Prag 68

Lutz LEOPOLD

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Es war das Jahr des Prager Frühlings. Auf den Straßen der Tschechoslowakei fuhren noch unzählige Autos aus der Vorkriegszeit. Prag war damals dass was in den 80er Jahren Havanna war. Ein El Dorado für Autofreaks wie ich es bin. Zwei wunderschöne gut gepflegte Tatra, einen Tatra 11 in Weiß zweitürig mit vier Sitzen und Spitzenvorhängen im Fond. Den zweiten Tatra 30 cremefärbig, zweisitzig mit Stoffdach, hatte ich bereits erstanden, nach Wien gebracht und verkauft. Mein Handel mit gebrauchten Autos lief noch schleppend und daher war ich begeistert, als ich vereinzelt nach Oldtimern gefragt wurde.
Jetzt bin ich dem Anruf eines Bekannten gefolgt und fuhr mit meinem 1966 Mercesdes Benz 250, mit dem ich in Wien als Taxifahrer unterwegs war, in freudiger Erwartung nach Prag. Den Dachbügel, mit der Taxileuchte, hatte ich abmontiert und im Kofferraum verstaut. Es war heiß an diesem Augusttag als ich am Wenzelsplatz vorm Hotel Europa aus meinem Mercedes stieg und zur Rezeption eilte.
Marek, der Portier, kennt mich von meinen früheren Besuchen und begrüßte mich. „Guten Tag Herr Pospischil. Ein Zimmer?“
Ich nahm aus meiner Aktentasche drei Zitronen und legte sie nacheinander auf das Pult. Marek nahm sie grinsend einzeln nacheinander und legte sie unter das Pult.
„Ich verstehe für drei Tage ein Doppelzimmer.“ Echte Zitronen waren trotz der Öffnung noch immer Mangelware. Zum Tee bekam man in der Regel den chemischen Zitronensaft.
Etwas später traf ich meinen tschechischen Kontaktmann Sebek. „Rudolf morgen bring ich dich zu dem Burschen der einen Tatra 57 A verkaufen will. Gegen Schillinge und bar natürlich.“ Sebek ist es auch der mit den gekauften Autos nach Wien und mit der Bahn wieder zurück nach Prag fährt.
„Das versteht sich. Wer weiß was übermorgen die Krone noch wert ist“, lachte ich.

Später, am gleichen Tag, traf ich an der Bar James, einen englischen Journalisten. Wir diskutierten über die politische Lage.
„Es ist zwar spannend wies weiter geht, aber auch Langweilig. Alles ist ruhig und ich kann kaum neues berichten“, jammerte der sensationslüsterne Herr.
Ich wollte natürlich wissen, was er so berichtet?
„Über den allgemeinen euphorischen Aufbruch. Auf meinem Zimmer habe ich drei Filmrollen die ich morgen ganz zeitig zum Flughafen bringen muss.“
„Fliegst du zurück?“, fragte ich ihn.
„Nein, oder vielleicht. Am Britisch Airways Schalter nimmt Isabel die Filme von mir entgegen und gibt sie einem Piloten, oder einer Stewardess. Ich komme wieder in die Stadt zurück.“
„Na dann stehe morgen zeitig auf“, höhnte ich noch, als wir uns zur späten Stunde verabschiedeten und die Zimmer aufsuchten.

Ein Dröhnen, wie ich es nicht kannte. Ein Klirren und Rasseln weckten mich. Ich stand auf und schaute durchs Fenster auf den Wenzelsplatz. Ich erstarrte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Gut ein dutzend Panzer fuhren vom Nationalmuseum herunter zum Ring. Die Menschen am Rande des Platzes wurden immer mehr. Ich hatte verschlafen. Es war mehr die Zeit zum Mittagessen, als zum Frühstück. Trotzdem zog ich mich hastig an und rannte die Stiege hinunter zum Essraum. James saß vor dem benützten Geschirr und schaute mir mit offenem Mund erstaunt entgegen.
„Was sagst du dazu Jürgen?“ Das Jürgen dehnte er so eigen, mit dem englischen Klang, dass es mich trotz der Situation zum Lachen reizte.
„Du bist Journalist. Sag mir was da passiert?“
„Eine Katastrophe. Ich konnte unmöglich meine Filme zum Flughafen bringen. Werde aber mit meinem Kollegen weiter filmen was da geschieht.“
„Kann man die Filme nicht auch später der Frau am Flughafen geben?“
„Ja schon. Aber Wie?“
„Gib sie mir, ich fahre hinaus.“ Das warf ich so hin, mir war nicht sofort klar, was ich da versprach.
James sprang freudig auf. „Ja fahr bitte sofort. Sei aber vorsichtig, damit dich niemand aufhält.“
„Ich habe noch nicht gefrühstückt“, bremste ich James ein.
„Mach bitte rasch, bevor es noch schlimmer wird. Ich lade dich dafür zum Mittagessen ein, wenn du zurück bist.“
Also ließ ich mir von ihm die Filmrollen geben und verstaute sie in dem doppelten Boden, den Karl, mein Mechaniker, vor zwei Monaten spaßeshalber in den Mercedes, den er zum Service bei sich hatte, einbaute. So fuhr ich los. Die Panzer waren vom Platz inzwischen abgezogen und postierten in den Straßen und Seitengassen. Mein Mercedes war zu meiner Erleichterung unbeschädigt. Noch hatte der eigentliche Wirbel mit dem Widerstand der Tschechen nicht begonnen. Nur kurz vor dem Flughafen Ruzyné, später wurde er in Vaclav Havel umbenannt, geriet ich in eine Polizeikontrolle. Der Polizist studierte lange meinen Pass, dann fragte er: „Wohin wollen Sie? Sie sind ja mit einem Österreichischen Auto unterwegs mit dem sie heimfahren können. Hier geht es aber umgekehrt zum Flughafen.“
Mein tschechisch war damals noch nicht so gut aber ich konnte genug um ihm zu erklären ihm dass ich ein Taxifahrer bin, der einen Passagier vom Flughafen abholen soll.
Der Polizist schüttelt den Kopf. „Wahrscheinlich sollten Sie ihn in Schwechat abholen und nicht in Ruzyné.“
Jetzt wurde mir mulmig. Ich zog meine Taxilizenz, die ich immer mit meinen Papieren mitführe heraus und zeigte sie ihm. „Schauen Sie das ist meine Lizenz, ich wurde von Wien beauftragt hier den Meier abzuholen.“
„Was ist das für ein Papier?“ zweifelt der gute Mann.
Da nahm ich aus dem Kofferraum den Dachaussatz und schraubte ihn an. „Ich wollte ihn wegen der tschechischen Taxifahrer nicht montieren“, erklärte ich.
Ungläubig schüttelte der Polizist den Kopf und winkte mir weiter zu fahren. Ich erreichte den Airport und übergab am Britisch Airways Schalter die Filmrollen.
„Gottsei dank dass Sie da sind. Der Flug von heute Morgen wurde auf Mittag verschoben. Es geht sich also noch aus das Paket in die Maschine zu bringen.“

Ich ging wieder zu meinem Auto und gerade noch rechtzeitig fiel mir ein: Was wenn der Polizist mich wieder aufhält? Ich brauche einen Fahrgast. Also schaute ich mich um. Die Ankunftshalle war menschenleer. Ich wartete und wollte schon resignieren, da meldete der Lautsprecher, dass eine Maschine aus Wien gerade ankommt. Ich jubelte und wartete weiter. Es dauerte nicht lange und zwei Männer und eine Frau kommen in die Ankunftshalle um ihre Koffer aufzunehmen.
Als sie sich dem Ausgang, wild gestikulierend, nähern, nähere ich mich ihnen. „Grüß euch Gott. Ich bring euch rein in die Stadt.“
Alle drei schauten mich verblüfft an. Dem einen Kerl fiel sogar die Tasche aus der Hand. Trotzdem nickten sie und folgten mir wie die Lämmer zu meinem Auto.
Im Auto fanden sie ihre Sprache wieder und die Dame wollte wissen: „Wer sind Sie? Wieso waren Sie am Airport?“
Ich lachte, denn Lachen entspannt. „Ich musste zufällig zum Flughafen und versprach einem Polizisten von dort mit Fahrgästen zurück zu kommen.“
Prompt hielt mich der Polizist wieder auf. Er erkannte mich sofort, wahrscheinlich am Wiener Kennzeichen. „Sind das die Passagiere aus Wien?“
Alle drei, ohne dass ich es ihnen erklären musste, hielten ihm ihre österreichischen Pässe hin. Der an sich freundliche Knabe winkte und ich konnte mit meinen Begleitern weiter zum Wenzelsplatz fahren.

Die Einladung zum Mittagessen konnte ich mir in die Haare schmieren. James war nirgends zu finden. Ich speiste also auf eigene Kosten. Ich musste sogar meinen Freund Sebek mit einladen. Der war verstimmt, denn als er mich abholen wollte, war ich am Flughafen.
Jetzt jammerte er. „Alles ist durcheinander. Die Grenze ist angeblich wieder zu. Wo ich den Burschen mit seinem alten Tatra jetzt finde, weiß ich nicht. Er hat kein Telefon.“
„Weißt du wo er wohnt?“
„Ja schon, nur stehen bereits überall sowjetische Posten und kontrollieren. Mit dir, in dem Wiener Wagen, traue ich mich nicht mitzufahren. Das könnte mir Probleme schaffen.“
Ich war von dem Pessimismus den er verströmte unangenehm berührt. Beruhigen konnte ich ihn erst, nachdem ich ihm versprach, ihn mit nach Wien zu nehmen. „Klar nehme ich dich mit und wenn ich dich in der Bremstrommel verstecken muss.“
Wir konnten an diesem Tag den Verkäufer des Tatra nicht finden. „Versuchen wir es morgen wieder“, verlangte ich von Sebek, denn ich dachte nicht daran nachzugeben. Wegen der paar Panzer doch nicht.

Am Abend an der Bar, da saß James mit seinem Kollegen dem tschechischen Kameramann, und winkte mir freudig zu. „Hallo mein Freund, konntest du die Filme übergeben?“
„Ja und ich war auch rechtzeitig zum Mittagessen wieder hier“, diese Bosheit konnte ich mir nicht verkneifen.
Ohne das geringste Schuldgefühl strahlte James. „Ja dann lasst uns jetzt ordentlich dinieren, auf Kosten der Times.“
„Ich dachte du arbeitest für BBC?“
„Auch, doch die Story die ich jetzt schreibe bezahlt die Times.“
Ich war tatsächlich hungrig. Das sinnlose herumfahren, um den Autoverkäufer zu finden hatte mich hungrig gemacht. Ich schlug ordentlich zu. Wir ließen uns das Beste, was es für Devisen gab, kommen.
Nachdem wir uns Powidl Gulaschen zum Nachtisch schmecken ließen rückte James mit einem neuen Wunsch heraus. Das heißt zuerst frug er mich hinterhältig: „Hattest du irgendwelche Probleme auf der Fahrt zum Flughafen?“
Ich antwortete leichtsinnig und überheblich. „Geh wo, das war für mich ein Kinderspiel.“
James Kollege straffte sich. „Wow, dann könntest du doch morgen unsere Filme von heute ebenfalls zum Flughafen bringen.“
„Oh“, jetzt wurde mir klar, warum mich die beiden Schlitzohre zum Essen einluden. „Gut aber nur mehr morgen, denn ich habe noch anderes zu tun.“
„Natürlich wir müssen ja auch abreisen.“ James nickt dazu beruhigend.

Ich plante früh aufzustehen um mich einfach aus dem Haus zu schleichen um nach meinem tschechischen Freund zu suchen. Doch da irrte ich mich. Kaum war ich auf und angezogen brachte mir James schon seine, diesmal drei, Filmrollen.
„Man sagte mir, dass gegen Mittag der Weg zum Flughafen gesperrt wird. Bitte beeil dich damit die Filme noch raus gehen.“
Mir blieb nichts übrig ich nahm die Filme und überlegte ob ich nicht eine andere Straße wählen sollte damit mich der Polizist nicht wieder befragt und misstrauisch wird. Wie ich so in der Halle mit meinem Päckchen stehe stürzt sich Manuela, die Dame die ich gestern vom Flughafen abholte auf mich.
„Herr…, ach Jürgen, das darf ich doch sagen, ich muss dringend zum Flughafen.“
Ich war einerseits erleichtert, denn sie wäre ein ideales Alibi, andrerseits wusste ich nicht ob sie nicht eine zusätzliche Gefahr darstellte, denn ich kannte sie kaum.
„Fanden Sie kein Taxi?“, versuchte ich es.
„Nein es gibt keine. Es herrscht ein fürchterliches Chaos. Angeblich sollen jeden Augenblick wieder die Panzer rollen.“
„Na die rollten gestern doch auch, danach blieb alles ruhig.“
„Oh bitte bringen Sie mich raus. Am Wenzelsplatz wird in ein paar Stunden, oder schon Minuten der Teufel los sein.“
Ich lachte und sagte, um zu beweisen was ich für ein toller Kerl bin. „Kommen Sie meine Gnädigste. Machen wir doch eine Spazierfahrt.“
Ich verstaute das Packet im doppelten Boden des Mercedes und ließ sie einsteigen. Manuela schaute nur etwas verwirrt und meinte nachdem wir bereits vom Platz rollten: „Was war das? Rauschgift?“
„Nein etwas viel Verboteneres. Filmdokumente von den sowjetischen Panzern.“
Schweigend lehnte sie sich zurück. Diesmal war sie nicht die gleiche Plaudertasche die ich vom Airport in die Stadt fuhr. Am gleichen Kontrollpunkt wurden wir wieder aufgehalten. Es war der Polizist vom Vortag. Ich fragte mich: Machte der rund um die Uhr Dienst? Doch bei ihm befanden sich zwei Sowjetsoldaten mit Maschinenpistolen.
„Ich bringe eine österreichische Staatsbürgerin zum Flughafen. Sie kennen mich doch?“ versuchte ich mit fester Stimme selbstsicher zu wirken.
Manuele fuchtelte, freundlich grinsend, mit ihrem Pass. Ich konnte ihren Angstschweiß riechen. Der Polizist trat zur Seite. Der eine Soldat riss den Pass an sich und blätterte darin. Ich fragte mich: Was hatte Manuele in Prag gemacht? Weshalb reist sie so überstürzt wieder ab?
Dann schaute der Soldat finster auf mich. „Du? Du?“
Ich gab ihm meinen Pass und die Wiener Taxilizenz. Die Pässe gab er uns zurück. Die Lizenz studierte er, hob sie ans Auge und versuchte am Papier zu rubbeln. Er wechselte mit dem anderen Soldaten ein paar Worte die ich nicht verstand und warf mir das Papier durchs Seitenfenster hinein. Wir fuhren weiter.
Manuela war erleichtert. Nach der Kontrolle konnte sie wieder wie am Vortag quatschen. „Das war aber beängstigend. Weshalb kontrollierten die uns den?“
Am Airport setzte ich Manuela ab und brachte mein Päckchen wie am Vortag zum Airline Schalter. Diesmal war eine andere Mitarbeiterin da, neben der stand ein Pilot. Der lächelte mich an und meinte englisch: „Bist ein toller Boy. Danke dass du uns die Filme bringst. In London warten sie darauf.“
Ich verabschiedete mich und fuhr wieder zurück in die Stadt. Am Kontrollpunkt stand diesmal ein anderer Polizist, aber wieder dieselben zwei Soldaten. Diesmal wollte der andere Soldat meinen Pass sehen. Er steckte seinen Kopf zum Seitenfenster herein und kam mir so nahe dass ich schon fürchtete er wolle mich küssen. Dann murmelte er etwas zu seinem Kameraden und ließ mich weiter fahren. Je näher ich der Innenstadt kam, umso schwieriger wurde die Weiterfahrt. Ich mied den Wenzelsplatz als ich Schüsse hörte. Schließlich fand ich etwas vom Hotel entfernt einen Parkplatz in einer ruhigen engen Seitengasse. Hier war es ruhig. Totenstill ruhig. Die Prager waren entweder am Wenzelsplatz oder verkrochen sich in ihren Wohnungen.
Marek riss die Augen weit auf als er mich kommen sah. „Ach, Herr Pospischil. Sie sind noch hier? Fast alle anderen Gäste haben uns bereits verlassen. Es ist fürchterlich. Heute wurde am Wenzelsplatz geschossen.“
„Ich reise erst morgen ab. Heute versuche ich nochmals mir das Auto zu kaufen.“
Fassungslos stotterte Marek. „Sie wollen jetzt bei uns, hier, ein Auto kaufen? Jessas Maria gibt’s denn sowas.“
Ich blieb ihm die Antwort schuldig und verließ zu Fuß das Hotel um Sebek aufzusuchen damit er mich zu dem Burschen, der den Tatra 57 A verkaufen will, führt. Es war wieder ein verlorener Nachmittag. Wir gingen dem Krawall am Altstätter Ring aus dem Weg, mieden den Wenzelsplatz und erreichten den wieder verlassenen Wohnort des Burschen. Ich gab auf. Scheinbar sollte der 57 A nicht die Sammlung meines Kunden, dem Kammersänger, vergrößern.

Zurück im Hotel lief ich James, natürlich wie könnte ich ihm, der mir auflauerte, entkommen, über den Weg. „Hallo Jürgen. Wie war´s am Airport?“
„Wie gestern. Was ist, hab ich mir ein Abendessen verdient?“
„Das wollte ich dir gerade vorschlagen.“
Diesmal war das Essen nicht so reichlich. Es lief vor allem nicht reibungslos ab, da die zwei Kellner, die uns und noch vier andere Gäste bedienten, unglaublich nervös waren. Der Raum war nicht wie sonst voll, sondern beängstigend leer.
„Morgen früh bringt dir Jan den Film. Er schneidet ihn noch zusammen damit du nur eine Rolle hast.“
„Aber“, wehrte ich noch ab. Ein sinnloser Versuch.
„Schlaf gut Jürgen. Ich fahre morgen mit dir. Ich habe genug Material.“

Um sieben Uhr stand James plötzlich mit einem Frühstückstablett an meinem Bett. Wie kam er herein? Staunte ich noch. „Aufstehen Jürgen. Ich glaube es ist besser das Land zu verlassen. Den Hoteldirektor hatten sie in der Nacht abgeholt.“
„Wer? Wieso abgeholt?“, ich war noch nicht ganz wach.
„Er war ein Frühlingsmann, die sammelt jetzt alle die Polizei ein.“ Lacht James als ob es das selbstverständlichste der Welt wäre. Frühlingsmann nannte James alle die mit Dubcek zusammenarbeiteten.
„Was wird mit ihm geschehen? Schaffen sie ihn nach Sibirien?“ Für mich war es aus allen Erzählungen heraus klar, dass das die Russen üblicherweise machen, wenn sie jemanden abholen.
„Das glaube ich kaum. Wenn sie alle Tschechen, die jetzt rebellieren nach Sibirien bringen, ist die Region bald überfüllt.“
Ich aß ruhig im Bett das reichliche englische Frühstück und genoss es zuzusehen wie James nervös im Zimmer herumrannte. Er hatte es sichtlich eilig. Ich nicht. Ich wollte nur mehr nach Wien zurück fahren. „Ich fahre jetzt nach Wien. Komm doch mit mir mit.“
„Das geht nicht“, fauchte James ungehalten. „Ich muss nach London fliegen. Es ist doch nur ein kleiner Umweg wenn du mich zum Airport bringst.“
„Dich und ich nehme an, ein paar Filme“, lachte ich ihn aus.
„Ja verdammt. Bei BBC sind sie begeistert die warten auf mich.“
„Na gut, wenigstens habe ich nachher von dir Ruhe.“
Ich aß fertig stand auf, wusch mich und zog mich an. Während ich in Ruhe meinen Koffer packte hüpfte James ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
„Na endlich, komm bitte. Meine Maschine wartet nicht.“

Wir fuhren Richtung Ruzyné. Selbstsicher, da es bisher gut lief, hielt ich am Kontrollpunkt an. Vier Polizisten und weitere vier Sowjetsoldaten standen auf der Straße. Am Straßenrand war ein Panzer abgestellt. Aus der Lucke des Panzers schaute der Kommandant der Gruppe herunter. Ich hielt und wir reichten unsere Pässe dem Polizisten.
„Engländer“, brüllte dieser und rannte mit unseren Pässen auf den Panzer zu.
Ich stieg aus und schaute den zweiten Polizisten schulterzuckend an. „Ich bin Österreicher. Was wollt ihr?“
James stieg ebenfalls aus, er machte Anstalten davonzulaufen, und fragte den Polizisten auf Englisch. „Was ist passiert?“
Der Polizist verstand James nicht und sagte zu mir. „Sagen Sie Ihrem Begleiter, er soll drei Schritte vom Auto weg warten.“
Ich übersetzte es James. Da begannen zwei der Sowjetsoldaten die hinteren Türen und den Kofferraum zu öffnen. Unsere Koffer wurden herausgerissen, geöffnet und der Inhalt auf die Straße gestreut. Der eine Soldat kroch ins Auto hinein und suchte in den Fugen der Polsterung. Zerrte an der Wandverkleidung, dass ich schon fürchtete er reißt sie heraus. Für mich war der Kaufpreis des Wagens ein Vermögen.
Dann entdeckte er das A aus Kunststoff am Heck. „Anglese!“ schrie er zum Panzer hoch.
Ich murmelte so leise, dass ich mich nicht einmal selbst hören konnte, ängstlich. „Austria. Österreich.“
Der Kommandant machte zu seinem Mann eine wegwerfende Handbewegung. So dass er sich der Stoßstange widmen konnte, die er fein säuberlich abputzte.
Der zweite Soldat kroch unter den Wagen und fingerte dort herum. Als er verdreckt wieder hochkam, stieg der Kommandant vom Panzer herab, kam auf mich zu und knurrte mich tschechisch an.
„Wo sind die Filme die BBC sendet?“
„Ich habe nichts mit BBC zu tun“, beteuerte ich. „Ich bin ein Taxi aus Wien und fahre eigentlich nur Österreicher vom und zum Flughafen. Das der Herr, den ich kaum kenne, heute mitfährt ist ein Zufall.“ Mir war bange. Wird er mir glauben? Verdammt ich wusste wirklich nichts über James.
Der Kommandant wendet sich James zu. Nun konnte ich James zittern sehen.
„Was machen Sie hier in Prag?“ Ich übersetzte.
„Geschäftlich, rein geschäftlich. Hier mein Visum. Mir krallte sich eine kalte Hand ums Herz. Wenn er jetzt noch den Presseausweis zückt, den ich schon in der Brieftasche die er öffnete sah, dann ist alles aus.
Er reichte irgendein anderes Papier dem Kommandanten. „Ich wollte Bücher bei Artaria kaufen. Die hatten gestern aber bereits geschlossen.“
„Ausziehen!“, wurde befohlen.
Ich bezog es ebenfalls auf mich und legte schon meine Jacke auf den Autositz. Innerlich fluchte ich, warum war ich so blöd und machte diese Gefälligkeit, die mir nichts brachte.
„Nicht du, der Engländer.“
James musste seine Jake und die Oberhose am Straßenrand stehend ausziehen. Nachdem er abgetastet wurde, nickte der Kommandant und wir durften weiter fahren. Als wir zum Abflugseingang vorfuhren war James noch immer in Unterwäsche und hielt seinen Anzug krampfhaft in den Händen.
„Du darfst dich wieder anziehen“, grinste ich ihn boshaft an.
„Danke Boy. Wo sind meine Filme.“
Ich holte sie aus dem Fahrzeugboden und gab sie ihm. „Servus guten Flug.“
Ich war erleichtert. Es war wieder gut gegangen. Aber ich fuhr nicht mehr in die Stadt hinein sondern von Ruzyné direkt nach Süden und über Budweis, dort traf ich auf eine Panzerkolonne, die zu meinem Glück nach Westen weiter fuhr, nach Freistadt. Das war gut, denn an den anderen Grenzen herrschte ein großes Gedränge.

In Wien suchte mich zwei Tage später Sebek auf. „Du Schwein hast auf mich vergessen“, fauchte er mich zur Begrüßung an. „Ich musst einen Teil der Strecke auf einem Pferdewagen zurücklegen.“
 
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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Lutz Leopold,

bitte den Text neu formatieren und die vielen einzelnen Sätze zu sinnvollen Abschnitten verbinden!

Das erleichtert das Lesen ungemein.

Gruß DS
 

Lutz LEOPOLD

Mitglied
Die vielen Zwischenräume bekomme ich nicht weg. Ich habe im neuen Programm das Problem dass ich den von mir auf Word geschreibenen Text nicht so wie geschrieben in "Leselupe" kopieren kann. Wie neu Formatieren?
 



 
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