angekommen. Mit ein bisschen Umstellen könntest du den hier zitierten Teil doch fast in den Text übernehmen.

Aber wie gesagt, der Text gefällt mir. Er ist kurz und ohne Schwabbelfett. Ich mag auch die unvollständigen Sätze darin:
Das ist, ohne Ironie, ein wunderbarer Satz.

Zu der Geschichte gibt es übrigens einen passenden Onion-Sketsch :-D

Viele Grüße
lietzensee
 
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aliceg

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Hallo!
Ihr seid fabelhafte Erzählkünstler.
In erfundene Geschichten (oder rein beobachtete) könnte ich nie soviel Herzblut einbringen,
eher noch in ein Gedicht.
Aber das ist ja das Interessante an der LL, diese vielfältigen Schreib-Talente ...
 



 
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