Prüfung (Sonettvariation)

4,00 Stern(e) 1 Stimme
  • Ersteller Gelöschtes Mitglied 15780
  • Erstellt am
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4][ 4]Prüfung


Strohfeuer! schnell verflackert, schon verglimmt
Sag: ist es Liebe, die so heiß verbrennt?
Strohfeuer nur? An dessen Brand erkennt
Man nur Zerrissenheit, wo gar nichts stimmt

Doch kann die Heftigkeit der Herzensglut
Ein Zeichen sein der konzentrierten Stärke:
Das Feuer nährt sich dauerhaft, die Werke
Der Willens-Kernsubstanz durchtränkt von Mut

Du prüfst den wild Verliebten sanft: Du willst
Es wissen, wenn Du sein Begehren stillst
Ob dann wie Stroh verglimmt [ 4]sein allzu kurzer Glanz

Du prüfst den still Verliebten hart: Du willst
Es wissen, wenn Du nie sein Sehnen stillst
Ob er versetzt verrückt [ 4]verstolpert seinen Tanz
 

Walther

Mitglied
hi mondnein,

einzig das doppelte "nur" in s1 v3 und v4, von denen das letztere sich leicht durch ein "die" ersetzen ließe, sowie in s2 v4 das "von Mut", das man mit "mit Mut" tauschen könnte, sind etwas störend. die beiden hexameter in den terzetten sind reizvoll. es stellt sich zudem die frage, ob man am versende bei so konsequenter setzung der satzzeichen nicht doch auch da ebensolche setzen sollte, wenn sie angebracht wären. mich stört das, weil es merkwürdig inkonsequent erscheint.

sonst: wunderbarer text.

lg w.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke, Walther, ja ich übernehme die Vorschläge: das zweite "nur" durch "die" zu ersetzen und "mit Mut" statt "von Mut" zu schreiben.
Die längeren Verse am Terzettende sind nicht Hexameter (denn dann wären sie anfangsbetont und daktylisch), sondern iambische Trimeter mit einer Zäsur mitten im zweiten Iambus. In vielen barocken Sonetten sind alle 14 Verse eines Sonetts so gebaut, mit dieser Mittelzäsur. Dies hier ist ein Hybrid.
Und das Einstiegswort ("Strohfeuer!", Daktylus), eigentliches Thema des Lieds, steht etwas quer zum iambischen Metrum. Aber so "lodert" die Versmelodie gewissermaßen, fast wie ein Ausruf ("Alarm!"), bevor sie durch die Iamben geregelter dahinfließt.
Quer zu den Regeln natürlich auch die Verswiederholungen in den Terzetten.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4][ 4]Prüfung


Strohfeuer! schnell verflackert, schon verglimmt -
Sag: ist es Liebe, die so heiß verbrennt?
Strohfeuer nur? An dessen Brand erkennt
Man die Zerrissenheit, wo gar nichts stimmt.

Doch kann die Heftigkeit der Herzensglut
Ein Zeichen sein der konzentrierten Stärke:
Das Feuer nährt sich dauerhaft, die Werke
Der Willens-Kernsubstanz durchtränkt mit Mut.

Du prüfst den wild Verliebten sanft: Du willst
Es wissen, wenn du sein Begehren stillst,
Ob dann wie Stroh verglimmt [ 4]sein allzu kurzer Glanz

Du prüfst den still Verliebten hart: Du willst
Es wissen, wenn du nie sein Sehnen stillst,
Ob er versetzt verrückt [ 4]verstolpert seinen Tanz
 

Walther

Mitglied
hi mondnein,

das daktylische des "Strohfeuers" macht das vortragen höchst unterhaltend. das habe ich daher gar nicht extra hervorgehoben, eben weil ich texte immer "laut" vorlese, um sie besser "goutieren" zu können. gut, daß du darauf nochmals hinweist. eine weitere schmackazie, die mir jedenfalls gefällt!

lg w.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Wie mich das freut! Sehr fruchtbarer Ansatz: Das Lesen (Klingen) geht der optischen Ordnung voraus, der ästhetische Eindruck dem formalen Schema. Das ist ein musikalischer Ansatz im Auffassen, der mir sehr gefällt.
Wenn Mozart die Sonatenhauptsatzform in einer Sinfonie ausarbeitet, liebt er solche Spiele wie z.B. die Taktverschiebung zu Beginn der G-moll-Sinfonie (hab ich von Leonard Bernstein gelernt in "Musik als offene Frage"). Oder gar Beethoven: Die Mehrdeutigkeit der Taktbetonung im dritten Satz des Violinkonzerts (Hauptthema). Was mir so viel Freude macht, ist, daß Du siehst, daß da nicht einfach Beliebigkeiten die Form dieses kleinen Liedchens bestimmt haben (z.B. die länger ausschwingenden Schlußverse der Terzette), sondern musikalische Akzentuierungen.
Dankeschön!
 



 
Oben Unten