Psalm 127

Klaus K.

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Psalm 127

Some have got, some ain't not....so könnte man das ganz locker englisch formulieren. Es genügt dafür meistens, möglichst frühzeitig und dann auch noch richtig fett zu erben, das ist die eigentliche Leistung einer gewissen Klientel, die dann meint, zusätzlich auch gleich die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Und diese Helden erzählen uns dann auch noch, wie "easy" es sei, Quadratmeterpreise von fünftausend Euro für eine Altbauwohnung locker zu stemmen, "ist doch gar nicht teuer", beziehungsweise einen Winkelbungalow aus den achtziger Jahren mit entsprechemdem Grundstück und Doppelgarage in Bestlage mal eben so zu erwerben. "Cash", ohne Finanzierung. Der zweijährige Martin-Georg sollte halt genug Auslauf zum Spielen haben.
"Die Lage ist eben hervorragend, kein Gesocks drumherum, weißt du....."
Aha, aus dieser Ecke wehte also auch der Wind. Der so Angesprochenen blieb meistens nur ein säuerliches Lächeln dazu übrig, nicht jeder hatte halt eine Tante Gerda, die kinderlos ein Mehrfamilienhaus im Hamburger Norden per Testament vererben konnte. Das war ruckzuck verkauft, denn man wollte sich ja nicht irgendwelche Arbeit mit Mietern, Hausverwaltung und zuviel Finanzamt aufhalsen. Weg damit, pecunia non olet, Bares ist Wahres!

Angelika hatte genug gehört, derart idyllische Zustände beim Immobilienerwerb galten eben nicht für sie und ihren Angelo. Der meinte nur: "Hat sie eigentlich noch ihren Job bei dieser Autovermietung?"
"Soweit ich weiß nur noch Teilzeit, wegen des Kleinen!"
"Und Cord? Er arbeitet doch noch, oder? Irgendwie im Vertrieb, stimmt's?"
"Ja, bei dem Küchenhersteller - da haben sie ja dann auch gleich die neue Küche mit allem Schnickschnack her, ohne Wartezeit natürlich. Cord sitzt ja sozusagen an der Quelle!"
"Das muß toll sein - gerade mal fünfunddreißig, und dann Bingo, Jackpot!"
"Das sind aber nicht die einzigen in unserem Bekannten- und Freundeskreis, du weißt das. Denk' nur mal an Irene und Bastian...!"
"Ha, diese beiden Spezialisten! Verbeamtet, dann der Gang auf die Bank.....die waren nach ein paar Minuten wieder draußen, dann war bereits alles klar! Vierhundertfünzigtausend, überhaupt kein Problem, da beide ja Beamte sind! Bei dieser Kaste ist eine Finanzierung für eine Bank natürlich ein Klacks, es kann ja überhaupt nichts passieren, da man auf quasi unkündbare Jobs verweisen kann, und das Geld kommt immer pünktlich mit der Post. Ausfallrisiko gleich null, diese beratungstechnische Höchstleistung lässt die Geldverleiher tief durchatmen und ruhig schlafen! Some have got, some....egal, was bleibt bei den Normalos wie uns hängen? Einige sind halt anders, die haben es auch ohne zu erben von Beginn an leichter. Verkehrte Welt!"
"Nur kein Neid! Wir haben freie Berufswahl, du hättest ja auch Beamter werden können!"
"Stimmt, Treffer versenkt! Lehrer, das hätte ich alternativ werden können. Aber mir wäre das nicht passiert, was wir letztens gesehen haben. Erinnerst du dich an diese Gymnasiallehrerin, Oberstufe, Fach Deutsch - und die Quizsendung? Wer oder was ist Ringelnatz, das war die Frage an sie. Und aus den vier Antwortmöglichkeiten wählte sie dann die Wiesenblume! Ringelnatz eine Wiesenblume! Das wäre mir nie passiert!"
"Weil du dich ja nie zu einer Teilnahme an einer derartigen Sendung getraut hättest, mein Lieber! Denk' nur mal daran, wie du letztens geflucht hast, als ich dich nach der Herleitung der Kreiszahl Pi gefragt habe - keine Ahnung hast du gehabt, und das ist Stoff aus der Mittelstufe! Du und Lehrer - du schreist doch schon nach deinen Beruhigungstabletten, wenn wir nur mit dem Auto an einem leeren Schulhof vorbeifahren!"
"Da siehst du mal, wie oberflächlich und unfähig mir das vermittelt wurde! Der Lehrer hat selbst keine Ahnung gehabt, er konnte es also auch nicht so erklären, daß es hängenblieb! Der Typ hat nur gesagt, wir müßten uns die Entwicklung nicht merken, sondern nur die Zahl im Kopf speichern! Pädagogik at its best, haha!"
"Man könnte auch sagen, er hat dich und deine Kumpel richtig eingeschätzt, oder? Da saßen mit dir fünf mathematische Genies bis zum Abitur, bei denen man davon ausgehen konnte - nein, mußte -, daß sie sich im Rahmen härtester intellektueller Gemeinschaftsarbeit die Lösungswege mit Vorliebe selber erschließen! Ok, aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter! Ich bin freie Grafikerin, also persona non grata für jede Bank, nur du hast ein regelmäßiges festes Gehalt. Das reichte den Finanzkoryphäen ja nicht. Wir schaffen das nie, uns eine eine Wohnung zu kaufen! Der Tipp, wir sollten erst einmal weiter sparen, der war ja einer Urkunde beim Bundesverband deutscher Banken würdig! Wir sind wertlos, nutzlos, wir dürfen nicht mitspielen, Angelo. Diese Entwicklung macht mir irgendwie Angst!"
"Ja, es ist schon seltsam - meine Eltern haben beide unter null, also unterhalb der Grasnarbe, besser gesagt mit nichts angefangen, hatten mich als einziges Kind.....aber es ging immer positiv voran. Und wir? Irgendetwas läuft gewaltig schief, ich befürchte, nicht die Revolution sondern eher die Inflation frisst ihre Kinder...! Und der Anteil der Verlierer wird laufend mehr. Der halbwegs alerte Bürger erkennt das, kann sich aber kaum dagegen wehren."
"Und was machen wir jetzt mit diesen profunden Erkenntnissen?"
"Weiter sparen, mein Schatz! Du hast es doch gehört!"
"Ich hab' da noch einen bislang unerledigten Auftrag für eine Werbeagentur, Pappnasen für den nächsten Karneval. Hast du noch deine Polaroid-Sofortbildkamera? Ich bräuchte nämlich mal ein paar Aufnahmen von dir, also ich brauche perfekte Vorlagen!"

Der Anruf kam drei Monate später. Nachts, um kurz vor vier. Verdammte Hacke, mußte das sein? Angelo hob den Hörer schlaftrunken ab. Der Anrufer kam irgendwo aus Nordamerika, sprach englisch, nannte seinen Namen, nannte daraufhin noch einen Firmennamen, fragte nach der aktuellen Uhrzeit in "Germany", entschuldigte sich dann bezüglich der nächtlichen Störung und erwähnte irgendeinen deutschen Begriff mit einer Adresse. Angelo verstand nur Fragmente, aber das eher einseitige und kurze Gespräch war dann auch bereits schnell wieder beendet worden. Angelika war dabei zum Glück nicht aufgewacht. So weit, so gut.-

Eine seriöse Notar- und Anwaltskanzlei bat daraufhin telefonisch bereits wenige Tage später beide zu einem Gespräch in einer Erbschaftsangelegenheit. Eine assoziierte Kanzlei in den USA hatte mit dieser deutschen Kanzlei diesbezüglich Kontakt aufgenommen und es wurde ein Termin vereinbart. Eine Erbschaftsangelegenheit?
"Was oder wer kann das sein, Angelo?"
"Keine Ahnung! Aus den USA? Hängt wohl mit dem nächtlichen Störmanöver zusammen, warten wir es ab!"

Es gab da mal einen "Uncle Curt" in Angelo's Familie. Der war 1897 nach South Carolina ausgewandert. Da hatte er dann äußerst erfolgreich Gebäck aus Maismehl produziert. Und "Uncle Curt" hatte einen Sohn, der blieb aber unverheiratet und hatte keine Nachkommen. Dieser Nachfahre von Curt war jetzt im hohen Alter verstorben, der Lauf der Welt. Und Angelo war der einzige auffindbare und lebende Erbberechtigte. Die Firma war lange vorher bereits verkauft worden, das gesamte Erbe bestand aus einem Haus und Barvermögen, insgesamt handelte es sich um etwas mehr als vier Millionen Dollar.

Der Notar fragte beiläufig "Was werden Sie jetzt damit machen? Da gehen noch ein paar Gebühren ab, die Kollegen in den USA, dann unsere Leistungen, und vergessen Sie bitte das Finanzamt nicht! Umsonst ist nur der....na, Sie wissen schon. Also, da bleibt noch genügend übrig, wir rechnen Ihnen das gerne in den nächsten Tagen noch exakt aus. Nun denn, wissen Sie eigentlich bereits, wie Sie den erklecklichen Rest anlegen werden?"
"Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf, oder?"
"Wenn Sie meinen.....steht das nicht auch genauso in der Bibel? Psalm 127?"
"Das ist jetzt egal. Wir sind jedenfalls mitten in der Nacht angerufen worden, es scheint also zu stimmen. Jetzt wissen wir aber was wir zuerst machen werden, oder was meinst du, Angelika?"
"Eine Bibel kaufen!"
 
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